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«Es ist eine der Drogen, die die Wirkung des Adrenalins potenzieren. Ich habe das Labor gebeten, besonders nach solchen Stoffen zu suchen, und zwar vor dem Hintergrund dessen, was Sie selbst über Adrenalin gesagt haben. Was bei einem normalen Adrenalinstoß passiert, ist doch, daß sofort ein Enzym daherkommt, um das Adrenalin unter Kontrolle zu bringen. Kokain nun schaltet dieses Enzym aus, so daß das Adrenalin viel länger im Körper rumtoben kann. Beim Abbau des Kokains entsteht dann vor allem dieses Benzylecognin, und genau das hat unser Labor am heutigen Nachmittag in seinem Gaschromatographen gefunden.«

«Es gab einige Fälle in Amerika…«, sagte ich unbestimmt.

«Selbst dort ist es noch nicht Gegenstand der üblichen Dopingkontrollen.«

«Aber mein Himmel«, sagte ich bestürzt,»das muß Nicholas Loder doch gewußt haben.«

«Fast mit Sicherheit, würde ich annehmen. Man muß das Kokain ganz kurz vor dem Rennen verabreichen, weil seine Wirkung nicht sehr lange anhält. Eine Stunde, anderthalb Stunden vor dem Start höchstens. Bei Pferden schwer zu sagen, es gibt ja keine Vergleichsdaten. Und obwohl der Metabolit relativ rasch im Blut und bald darauf im Urin erscheint, ist er wahrscheinlich nicht länger als 48 Stunden nachweisbar — bei Pferden ist man da noch immer auf Vermutungen angewiesen. Wir haben die Urinprobe von >Dozen Roses< am Montagabend genommen, also etwa 52 Stunden nach dem Rennen. Das Labor sagte, der Metabolit sei einwandfrei feststellbar, aber sie seien nicht in der Lage abzuschätzen, wieviel Kokain aufgenommen worden sei. Sie teilten mir das alles mit sehr, sehr vielen Vorbehalten mit. Sie haben weit größere Erfahrungen mit Menschen und meinten, bei denen trete der Kokainrausch sehr schnell ein, dauere ungefähr vierzig Minuten und habe nur geringe depressive Nachwirkungen.«

«Nett«, sagte ich.

«Sie glauben«, fuhr er fort,»daß es bei Pferden wahrscheinlich sofort eine gewisse Lebhaftigkeit auslöst.«

Ich rief mir das Verhalten von >Dozen Roses< sowohl in York als auch auf den Videobändern ins Gedächtnis zurück. Zweifellos war er zwischen Sattel- und Startbox auffällig munterer geworden.

«Aber sie meinen auch«, fügte Phil hinzu,»daß es wahrscheinlich im besten Falle eher mehr Ausdauer verleiht als die Geschwindigkeit erhöht. Es würde das Pferd also nicht schneller machen, sondern lediglich die Wirkung der Adrenalinausschüttung verlängern.«

Das mochte manchmal durchaus schon genug sein, dachte ich. Manchmal konnte man spüren, wie Pferde kurz vor dem Ziel unter einem» wegstarben«, und das nicht aus Mangel an Befähigung, sondern aus Mangel an Ausdauer, an Kampfeswillen. Es gab Pferde, die waren es zufrieden,

Zweite zu werden. Bei ihnen konnte vielleicht ein ungehemmt wirkendes Adrenalin den Ausschlag geben.

Koffein, das die gleiche potenzierende Wirkung hat, gehört im Rennsport zu den verbotenen Substanzen.

«Warum werden keine Kokain-Tests gemacht?«fragte ich.

«Das weiß der liebe Himmel«, sagte Phil.»Vielleicht, weil die Menge, die nötig ist, um ein Pferd in Fahrt zu bringen, den Verabfolger zu viel kostet, um rentabel zu sein. Ich meine… mehr, als man sicher sein könnte, bei einer Wette zurückzugewinnen. Kokain wird jedoch billiger, wie ich höre. Es kommen immer größere Mengen auf den Markt.«

«Ich weiß nicht sehr viel über Drogen«, sagte ich.

«Wo leben Sie denn?«

«Nicht meine Szene.«

«Wissen Sie, wie man Sie in Amerika nennen würde? Straight, also normal, sauber, gerade, aufrecht.«

«Ich dachte, es hieße soviel wie heterosexuell.«

Er lachte.»Das auch. Sie sind also durch und durch normal.«

«Phil«, sagte ich,»was soll ich machen?«

Er wurde sofort wieder ernst.»Das weiß der liebe Gott. Mein Job endet bei der Weitergabe der Information. Die moralischen Entscheidungen sind Ihre Angelegenheit. Alles, was ich Ihnen sagen kann, ist, daß irgendwann vor Montagabend Kokain in den Blutkreislauf von >Dozen Roses< gelangt ist.«

«Vermittels eines Bratenbegießers?«fragte ich.

