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Ich riß beim Anblick der Zahl auf dem Scheck die Augen auf und las sie mit Sorgfalt noch einmal. Dann las ich den Brief.

Er lautete:

Derek,

dies ist eine Bitte um Strafmilderung, wie Sie es sinngemäß ausgedrückt haben. Der Scheck zeigt den Betrag, den ich mit Grev für die zwölf Tropfen und acht Sterne vereinbart hatte. Ich weiß, daß Sie das Geld brauchen, und ich brauche die Steine.

Jason wird Sie nicht mehr behelligen. Er bekommt einen Job in einer meiner Werkstätten.

Grev hätte mir den Ziegelstein nie verziehen, vielleicht aber die Brieftasche. Bei Ihnen ist es genau umgekehrt. Sie sind ihm sehr ähnlich. Ich wünschte, er hätte nicht sterben müssen.

Pross

Was für ein Kuddelmuddel, dachte ich. Ich brauchte das Geld, ja gewiß, aber wenn ich es annahm, dann erklärte ich mich indirekt bereit, nichts gegen ihn zu unternehmen.

Andererseits war ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt gerichtlich gegen ihn vorgehen konnte, so sehr ich das auch wollen mochte. Von Beweisproblemen einmal ganz abgesehen, hatte ich mich ja mehr oder minder darauf eingelassen, als Gegenleistung für Informationen stillzuhalten, was allerdings vor der Brieftasche gewesen war. Es wurde mir bewußt, daß er große Scharfsichtigkeit bewies, hatte er doch klar erkannt, daß es der Verrat am Bruder war, der sowohl Greville als auch mich in Rage bringen würde.

Würde Greville es gutheißen, wenn ich Pross zwar nicht verzieh, die Rache aber aussetzte? Würde er wollen, daß ich die Vergebung, die er gewährt hatte, erneuerte, oder wäre es weit eher in seinem Sinne, wenn ich mich im Zorn erhöbe und den Scheck in Fetzen risse…?

Mitten in diese düster sich im Kreise drehenden Gedanken klingelte das Telefon, und ich nahm den Hörer ab.

«Elliot Trelawney hier«, sagte die Stimme.

«Oh, hallo«.

Er erkundigte sich, wie’s denn so ginge, und ich antwortete, daß das Leben nun mal voller Zwickmühlen sei.

«Und wie«, sagte er mit einem Kichern.

«Geben Sie mir einen Rat«, sagte ich, einer Eingebung folgend.

«In Ihrer Eigenschaft als Richter.«

«Wenn ich kann, herzlich gern.«

«Gut, hören Sie sich eine Geschichte an und sagen Sie mir dann, was Sie davon halten.«

«Schießen Sie los.«

«Jemand hat mich mit einem Ziegelstein niedergeschlagen.«

Elliot gab aus Mitgefühl mit mir protestierende Geräusche von sich, aber ich fuhr fort:»Ich weiß jetzt, wer es gewesen ist, aber als es passierte, wußte ich es noch nicht, denn ich konnte das Gesicht des Angreifers nicht sehen, weil es maskiert war. Er wollte mir eine ganz bestimmte Sache entwenden, aber obwohl er bei der Durchsuchung des Hauses eine fürchterliche Unordnung anrichtete, konnte er das Gesuchte nicht finden, raubte mir im Endeffekt also nichts außer meinem Bewußtsein. Später erriet ich, wer es gewesen war, und ich warf einem anderen Mann vor, den Betreffenden auf mich angesetzt zu haben. Dieser Mann hat das nicht geleugnet, mir aber zu verstehen gegeben, daß er es jedem anderen gegenüber leugnen werde. Also… was soll ich machen?«

«O je. «Erdachte nach.»Was möchten Sie denn gern tun?«

«Das weiß ich nicht. Deshalb brauche ich ja einen Rat.«

«Haben Sie diesen Überfall der Polizei gemeldet?«

«Ja.«

«Haben Sie unter ernsthaften Nachwirkungen zu leiden gehabt?«

«Nein.«

«Haben Sie danach einen Arzt aufgesucht?«

«Nein.«

Er dachte wiederum nach.»Praktisch gesehen, würde es wohl schwer werden, eine Verurteilung zu erreichen, selbst wenn sich eine Körperverletzung tatsächlich noch nachweisen ließe. Sie könnten nämlich keinen Eid auf die Identität des Angreifers leisten, wenn Sie ihn bei seinem Angriff nicht erkannt haben, und was den anderen Mann betrifft, so gehört die Anstiftung zu einem Verbrechen zu jenen Anschuldigungen, mit denen ans Ziel zu gelangen am allerschwersten ist. Da Sie keinen Arzt konsultiert haben, befinden Sie sich auf unsicherem Boden. Auch wenn das hart ist — ich würde doch meinen, daß der Fall wohl kaum vor Gericht zu bringen wäre.«

