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»Aber er hat es übers Herz gebracht, den kleinen Jungen Wamba und den alten Bruder Ruadán umzubringen«, rief Wulfoald aufgebracht.

»Ich glaube nicht, dass Bruder Eolann das zur Last zu legen ist – die Mordtaten haben seine Mitverschworenen begangen. Schnelle Entschlüsse konnte er jedoch fassen. Da er mich nicht hatte zu Tode stürzen lassen, kam ihm eine andere Idee. Wir mussten die Nacht bei dem Heiligtum auf dem Monte Pénas verbringen. Ich habe mich damals gewundert, warum er ein so riesiges Lagerfeuer aufschichtete und entzündete. Er erklärte es damit, dass es sehr kalt werden würde. Wurde es aber nicht. Doch das Feuer machte Krieger des Seigneurs von Vars auf uns aufmerksam, wie er wohl gehofft hatte. Denn am nächsten Morgen nahm man uns gefangen.

Sein Plan war, mich als Gefangene bei Grasulf zu lassen. Nur konnte er den Burgherrn erst am Morgen darauf sprechen, als der endlich von einer Wildschweinjagd zurückkam. Er wird ihm wohl gesteckt haben, was er vorhatte. Während wir beide noch Gefangene waren, spürte ich, dass sich Bruder Eolanns Benehmen änderte. Er hatte jedes Interesse an den Büchern verloren, durch die er mich in die Irre geführt hatte. Von dem einen, aus dem Seiten herausgetrennt worden waren, fand ich eine Abschrift. Und genau diese Seiten waren in der Handschrift dort vorhanden. Doch das bewegte ihn nicht sonderlich. Daher kam ein Verdacht in mir auf. Womit der scriptor gewiss nicht gerechnet hatte, war, dass wir von Suidur gerettet wurden.«

»Bruder Eolann war also einer der Verschwörer, wie du sagst – bloß warum?«, fragte Aistulf. »Er war fremd hier, kam von Hibernia wie du selbst.«

»Deshalb war ich ja so arglos. Er erzählte mir, er sei von unserem Heimatland zunächst zum Kloster St. Gallen gewandert. Dann sei er nach Mailand gelangt und wäre dort an die zwei Jahre geblieben. Mir fiel da nicht auf, dass es die Stadt war, in der Perctarit regierte. Als der Herrscher gezwungen wurde zu fliehen, kam Bruder Eolann mit zwei anderen Verschwörern nach Bobium, offenbar entschlossen, Vorbedingungen für Perctarits Rückkehr in sein Königreich zu schaffen.«

»Aber was für ein Motiv hatte Eolann?«

»Das gleiche, das ihr fälschlicherweise Magister Ado zugeschrieben habt. Eolann war ein standhafter Verteidiger des Glaubensbekenntnisses von Nicäa. Wie eben auch Perctarit – und das war für Bruder Eolann möglicherweise Grund genug, für Perctarit gegen den Arianer Grimoald Partei zu ergreifen.«

»Warum aber wurde Bruder Eolann ermordet, wenn er doch einer der Mitverschworenen war?« Suidur fand das schwer zu begreifen.

»Ich nahm an, Wulfoald hätte mich belogen, und hatte ihn deswegen zur Rede gestellt. Mit ihm wollte ich noch einmal Hawisa aufsuchen und prüfen, ob Eolann mir ihre Auskünfte richtig übermittelt hatte. Deshalb bat ich den Bibliothekar, mich als Zeuge zu begleiten. Bruder Eolann beriet sich mit den Mitverschworenen. Die legten ihm nahe, einen Sturz mit einer harmlosen Verletzung vorzutäuschen, so dass er mich nicht begleiten und als Lügner bloßgestellt werden konnte. Zur gleichen Zeit, um sicherzugehen, dass die Wahrheit nicht herauskam, ritt jemand in der Nacht hinauf zu Hawisas Hütte, tötete die alte Frau und steckte ihr Häuschen in Brand.«

»Wieder der Reiter auf dem fahlen Pferd?«, fragte Wulfoald gespannt.

