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»Glaubst du, dass die Männer, die dich angegriffen haben, auch Anhänger des Arius waren?«, fragte Fidelma Magister Ado. »Dass sie dich zusammenschlagen wollten, weil sie wussten, du gehörst zum Kloster Bobium?«

»Die Brüder von Bobium sind für ihre kritische Haltung zu Arius bekannt.« Bruder Faro hatte die Antwort schneller parat als der Alte. »Aus anderen Gründen ist niemand Bobium feindlich gesinnt.«

»Das sehe ich auch so«, bekräftigte Magister Ado. »Einzig und allein diejenigen, die sich gegen das Glaubensbekenntnis von Nicäa wenden, bekämpfen die Bruderschaft von Bobium. Woher aber diese Arianer wussten, dass ich in Genua war, ist mir ein Rätsel. Ich bin erst heute früh hier an Land gegangen.«

Schwester Gisa nickte ernst. »Das stimmt. Magister Ado ist eben erst aus Aquitania zurückgekehrt. Und wir sind hierher gekommen, um ihn nach Bobium zurückzubegleiten.«

Fidelma hatte den Eindruck, dass Magister Ado der jungen Schwester einen vorwurfsvollen und zugleich warnenden Blick zuwarf. »Man sagte mir, ein Schiff aus Massilia hätte heute hier angelegt, und ich hatte gehofft, mit ihm dorthin zurückfahren zu können«, erklärte sie. »Der Kapitän eröffnete mir jedoch, er wäre auf dem Weg nach Ostia. Es erhebt sich wirklich die Frage, woher diese Männer gewusst haben können, dass du hier warst und dir so auflauern konnten.«

Magister Ado zuckte mit den Schultern. »Unsere arianischen Feinde sind bestens informiert. Bischof Britmund von Placentia ist einer unserer erbittertsten Feinde. Möglicherweise ist ihm zu Ohren gekommen, dass Bruder Faro und Schwester Gisa sich aufgemacht hatten, um mich hier zu treffen.«

Bruder Faro wurde rot. »Wir haben alle Vorsichtsmaßnahmen walten lassen, dass über Sinn und Zweck unserer Reise nichts nach außen drang.«

»Ich mache dir keine Vorwürfe, junger Freund. Aber es gibt Situationen, da ein aufmerksamer Feind logische Schlussfolgerungen ziehen kann.«

»Und da wir das nicht ausschließen können, sollten wir uns nicht länger als unbedingt nötig hier aufhalten«, meinte Schwester Gisa nervös.

»Demnach gedenkt ihr möglichst rasch zum Kloster Bobium aufzubrechen?«, fragte Fidelma.

»Gleich morgen bei Tagesanbruch«, bestätigte Bruder Faro.

Fidelma zögerte. »Wenn es um Bruder Ruadán so schlecht steht, möchte ich ihn sehen, ehe er … ehe er …«

Sie mochte den Gedanken nicht zu Ende denken. Bruder Ruadán nahm in ihrem Herzen einen besonderen Platz ein. Ihre Mutter war bei ihrer Geburt gestorben, und ihr Vater, König Failbe Flann, starb, als sie und ihr Bruder Colgú noch Kinder waren. Als die Zeit kam, da Fidelma Unterricht erhalten sollte, schickte man sie in die kleine Gemeinschaft zu Bruder Ruadán auf Inis Celtra. Von ihrem siebenten Lebensjahr an bis zum aimsir togu, dem Alter der Wahl für Mädchen, hatte sich Bruder Ruadán um ihre Ausbildung gekümmert. Er war für sie so etwas wie eine Vaterfigur geworden. All ihre kindlichen Sorgen und Nöte hatte sie ihm anvertraut, bis sie später zum weiteren Studium auf die Hohe Schule für Rechtskunde zu Brehon Morann von Tara ging. Es war also nicht nur ein Pflichtgefühl, sondern ein inneres Verlangen, das sie trieb, ihn zu sehen.

»Komm doch mit uns, Schwester«, schlug Schwester Gisa eifrig vor.

Bruder Faro war weniger begeistert. »Es ist ein langer Ritt durch die Berge«, gab er zu bedenken.

»Das wäre nicht das Problem, aber ich brauche ein Pferd und habe nicht die Mittel, mir eins zu beschaffen.«

Magister Ado überlegte und hatte plötzlich eine Idee. »Habt ihr einen Maulesel für das Gepäck mitgeführt?«, fragte er Bruder Faro.

Der sah ihn überrascht an und nickte zögernd. »Ja. Einen Maulesel haben wir hier.«

»Vielleicht …«

Schwester Gisa fiel ihm ins Wort. »Viel Gepäck haben wir nicht, und ich kann auf dem Muli reiten.«

»Verstehst du dich aufs Reiten?«, fragte Magister Ado Fidelma.

