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Inzwischen hatte die Aufregung sich wieder gelegt. Latimer hatte seinen Stuhl unter eine Fackel gestellt und las wieder in seinem Buch. Seine Lippen bewegten sich monoton, während er Gebete zu den Sternen sprach. Beenay hatte sich wieder zu seinen Kameras begeben, und Theremon nutzte die Gelegenheit, um sich Notizen für den Artikel zu machen, den er am nächsten Tag für die Saro City Chronicle schreiben wollte, eine Beschäftigung, der er schon seit zwei Stunden nachging, äußerst methodisch, äußerst gewissenhaft und, wie er sehr wohl wußte, äußerst sinnlos.

Aber, wie Sheerin amüsiert bei sich feststellte, das Notizenmachen lenkte den Reporter von der Tatsache ab, daß der Himmel sich jetzt mit schrecklichem, tiefem Purpurrot überzog, als ob er eine gigantische, frischgeschälte Runkelrübe wäre.

Die Luft wurde dichter. Wie ein fühlbares Wesen trat die Dunkelheit in den Raum, und der tanzende Kreis der gelben Lichter hob sich immer schärfer vom dämmernden Grau dahinter ab. Immer ätzender stieg der Rauch auf, und die Fackeln gaben kleine kichernde Laute von sich, als sie immer tiefer herabbrannten. Der leise Schritt eines Mannes, der seinen Arbeitstisch umkreiste, auf zögernden Zehenspitzen, gelegentliches tiefes Atemholen, wenn wieder einmal jemand versuchte, in dieser Welt, die sich in die Schatten zurückzog, nicht die Fassung zu verlieren.

Es war Theremon, der zuerst den merkwürdigen Lärm hörte. Es war ein vages Geräusch, kaum wahrnehmbar, hätte nicht diese Totenstille unter der Kuppel geherrscht.

Der Reporter richtete sich auf und steckte sein Notizbuch ein. Er hielt den Atem an und lauschte. Dann schob er sich widerstrebend zwischen dem Sonnenteleskop und einer von Beenay Kameras hindurch und trat zum Fenster.

Die Stille zerriß, als Theremon aufschrie.

»Sheerin!«

Augenblicklich ruhte die Arbeit. Sheerin eilte an die Seite des Reporters, gefolgt von Aton. Sogar Yimot, der hoch oben auf seinem Beobachtungssitz hinter dem riesigen Sonnenteleskop saß, hörte mit der Arbeit auf und sah herab.

Beta war nur noch ein glimmernder Splitter und warf einen letzten verzweifelten Blick auf Lagash. Die Stadt am östlichen Horizont verlor sich in Dunkelheit, und die Straße von Saro City zum Observatorium war ein trübroter Streifen, zu beiden Seiten von Wald gesäumt, dessen Bäume nicht mehr einzeln erkennbar waren, sondern zu einer einzigen schattigen Masse verschmolzen.

Aber es war diese Straße, die die Aufmerksamkeit auf sich zog, denn auf ihr wälzte sich eine andere, ungleich drohendere schattige Masse heran.

»Die Wahnsinnigen aus der Stadt!« schrie Aton mit heiserer Stimme. »Sie kommen!«

»Wie lange dauert es noch bis zur totalen Finsternis?« fragte Sheerin.

»Fünfzehn Minuten ... Aber in fünf Minuten werden sie hier sein.«

»Keine Sorge. Die Männer sollen weiterarbeiten. Wir halten sie zurück. Das Observatorium ist wie ein Fort gebaut. Aton, behalten Sie ihren jungen Kultisten im Auge, nur zur Sicherheit. Kommen Sie, Theremon.«

Sheerin verschwand durch die Tür, und Theremon folgte ihm auf den Fersen. Die Wendeltreppe schlängelte sich in naßkaltes, ödes Grau hinab. Nach fünfzig Fuß verschwand das trübe, flackernde gelbe Licht, das durch die offene Tür der Kuppel fiel, und von oben und unten kamen ihnen dieselben dunklen Schatten entgegen.

Sheerin blieb stehen, und seine feiste Hand krallte sich in seine Brust. Seine Augen traten aus den Höhlen, und seine Stimme glich einem trockenen Husten.

»Ich kann nicht mehr - atmen ... Gehen Sie - allein hinunter. Schließen Sie alle Türen .«

Theremon stieg ein paar Stufen hinab, dann wandte er sich um.

»Warten Sie! Können Sie es eine Minute aushalten?« Er keuchte jetzt selbst. Wie dicker Sirup quoll die Luft in seine Lungen und wieder heraus, und der Gedanke, allein seinen Weg durch das geheimnisvolle Dunkel da unten finden zu müssen, versetzte ihn in Panik.

Denn Theremon fürchtete sich vor der Dunkelheit.