»In der Tat, so war’s. Er saß auf einem fahlen Pferd, das deinem Ross sehr ähnlich ist. Als Bruder Eolann davon erfuhr, machte er einen verhängnisvollen Fehler. Er sprach damit das Todesurteil für Abt Servillius.«

»Wie denn das?«, rief Wulfoald. »Es stimmt, der Abt hatte sich an jenem Tag zu Hawisa begeben, um ihr einige Sachen zum Austausch für die Münze anzubieten, die Wamba zur Abtei gebracht hatte. Doch der Abt ahnte ja nichts von der Verschwörung, selbst wenn er erfahren hätte, dass Bruder Eolann vorsätzlich falsch übersetzt hatte.«

»Auch er habe schon nach Bruder Eolann gesucht, erklärte mir der Ehrwürdige Ionas, als wir nach ihm fragten. Wörtlich sagte er: ›Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit er mir im Vorübergehen zurief, er ginge zum Abt, um seine Beichte abzulegen.‹ Da der Ehrwürdige Ionas nicht wusste, was sich inzwischen ereignet hatte, nahm er an, es handele sich um die übliche Beichte, wie es hier Sitte ist. Doch die Beichte des Bibliothekars betraf wohl eher seine Mitwirkung an der Verschwörung, denn die Stimme seines Gewissens ließ sich nicht damit beschwichtigen, er habe nur seines Glaubens wegen mitgemacht. Es sei dahingestellt, ob er mit seinem Mitverschworenen über sein Vorhaben gesprochen hatte oder ob der ihn bei der Beichte belauschte, jedenfalls waren von da an beide Männer verdammt zu sterben.«

»Abt Servillius und Bruder Eolann sind demnach von ein und demselben ermordet worden?«

»Davon bin ich überzeugt, ja«, bekräftigte Fidelma. »Wulfoald hat uns soeben berichtet, dass kriegerische Heerscharen heranrücken. Ich vermute, Perctarits Mittelsmänner sind drauf und dran, Grasulf das Gold auszuhändigen, folglich wird er mit seinen Leuten in dieses Tal einbrechen.«

»Meine Späher haben bereits berichtet, Grasulfs Truppen sind bewaffnet und jetzt am Fluss im Staffel-Tal«, bestätigte Wulfoald.

»Demnach ist Perctarit bereit, von Mailand aus gegen Grimoald in die Schlacht zu ziehen«, stellte Aistulf mit finsterer Miene fest.

»Das heißt für uns, wir müssen darauf gefasst sein, dass Grasulf in unser Tal marschiert«, schlussfolgerte Wulfoald.

»Genau so ist es«, bestätigte Fidelma ernst. »Zudem liegt das Gold in der Abtei, wo die Drahtzieher Perctarits es verborgen haben. Der Ehrwürdige Ionas und ich haben es in dem Versteck entdeckt.«

»In der Abtei? Bist du dir dessen ganz sicher?« Die Frage kam von Aistulf.

»Man hat es in der Nekropole verborgen im neuen Mausoleum, das für Abt Bobolen errichtet worden ist.«

Schwester Gisa wurde leichenblass und starrte Fidelma mit ihren hellen Augen fassungslos an.

»Unser armer Bruder Ruadán wollte mir erzählen, wo er das Gold gefunden hatte«, sprach Fidelma weiter. »Er redete davon, wie viel Böses ein Mausoleum bergen kann. Ich dachte, er spiele damit auf einen dort bestatteten Leichnam an. In Wirklichkeit meinte er den Ort, an dem er die Goldmünzen gefunden hatte. Wahrscheinlich waren ein paar herausgefallen, als der Karren in das Grabmal geschoben wurde. Irgendetwas muss ihn veranlasst haben, sich im Inneren zu vergewissern. Vermutlich hatte man den Wagen zusammen mit den anderen, die mit Marmorblöcken beladen waren, während der Bauarbeiten herangeschafft.«

»Hat denn niemand bemerkt, was dort abgestellt wurde?«, fragte Radoald. »Die Handwerker müssen das doch gesehen haben.«

»Zweifelsohne waren das alles von Perctarit ausgesuchte Leute.«

»Die Oberaufsicht aber hatte ein Mitglied von der Bruderschaft«, bemerkte Wulfoald trocken. »Und das war nicht Bruder Eolann.«

»Und der für den Bau Verantwortliche war das Haupt der für Perctarit tätigen Gruppe. Der Oberaufseher für die Arbeiten an den Mausoleen für die Äbte war …«

KAPITEL 20

»Faro!« Schwester Gisa schrie den Namen heraus. »Nie und nimmer er!«

Wulfoald blieb als Einziger kühl und gelassen. »Dass er für den Bau der Grabmäler verantwortlich war, wusste doch jeder. War die Grabkammer für Abt Bobolen nicht gerade erst unter seiner Aufsicht fertig geworden, als ihr nach Genua aufgebrochen seid, um Magister Ado abzuholen?«

»Trotzdem. Es ist nicht wahr. Ich weigere mich, es zu glauben und werde es nicht glauben«, schluchzte das Mädchen.