»Nichts leichter als das«, antwortete sie ohne Zögern. Sie hatte auf Pferden gesessen, ehe sie laufen konnte.

»Es ist ein langer und mühsamer Ritt, das Gelände könnte sich für dich als schwierig erweisen«, warnte Bruder Faro.

»Gebirgiges Gelände habe ich oft genug durchquert«, versicherte sie ihm.

»Mich beeindruckt, dass Schwester Fidelma von Anfang an durchschaut hat, dass es sich bei meinen Angreifern nicht einfach um Straßenräuber handelte«, sagte Magister Ado zu dem jungen Mann. »Sie könnte uns von Nutzen sein.«

Fidelma kam nicht dazu, ihn zu fragen, wie er das meinte, denn Schwester Gisa rief begeistert: »Also ist das beschlossene Sache. Es kann nur gut sein, dich auf unserer Reise zur Gefährtin zu haben.«

Bruder Faro seufzte und schien sich in das Unvermeidliche zu fügen. »Dann solltest du die Sachen zusammenpacken, die du für die Reise brauchst. Aber nimm nur das Allernotwendigste mit, und sage niemandem mehr als unbedingt nötig. Achte auf deinem Weg hierher, dass dir niemand folgt. Bei Tagesanbruch brechen wir auf.«

»Ich will versuchen, euch nicht zur Last zu fallen«, entgegnete sie ihm ernst; dass heiterer Spott in ihrer Stimme mitschwang, merkte er nicht.

»Nach dem Überfall auf Magister Ado muss ich wohl nicht nachdrücklich darauf hinweisen, dass Wachsamkeit geboten ist.«

»Mach dir keine Sorgen, Bruder Faro. Ich werde meine Vorkehrungen treffen. Was ich nicht brauche, lasse ich in der Herberge, und vor Sonnenaufgang bin ich hier. Die Dunkelheit wird mich vor argwöhnischen Blicken schützen.«

Sie erhob sich, und Magister Ado tat desgleichen.

»Wahrscheinlich ist es das Beste, wenn du in der Herberge kein Wort darüber verlierst, dass du nach Bobium reist«, riet er ihr. »Es ist durchaus möglich, dass die beiden, die mich überfallen wollten, durch die Herbergen am Hafen ziehen, um etwas über dich und folglich auch über mich in Erfahrung zu bringen.«

Fidelma blieb gelassen, staunte aber, dass die neugewonnenen Gefährten jeden Schritt erwogen wie Verschwörer

»Vor Tagesanbruch bin ich zurück. Ich freue mich auf unsere Reise nach Bobium.«

»Es ist eine äußerst schwierige Strecke durch die Berge, Fidelma«, versuchte es Bruder Faro, immer noch skeptisch, erneut. »An die drei Tage im Sattel. Ich kann nur hoffen, dass du eine wirklich tüchtige Reiterin bist.«

»Ich werde dich nicht enttäuschen.« Es ärgerte sie ein wenig, dass man ihren Fähigkeiten nicht traute.

»Dann werden wir gewiss gut vorankommen und Bobium ohne Schwierigkeiten erreichen«, meinte Magister Ado zuversichtlich.

KAPITEL 2

Die Sonne stand bereits tief. Sie schwebte noch eine Weile auf den schwarzen Kämmen der Berge und versank dann rasch dahinter. Vom Hafen in Genua war es ein langsamer und anstrengender Ritt gewesen. In vielen Windungen zog sich der Saumpfad die Berge hinauf, war aber ziemlich breit und viel begangen. Immer wieder kamen ihnen kleine Trupps von Händlern entgegen, die ihre bepackten Maultiere am Zügel führten. Man grüßte sich freundlich im Vorbeiziehen. Derart vielen Leuten auf dieser Bergstrecke zu begegnen, hatte Fidelma nicht erwartet.

»Wir befinden uns auf der alten Salzstraße«, erklärte ihr Magister Ado, der neben ihr ritt. Hinter ihnen kamen Schwester Gisa auf dem Packmuli und Bruder Faro auf einem fahlgrauen lebhaften Pferd. Fidelma, die sich vorzüglich auf Pferde verstand, war sofort aufgefallen, dass es sich bei dem Ross, auf dem er saß, um eine besondere Züchtung handelte: hoher Widerrist, gedrungene Rückenpartie, schmale Kruppe und tiefhängender Schweif.

»Salzstraße?«, fragte sie stirnrunzelnd. Sie hatte sich gerade nach der ihr unbekannten Pferderasse erkundigen wollen, als Magister Ados Bemerkung sie davon abbrachte.

»Diese Straße führt nach Ticinum Papia, einer Stadt weiter im Norden, jenseits der Höhenzüge hier. Die Händler schaffen Waren wie Wolle, Wein und Oliven zum Hafen an der See. Auf dem Rückweg bringen sie Salz nach Ticinum Papia. Deshalb nennen wir sie Salzstraße.«