Nach kurzem Schweigen antwortete er:»Das läßt sich wohl nicht mit Sicherheit sagen.«»Wir können also auch nicht sicher sein, daß er ihn nicht benutzt hat.«

«Habe ich richtig verstanden, daß Harley Ostermeyer die Röhre von dem Ding aufgehoben und dann Ihnen gegeben hat?«

«Ja, das stimmt«, sagte ich.»Ich hab sie noch, aber wie ich Ihnen schon sagte, sie ist sauber.«

«Sie sieht vielleicht sauber aus«, sagte er langsam,»aber wenn damit Kokain in Pulverform versprüht wurde, dann sind möglicherweise Partikelchen haften geblieben.«

Ich dachte zurück und an die Zeit vor dem Yorker Rennen.

«Als Martha Ostermeyer den dazugehörigen blauen Gummiball aufhob und ihn Rollway zurückgab«, sagte ich,»rieb sie danach ihre Finger aneinander ab… als ob sie Staub von ihren Handschuhen wegwischen wollte.«

«O Mann«, sagte Phil.

Ich seufzte und fragte:»Wenn ich Ihnen die Röhre gebe, könnten Sie die dann untersuchen lassen, ohne daß jemand erfährt, woher sie kommt?«

«Klar, wie beim Urin auch, kann der Auftraggeber anonym bleiben. Ich kann das Labor auch bitten, es noch mal als Eilauftrag zu behandeln, wenn Sie wollen. Das kostet dann allerdings auch ein bißchen mehr.«

«Lassen Sie’s machen, Phil«, sagte ich.»Ich kann erst eine Entscheidung treffen, wenn ich absolut sicher bin.«

«In Ordnung. Kommen Sie bald mal wieder her?«

«Grevilles Geschäft beansprucht so viel Zeit. Ich werde eventuell am Wochenende wieder da sein, aber ich denke, ich werde Ihnen die Röhre vorher mit Kurierdienst schik-ken, damit’s schneller geht. Sie haben sie wahrscheinlich morgen früh.«»In Ordnung«, sagte er wieder.»Wir kriegen das Ergebnis dann vielleicht bis zum morgigen Spätnachmittag. Spätestens Freitag.«

«Gut. Und, äh… kein Wort zu Milo.«

«Nein, aber warum nicht?«

«Er hat Nicholas Loder erzählt, daß wir >Dozen Roses< auf Tranquilizer hin haben untersuchen lassen, und Nicholas Loder rief daraufhin mich an und war auf achtzig.«

«O Gott.«

«Ich möchte nicht, daß er was von diesen Kokaintests erfährt. Ich meine, weder er noch Milo.«

«Sie können sich darauf verlassen«, sagte Phil ernst,»daß sie’s von mir nicht erfahren.«

Das war das größte Dilemma von allen, dachte ich, als ich den Hörer auf die Gabel legte.

War Kokain nun ein Aufputschmittel oder nicht? Die Aufsichtsinstanzen glaubten es nicht, ließen es nicht kontrollieren. Wenn ich der Ansicht wäre, daß es keine Auswirkungen auf die Geschwindigkeit hatte, dann ging der Verkauf von >Dozen Roses< an die Ostermeyers in Ordnung. Wenn ich aber glaubte, daß er das Rennen in York nicht ohne Hilfe hätte gewinnen können, dann ging er nicht in Ordnung.

Saxony Franklin brauchte das Geld der Ostermeyers.

Wenn ich den Scheck einlöste, und >Dozen Roses< nie wieder ein Rennen gewann, und Martha und Harley je herausfänden, daß ich gewußt hatte, daß dem Pferd Kokain verabreicht worden war, dann war die schlimmste Folge die, daß ich jeder weiteren Teilnahme mit >Dattel-palme< an Gold Cups oder Grand Nationals Lebewohl sagen konnte. Sie würden das Unverzeihliche nie verzeihen.

Nach meinem Eindruck war >Dozen Roses< in York stark gelaufen, hatte er bis zum Ende gekämpft. Jetzt war ich mir meiner Sache nicht mehr sicher. Ich fragte mich, ob er seine vier letzten Rennen nur gewonnen hatte, weil er total abgehoben hatte, weil er high wie sonst was gewesen war, wie mein Orthopäde sich ausgedrückt hätte.

Im besten Falle, das heißt, wenn ich einfach den Mund hielt, den Scheck einlöste und ein paar beachtenswerte Siege mit >Dozen Roses< herausritt, würde es nie jemand erfahren. Oder ich konnte die Ostermeyers ins Vertrauen ziehen, was sie aber sehr beunruhigen würde.