«Ja«, sagte ich.»Prospero Jenks meint, daß dies die Summe sei, auf die er und Greville sich verständigt hätten.«
«Na also«, sagte sie erleichtert.»Er würde Sie nicht betrügen.«
Ich bedachte ihren guten Glauben mit einem ironischen Lächeln und sagte:»Wir geben diesen Scheck wohl besser zur Bank, nehme ich an. Bevor er sich in Luft auflösen kann.«
«Das mache ich sofort«, erklärte sie.»Bei einem Kredit von der Größenordnung, die Sie genannt haben, kostet uns jede Minute was.«
Sie zog sich den Mantel an und ergriff einen Regenschirm, um diesen mit auf ihren Botengang zu nehmen, hatte der Tag doch mit einem Regen begonnen, der keine Anzeichen eines Nachlassens zeigen wollte.
Es hatte auch schon am Abend davor geregnet, als Clarissa zur Rückkehr ins Hotel bereitgestanden hatte, und ich hatte dreimal nach einem Taxi telefonieren müssen — ein Problem, mit dem Aschenputtel wahrscheinlich noch nicht konfrontiert gewesen war. Mitternacht war heraufgezogen und vorbei, als das Gefährt endlich eingetroffen war, und ich hatte ihr in der Zwischenzeit angeboten, ihr Brad und mein Auto für die Fahrt zu der Hochzeit auszuleihen.
Das brauche ich nicht, hatte sie gesagt. Wenn sie und Henry in London seien, dann nähmen sie immer die Dienste eines Autoverleihs in Anspruch. Der Wagen, der sie zu der Hochzeit in Surrey bringen werde, sei bereits bestellt. Der Fahrer werde dort auf sie warten und sie dann wieder ins Hotel zurückbringen, und sie wolle sich lieber an diesen Plan halten, sagte sie, da die entsprechende Rechnung direkt an ihren Mann geschickt werde.
«Ich tue immer, was Henry erwartet«, sagte sie,»denn dann gibt es keine Fragen.«
«Und wenn Brad dich nach deiner Rückkehr vom Selfridge abholte?«fragte ich, während ich die kleinen Bären einpackte und ihr in einer Tüte überreichte.»Die Wettervorhersage ist lausig, und wenn es regnet, hast du um die Tageszeit erhebliche Schwierigkeiten, ein Taxi zu erwischen.«
Der Gedanke war ihr nicht unlieb — nur daß Brad dann ihren Namen erfahren würde. Ich versicherte ihr, daß er nur rede, wenn es gar nicht zu vermeiden sei, aber dann sagte ich ihr, daß ich Brad bitten würde, irgendwo in der Nähe des Hotels zu parken. Dann könne sie ihn über das Autotelefon erreichen, wenn sie zur Abfahrt bereit sei, und Brad würde im rechten Augenblick herbeigesaust kommen und brauche weder ihren Namen zu wissen noch am Empfang nach ihr zu fragen.
Da dieser Plan ihren Gefallen gefunden hatte, hatte ich ihr die Telefon- und die Zulassungsnummer des Autos aufgeschrieben, letzteres, damit sie auch sicher sein konnte, den richtigen Kürbis gewählt zu haben. Außerdem hatte ich ihr Brad beschrieben — langsam kahl werdend, ein bißchen grämlich, ein offenes Hemd, ein sehr guter Fahrer.
Brads Einstellung zu diesem Arrangement war mir verborgen geblieben. Als ich es ihm an diesem Morgen auf dem verregneten Weg in die Firma erläutert hatte, hatte er bloß geknurrt, was ich als vorläufige Einwilligung auffaßte.
Wenn er Clarissa rausgebracht hatte, überlegte ich, als ich die Post durchsah, die mir Annette hingelegt hatte, könnte er eigentlich nach Hungerford und nach Hause fahren, während Clarissa und ich zu Fuß zu dem Restaurant am Ende von Grevilles Straße gehen könnten, wo er vielleicht bekannt war, ich aber nicht, um dann nach einem frühen Abendessen zu Grevilles Bett zurückzukehren, diesmal für uns, und vielleicht müßten wir das Taxi rechtzeitiger bestellen… vielleicht…
Aus diesen angenehmen Tagträumen riß mich einmal mehr das stets fordernde Telefon, und diesmal war’s Nicholas Loder, der anrief, vor Wut kochend.
«Milo sagt mir, Sie hätten die Stirn gehabt, >Dozen Ro-ses< einer Dopingkontrolle zu unterziehen«, fauchte er.
«Ja, auf Barbiturate hin. Er kam mir sehr schläfrig vor. Unser Tierarzt meinte, er wäre glücklicher, wenn er vor Ausstellung der Freigabebescheinigung genau wisse, daß dem Tier kein Beruhigungsmittel für die Reise verabreicht worden sei.«
«Ich würde doch einem Pferd niemals Beruhigungsmittel geben«, sagte er.