Ich seufzte und sagte:»Vielen Dank.«

«Tut mir leid, daß ich nicht hilfreicher sein konnte.«

«Ist schon in Ordnung. Sie haben mir bestätigt, was ich schon befürchtet habe.«

«Na gut«, sagte er.»Ich habe Sie eigentlich angerufen, weil ich Ihnen für die Zusendung der Vaccaro-Aufzeichnungen danken wollte. Der Ausschuß hat getagt, und wir haben den Antrag Vaccaros abgelehnt, nur um dann zu entdecken, daß wir uns gar nicht so große Mühe hätten zu geben brauchen, weil er nämlich bereits am Samstag unter dem Vorwurf festgenommen worden war, die illegale Einfuhr bestimmter Substanzen versucht zu haben. Er sitzt noch in Untersuchungshaft, und Amerika ist um eine Auslieferung nach Florida bemüht, wo eine Anklage wegen Mordes und möglicherweise die Hinrichtung auf ihn warten. Und wir hätten ihm beinah die Konzession für einen Spielclub gegeben! Ist schon eine komische Welt.«

«Wirklich zum Totlachen!«

«Was ist eigentlich mit unserem Drink im >Rook and Castle<?«meinte er dann.»Vielleicht mal an einem Abend in der nächsten Woche?«

«Okay.«

«Schön«, sagte er.»Ich rufe Sie an.«

Ich legte den Hörer auf und überlegte, daß Vaccaro, wenn er am Samstagabend verhaftet und in Untersuchungshaft genommen worden war, wohl kaum am Sonntagnachmittag in Berkshire von einem fahrenden Auto aus Simms erschossen haben konnte. Aber eigentlich hatte ich ja auch nie wirklich geglaubt, daß er es gewesen war.

Nachäfferei. Ein Nachahmungstäter war’s gewesen.

Und auch Pross hatte Simms nicht erschossen. Hatte auch nie versucht, mich umzubringen. Das Peter-Pan-Gesicht, von dem sich so viele Gefühlsregungen ablesen ließen, war absolut leer geblieben, als ich ihn gefragt hatte, was er am Sonntagnachmittag gemacht habe.

Ich kam zu dem Schluß, daß der Mord an Simms eine willkürliche Gewalttat war — wie die anderen Morde von Hungerford auch. Sinnlos und niederträchtig, heimtük-kisch, vom Wahnsinn diktiert und nicht zu erklären.

Ich nahm den gewaltigen Scheck zur Hand und besah ihn mir. Er würde alle augenblicklichen Probleme lösen — wir wären in der Lage, die bereits fällig gewordenen Zinsen zu zahlen und die Rechnung für das Schleifen der Diamanten und dann noch mehr als ein Fünftel unserer Kapital schul den zu tilgen. Wenn ich ihn nicht annahm, dann konnten wir zweifelsohne die Diamanten später an irgend jemand anderen verkaufen, aber sie waren speziell für die Phantasiestücke von Prospero Jenks geschliffen worden, und es konnte durchaus sein, daß sie sich nicht ganz so gut für Ketten und Ringe eigneten.

Ein Schuldbekenntnis. Eine Gegenleistung. Die Möglichkeit, daß die Reue zumindest zur Hälfte echt war. Oder sah er in mir nur einmal mehr einen Dummkopf, mit dem er leichtes Spiel hatte?

Ich stellte auf dem Tischrechner ein paar Berechnungen an, und als Annette mit der Tagespost hereinkam, zeigte ich ihr mein Zahlenwerk und den Scheck und fragte sie nach ihrer Meinung.

«Das ist der Selbstkostenpreis«, erklärte ich ihr.»Dies hier sind die Kosten für Schliff und Politur. Das die Versandgebühren, und dies die Kreditzinsen und die Mehrwertsteuer. Wenn Sie das alles zusammenrechnen und von der Zahl auf diesem Scheck hier abziehen, bliebe dann die Art von Gewinnspanne übrig, die Greville vorgeschwebt hätte?«

Von Kalkulation verstand sie etwas, und sie wiederholte meine Schritte auf dem Rechner.

«Ja«, sagte sie schließlich,»das sieht einigermaßen gut aus. Nicht übermäßig großzügig, aber Mr. Franklin hätte es wohl als einen Auftrag auf Provisionsbasis angesehen, denke ich. Nicht so ein Geschäft wie der Bergkristall, den er auf gut Glück gekauft hatte und der zur Finanzierung der Reise beitragen sollte. «Sie sah mich ängstlich an.»Ihnen ist der Unterschied doch klar?«