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Fidelma ließ die beiden allein und ging zu Magister Ado hinüber, der angelegentlich mit dem Anführer des Reitertrupps sprach. Es war ein großgewachsener schlanker Krieger mit langem blondem Haar und leuchtend blauen Augen, die fast ins Violette changierten.

Magister Ado machte sie miteinander bekannt. »Das ist Schwester Fidelma aus Hibernia, die mit uns nach Bobium will.«

»Ich bin Wulfoald, Schwester. Ich stehe bei Radoald, Billos Sohn, dem Seigneur von Trebbia in Diensten. Ich heiße dich in unserem Land willkommen.« Sein Latein war fehlerlos.

»Ich habe nicht den Eindruck, dass einen jeder hier willkommen heißt«, meinte sie spöttisch.

Wulfoald zog die Brauen verächtlich hoch und wies auf den Wald, in dem die Angreifer verschwunden waren. »Banditen, Schwester. Wir werden sie zu fassen kriegen und abstrafen.«

Sie wollte schon zu einer Erwiderung ansetzen, doch Magister Ado wusste das zu verhindern. »Wir können von Glück sagen, Wulfoald, dass du mit deinen Mannen gerade hier vorbeigekommen bist.«

Der junge Krieger zuckte die Achseln. »Wir sind unterwegs, um an der Kreuzung zur Salzstraße von Kaufleuten Waren für meinen Seigneur zu übernehmen. Wir hörten die Warnrufe der Vögel und einen Aufschrei. Ich ließ meinen Jäger ins Horn blasen, ein Signal für jeden, dass Radoalds Krieger im Anmarsch sind. Wie geht es deinem Gefährten da?«

»Bruder Faro?« Magister Ado schien jetzt erst zu bemerken, dass sein junger Begleiter verwundet worden war. Er drehte sich um und stellte beruhigt fest, dass Bruder Faro aufrecht saß und von Schwester Gisa umsorgt wurde.

Von der Hangseite ertönte ein Ruf, die drei Krieger, die den Räubern hinterhergejagt waren, kamen zurück, allerdings ohne Erfolg.

»Sie sind uns entkommen, Wulfoald«, berichtete einer von ihnen. Sie hatten weiter oben Pferde und waren auf und davon, ehe wir sie umzingeln konnten.«

»Habt ihr erkennen können, wer sie waren?«, fragte Wulfoald.

»Nein. Sie haben schwarze Umhänge und Kapuzen getragen, die ihre Gesichter verbargen.«

Schwester Fidelma sah Magister Ado an. »Schwarze Umhänge und Kapuzen?« Ihre Bemerkung klang wie eine Frage.

Der Geistliche bewegte kaum merklich den Kopf, aber der Blick war Warnung genug.

»Banditen, wie gesagt.« Wulfoald wiederholte es mit Nachdruck. »Sei unbesorgt, Schwester. Die verziehen sich und wissen, dass der Arm von Seigneur Radoald lang ist und seine Rache überraschend schnell sein kann. Die kommen nicht zurück. Zur Sicherheit werde ich zwei meiner Leute anweisen, euch bis zu den Mauern von Bobium zu begleiten. Noch besser wäre, ihr nehmt für heute Nacht die Gastfreundschaft meines Herrn, Seigneur Radoald, auf seiner Festung an. Unser Arzt, Suidur der Weise, wird sich bestimmt gern um den jungen Klosterbruder kümmern.«

Magister Ado dankte ihm überschwänglich. Wulfoald erteilte seinen Leuten die entsprechenden Befehle, und Fidelma ging hinüber zu Bruder Faro. Der junge Mann lächelte beklommen.

»Ich spüre noch einen stechenden Schmerz, aber es ist erträglich«, sagte er, als sie nach seinem Befinden fragte. »Ich habe schon Schlimmeres ausgehalten.«

»Wirst du bis zu Radoalds Festung mitreiten können?«, erkundigte sich Magister Ado.

»Ich denke, schon.«

»Dann sollten wir die Gastfreundschaft von Seigneur Radoald in Anspruch nehmen.« Magister Ado schaute sich gewissenhaft nach allen Richtungen um, als wollte er sich davon überzeugen, dass die Angreifer tatsächlich verschwunden waren. »Sobald du dich kräftig genug fühlst, setzen wir uns in Trab.«

»Schwarze Umhänge und Kapuzen?«, überlegte Fidelma noch einmal leise. »Meinst du nicht, dass die Kerle, die dich in Genua angegriffen haben, genau die sind, die dich soeben ermorden wollten?«

»Aus ihrem Äußeren muss man das nicht zwangsläufig. folgern«, wehrte Magister Ado ab. »Viele Leute tragen hier schwarze Umhänge und Kapuzen.«

»Aber doch wohl nicht im Sommer«, bemerkte Fidelma knapp und schaute hoch zum wolkenlosen blauen Himmel.