»Bleiben Sie hier«, sagte er. »In einer Sekunde bin ich wieder hier.«

Er jagte hinauf, nahm zwei Stufen auf einmal, sein Herz klopfte zum Zerspringen, aber nicht allein von der Anstrengung. Er taumelte in die Kuppel, riß eine Fackel von der Wand. Sie roch verbrannt, und der Rauch schmerzte in seinen Augen, so daß er fast erblindete. Aber er umklammerte die Fackel, als wolle er sie vor Freude küssen, und die Flamme flatterte hinter ihm her, als er die Stufen wieder hinabstürzte.

Sheerin öffnete die Augen und stöhnte, als Theremon sich über ihn beugte. Theremon schüttelte ihn unsanft.

»Vorwärts! Wir haben Licht.«

Er stützte den zitternden Psychologen am Ellbogen, und im schützenden Kreis des Lichtes setzten sie ihren Weg fort.

Die Büros im Erdgeschoß waren immer noch erleuchtet, und Theremon fühlte, wie seine Furcht nachließ.

»Hier«, sagte er barsch und reichte Sheerin die Fackel. »Hören Sie die Wahnsinnigen draußen?«

Heiseres Brüllen, wortlose Schreie.

Aber Sheerin hatte recht. Das Observatorium war wie eine Festung gebaut. Es war im vorigen Jahrhundert errichtet worden, als der neogavottische Architekturstil seinen häßlichen Höhepunkt erreicht hatte. Stabilität und Dauerhaftigkeit war das Ziel der Baumeister gewesen, nicht Schönheit.

Die Fenster waren durch Gitter von dicken Eisenstäben geschützt, die tief in den Fensterbrettern aus Beton verankert waren. Die Wände bestanden aus festem Mauerwerk, das kein Erdbeben erschüttern konnte. Die Haupttür bestand aus schweren Eichenholzplatten, die durch Eisen verstärkt waren. The-remon schob die Riegel vor, die mit dumpfem Geräusch in die Halterung fielen.

Am anderen Ende des Korridors stieß Sheerin einen schwachen Fluch aus. Er zeigte auf das Schloß des Hintereingangs, das mit einem Brecheisen ruiniert worden war.

»Jetzt wissen wir, wie Latimer hereingekommen ist«, sagte der Psychologe.

»Stehen Sie nicht hier herum«, schrie Theremon ungeduldig. »Helfen Sie mir, die Möbel davorzustellen - und fuchteln Sie nicht immer mit der Fackel vor meinen Augen herum. Der Rauch bringt mich noch um.«

Er rammte einen schweren Tisch vor die Tür, und innerhalb von zwei Minuten war eine Barrikade errichtet, die ihren Mangel an Schönheit und Symmetrie durch unbesiegbare Massivität wettmachte.

Aus weiter Ferne, undeutlich, konnten sie das Hämmern nackter Fäuste gegen die Tür vernehmen, und das Schreien und Rufen schien aus einer anderen Wirklichkeit zu kommen.

Der Mob von Saro City hatte sich aufgemacht, um das Observatorium zu zerstören und dadurch kultistische Erlösung zu gewinnen. Aber die Furcht trieb sie zum Wahnsinn, lahmte ihre Gehirne. Sie dachten nicht an Waffen, nicht an Organisation, nicht an Autos. Zu Fuß waren sie herbeigeeilt, mit den bloßen Händen griffen sie das Observatorium an.

Und jetzt umkreiste der Mob das Gebäude, im letzten Schein von Beta, im letzten rubinroten Flammentropfen, der matt über einer Menschheit flackerte, die nur mehr aus allumfassender Angst bestand.

»Steigen wir wieder in die Kuppel hinauf«, stöhnte Theremon.

In der Kuppel war nur Yimot hinter seinem Sonnenteleskop sitzen geblieben. Die anderen tummelten sich um die Kameras herum, und Beenay gab mit heiserer Stimme seine Anweisungen.

»Paßt jetzt gut auf, alle! Ich knipse Beta, kurz bevor die totale Finsternis einsetzt, und wechsle die Platte. Jeder von euch steht hinter einer Kamera. Ihr wißt Bescheid . Die Belichtungszeiten .«

Zustimmendes, atemloses Gemurmel.

Beenay legte eine Hand über seine Augen.

»Brennen die Fackeln noch immer? Keine Sorge, ich sehe sie!« Er lehnte sich müde gegen einen Stuhl. »Denkt daran. Versucht nicht, gute Schnappschüsse zu machen. Verschwendet keine Zeit, indem ihr euch bemüht, zwei Sterne auf einmal vor die Linse zu kriegen. Einer genügt. Und - und wenn ihr fühlt, daß euch die Sinne schwinden, weg von den Kameras!«