«Nein, das hat auch keiner von uns im Ernst angenommen«, sagte ich begütigend,»aber wir wollten sichergehen.«
«Das ist höchst schäbig von Ihnen. Eine Beleidigung. Ich erwarte eine Entschuldigung.«»Ich entschuldige mich«, sagte ich einigermaßen ernst und dachte schuldbewußt an die weiteren Tests, die im Augenblick gerade durchgeführt wurden.
«Das reicht mir nicht«, sagte Nicholas Loder mürrisch.
«Ich wollte das Pferd an gute Besitzer von Milo verkaufen, an Leute, für die ich reite«, sagte ich, an seine Einsicht appellierend.
«Wir wissen alle, daß Sie dagegen waren. Wenn man Ihnen unter eben diesen Umständen einen müden Gaul vorgeführt hätte, dann hätten Sie doch genau das gleiche getan, nicht wahr? Sie hätten auch genau wissen wollen, was Sie da verkaufen.«
Wiege die Ware! dachte ich. Zirkon war bei gleicher Größe eins Komma sieben mal schwerer als Diamant. Greville hatte bei seiner Fahrt nach Harwich eine Juwelierwaage im Auto gehabt, wahrscheinlich um zu überprüfen, was ihm die Koningin Beatrix mitgebracht hatte.
«Sie haben sich unmöglich aufgeführt«, sagte Nicholas Loder.
«Wann haben Sie das Pferd zuletzt gesehen? Und wann sehen Sie’s wieder?«
«Zuletzt Montagabend. Wann wieder, weiß ich nicht. Wie ich Ihnen schon sagte, halten mich Grevilles Angelegenheiten ein bißchen beschäftigt.«
«Milos Sekretärin hat mir gesagt, daß ich Sie in Grevil-les Büro finden würde«, knurrte er.»Sie sind ja nie zu Hause. Ich habe, glaube ich, einen Käufer für >Edelstein<, obwohl Sie’s nicht verdienen. Wo sind Sie heute abend zu erreichen, falls er ein endgültiges Angebot machen will?«
«Bei Greville. Vielleicht.«
«Gut, die Nummer habe ich. Und ich verlange für diese Dopingtests eine schriftliche Entschuldigung von Ihnen.
Ich bin so sauer, daß ich Ihnen gegenüber kaum noch höflich sein kann.«
Das war er auch kaum, dachte ich, aber ich freute mich doch über >Edelstein<. Das Geld sollte in die Kasse des Unternehmens fließen und den Bankrott noch ein bißchen aufschieben helfen. Ich hatte ja auch noch den Scheck von Ostermeyers für >Dozen Roses<, wartete mit der Einzahlung nur noch darauf, daß Phil Urquhart grünes Licht gab. Die Pferde würden also für ein paar der verschollenen Diamanten aufkommen. Wenn man es optimistisch sah, dann hatte sich das Gewicht des Mühlsteins inzwischen auf etwa eine Million Dollar verringert.
Aus alter Gewohnheit brachte mir June zur Mittagszeit wieder ein Sandwich. Ihr Schritt war vor lauter Aufregung noch federnder geworden, und sie schämte sich dessen überhaupt nicht. In fernerer Zukunft, sollten wir diese Krise überleben — was dann? Würde ich Saxony Franklin einfach verkaufen, wie ich es vorgehabt hatte, oder würde ich die Firma doch behalten und beleihen, um auf diese Weise einen eigenen Stall zu finanzieren, wie Greville seine Diamanten finanziert hatte? Ich würde den Stall aber nicht verstecken! Vielleicht war ich bis dahin ja auch sachkundig genug, um beide Unternehmen auf solider Grundlage führen zu können — ich hatte ja schließlich in zehn Tagen schon sehr viel gelernt. Und mir war, auch wenn ich das überraschend fand, Grevilles Firma inzwischen doch ans Herz gewachsen. Wenn wir sie retteten, würde ich sie nicht hergeben wollen.
Wenn ich weiterritt, bis wieder so etwas wie Zahlungsfähigkeit über uns heraufdämmerte, dann würde ich vielleicht zum ältesten Steeplechase-Jockey der Geschichte werden.
Wieder unterbrach das Telefon meine Tagträume, und dabei hatte ich noch kaum mit der Erledigung der Post an-gefangen. Es war ein Kunde, der eine lange Bestellung von Cabochons und Kugeln aufgeben wollte, und ich hüpfte zur Tür und schrie nach June, damit sie den Auftrag entgegennahm und gleich in den Computer tippte, und dann kam Alfie daher, beschwerte sich, daß uns das verstärkte Paketband ausginge, und fragte, wozu wir eigentlich je diesen Jason gebraucht hätten. Tina erledige seine Arbeit in der halben Zeit — und das ohne die Flucherei.