»Die Nächte jedenfalls sind ziemlich kalt«, erwiderte er sarkastisch und wandte sich Wulfoald zu, der mit seinen Kriegern auf sie wartete.

»Ich habe zwei meiner Leute angewiesen, euch bis zur Festung von Radoald zu begleiten«, rief er ihnen zu und zeigte auf die beiden Männer. »Wir müssen jetzt weiterziehen, wir dürfen die Kaufleute an der Salzstraße nicht verfehlen.«

»Dann bleibt uns nichts weiter zu tun, als euch nochmals für eure rechtzeitige Hilfe zu danken. Nehmt unseren Dank und unseren Segen.«

Wulfoald schwang sich auf sein Pferd. Einen Moment lang dachte Fidelma, er hätte die Pferde verwechselt, denn sein fahler Grauer sah Bruder Faros Ross zum Verwechseln ähnlich. Er gab ein Handzeichen, und bald war der Kriegertrupp ihren Blicken entschwunden.

Unterstützt von der besorgt dreinschauenden Schwester Gisa kam Bruder Faro auf die Beine. »Ich bin bereit, Magister, sag, wann es losgehen soll.«

Sobald alle wieder im Sattel saßen, gesellte sich Fidelma zu Magister Ado, während Schwester Gisa an Bruder Faros Seite blieb. Hinter ihnen ritten die beiden schweigsamen Krieger. Sie schienen sich auf ihren Beruf zu verstehen, sooft sich Fidelma auch nach ihnen umdrehte, immer suchten sie mit wachsamen Augen die nähere und weitere Umgebung nach möglichen Gefahren ab.

Magister Ado mochte über den Überfall nicht weiter reden, und Fidelma wagte es nur noch einmal, darauf anzuspielen, ob die Schurken vom Vortag und jetzt nicht doch identisch sein könnten.

»Du musst diese Anhänger des Arius bis ins Mark getroffen haben, wenn sie wiederholt Anschläge auf dein Leben verüben.«

»Du scheinst sicher zu sein, dass der Überfall vorhin von denselben Kerlen verübt wurde wie in Genua«, erwiderte er steif. »Im Lande gibt es genug Banditen, besonders in der Nähe der Handelsstraßen, da würde ich mit solchen Anschuldigungen sehr vorsichtig sein.«

Sie merkte, es war nutzlos, ihn weiter zu bedrängen. Aus irgendeinem Grund war er nicht bereit anzunehmen, was sich ihr als logische Schlussfolgerung bot. Daher versuchte sie, sich dem Problem auf andere Weise zu nähern.

»Wie kommt es, dass die Leute hier so unerschütterlich für die Lehren des Arius einstehen?«

Magister Ado schaute sie misstrauisch an und zuckte dann die Achseln. »Als die Auffassungen des Arius in Konstantinopel Fuß zu fassen begannen, ist ein Gote namens Ulfilas, der mit den Ansichten des Arius zum Christentum bekehrt wurde, als Missionar unter den germanischen Völkerschaften umhergezogen. Seine Lehren verbreiteten sich unter den Goten, Vandalen, Westgoten, Burgunden und Langobarden. Die meisten übernahmen diese Form des Glaubens und bekämpften diejenigen, die, wie wir, sich ans Nicänische Glaubensbekenntnis hielten.«

»Und sie sind bei der Auffassung des Arius geblieben, trotz aller Versuche, sie eines anderen zu belehren?«

Magister Ado seufzte tief und schmerzlich. »Mein Volk, die Langobarden, ist jahrhundertelang den Deutungen von Arius gefolgt.« Er hielt inne. »Lass es mich dir erklären. Vor über drei Jahrhunderten wurde Arius in Alexandria wegen seiner Lehre angeklagt. Kaiser Konstantin berief ein Konzil nach Nicäa ein, um die anstehende Frage zu erörtern. Arius vertrat die Ansicht, Christus sei zwar göttlicher Natur, wurde aber zur Errettung der Menschheit in die Welt gesandt. Denn Er und der Heilige Geist seien nicht wesensgleich mit Gottvater, der sie erschaffen haben muss, denn Gott hat alles erschaffen. Die Auseinandersetzungen in Nicäa waren heftig und zogen sich hin. Am Ende wurde Arius mitsamt seiner Lehre verdammt. Die Versammlung der Bischöfe einigte sich auf ein Glaubensbekenntnis, das fortan als verbindlich galt. Der Zentralgedanke war: Vater, Sohn und Heiliger Geist sind eines Wesens; sie sind eine Einheit, sind eine Dreifaltigkeit. Christus ist nicht weniger als Gott.«