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An der Tür flüsterte Sheerin zu dem Reporter: »Führen Sie mich zu Aton. Ich sehe ihn nicht.«

Theremon antwortete nicht sofort. Die undeutlichen Umrisse der Astronomen schwankten vor seinen Augen, und die Fak-keln an den Wänden waren nur noch gelbe Punkte.

»Es ist dunkel«, wimmerte er.

Sheerin hob die Hand.

»Aton!« Er stolperte vorwärts. »Aton!«

Theremon folgte ihm und ergriff seinen Arm.

»Warten Sie, ich führe Sie.« Irgendwie gelang es ihm, den Raum zu durchqueren. Er verschloß die Augen vor der Dunkelheit und den Verstand vor dem Chaos, das in den Schatten lag.

Niemand hörte oder achtete auf die beiden Männer. Sheerin taumelte gegen eine Wand.

»Aton!«

Der Psychologe fühlte, wie ihn zitternde Hände berührten und sich wieder zurückzogen. Eine Stimme flüsterte: »Sind das Sie, Sheerin?«

»Aton!« Er bemühte sich, ruhig zu atmen. »Machen Sie sich keine Sorge wegen des Mobs. Das Gebäude wird ihm standhalten.«

Latimer, der Kultist, war aufgestanden. Sein Gesicht verzerrte sich vor Verzweiflung. Er hatte ein Gelübde getan, und wenn er es brach, so bedeutete das, daß seiner Seele Sterblichkeit drohte, auch wenn man ihn gezwungen hatte, sein Wort zu brechen. Bald würden die Sterne kommen! Er konnte nicht dabeistehen und zulassen ... Er hatte doch sein Wort gegeben.

Beenays Gesicht war von düsterer Röte überzogen, als er zum letzten Streifen von Beta aufblickte, der noch am Himmel übriggeblieben war. Und Latimer faßte seinen Entschluß, als er sah, wie Beenay sich wieder über die Kamera beugte. Seine Fingernägel gruben sich in die Handflächen, als sein Körper sich anspannte.

Er taumelte, als er vorstürzte. Er sah nichts, nur Schatten sprangen ihm entgegen. Der Boden schwand unter seinen Füßen. Und dann war jemand über ihm, und er brach zusammen, als sich Hände um seinen Hals krallten.

Latimer zog das Knie an und stieß es hart gegen seinen Angreifer.

»Lassen Sie mich los, oder ich töte Sie!«

Theremon schrie auf und krächzte durch einen Schmerzschleier, der ihn fast blind machte: »Du heimtückische Ratte!«

Dann stürmte alles zugleich auf ihn ein. Er vernahm Beenays Schrei: »Ich habe es! An die Kameras, Leute!« Und der letzte Faden des Sonnenlichts verdünnte sich und verlöschte endlich ganz.

Gleichzeitig hörte Theremon Beenays letztes ersticktes Keuchen, Sheerins wunderlichen kleinen Schrei, sein hysterisches Kichern, das rasselnd abbrach - und eine plötzliche Stille, eine sonderbare, tödliche Stille, die von draußen hereindrang.

Und Latimer hing schlaff in Theremons sich lockerndem Griff. Der Reporter starrte in die weit geöffneten schwarzen Augen des Kultisten, in denen sich die gelben Punkte der Fackeln spiegelten. Er sah die Schaumblasen vor Latimers Mund und hörte das animalische Wimmern, das sich aus dem Hals des Kultisten rang.

Langsam überkam ihn die Faszination der Angst, und er stützte sich auf einen Arm. Er blickte zum Fenster, das schwarz war wie geronnenes Blut.

Und durch die Schwärze schienen die Sterne!

Das waren nicht die matten dreitausendsechshundert Sterne, die man von der Erde aus mit bloßem Auge sehen kann. Lagash befand sich im Mittelpunkt eines gigantischen Schwarms. Dreißigtausend mächtige Sonnen schienen herab, und ihr Glanz ließ das Herz erstarren und war in seiner schrecklichen Gleichgültigkeit viel eisiger als der bittere Wind, der über die kalte, furchtbar öde Welt wehte.

Theremon taumelte auf die Füße, sein Hals verengte sich, er konnte kaum mehr atmen. Alle Muskeln seines Körpers zuckten vor Grauen und unerträglicher Angst. Er wurde wahnsinnig, und er wußte es, und ein letzter gesunder Funke in ihm kämpfte schreiend und erbittert und hoffnungslos gegen den schwarzen Schrecken. Es war entsetzlich, dem Wahnsinn zu verfallen und es zu wissen, zu wissen, daß man in einer Minute zwar noch physisch da sein, daß das eigentliche Wesen aber gestorben sein würde, ertrunken in finsterem Wahn. Denn jetzt war die Dunkelheit gekommen - die Dunkelheit und die Kälte und das Verderben. Die leuchtenden Wände des Universums waren zertrümmert, und ihre schrecklichen schwarzen Fragmente sanken herab, um ihn zu begraben, zu zerquetschen, auszulöschen.

Er stieß gegen jemanden, der auf allen vieren kroch, stolperte über ihn, seine Hände griffen nach seinem gepeinigten Hals, und er taumelte auf die Fackeln zu. Sie waren das einzige, das sein Wahnsinn ihn noch erkennen ließ.

»Licht!« schrie er.

Irgendwo wimmerte Aton wie ein zu Tode verängstigtes Kind.

»Die Sterne - all die Sterne - wir wußten nichts - wir wußten überhaupt nichts. Wir dachten, sechs Sterne im Universum ... wir bemerkten die Sterne nicht ... Dunkelheit für immer - die Wände brechen ein, und wir wissen nichts, können nichts wissen, überhaupt nichts .«

Jemand griff nach einer Fackel. Sie fiel herab und verlöschte. Und in diesem Augenblick sprang der schreckliche Glanz der Sterne näher und näher.

Draußen, am Horizont, in Richtung wo Saro City lag, wuchs ein karmesinrotes Glühen, schwoll zu leuchtender Helligkeit an. Aber es waren keine Sonnenstrahlen. Die lange Nacht war wieder gekommen ...

Grüne Flecken

Eines Morgens im Jahr 1948 las ich in der New York Times, daß Street & Smith Publications das Erscheinen all ihrer Magazine eingestellt hatten.

Da Astounding Science Fiction eines dieser Magazine war, wurde mir schwarz vor Augen. Seit 1943 hatte ich dreizehn Science-Fiction-Erzählungen verkauft und publiziert, und jede einzelne davon war in Astounding veröffentlicht worden. Während dieser ganzen Periode hatte ich mich immer wieder mit dem Gefühl herumgequält, daß ich eigentlich gar kein richtiger Schriftsteller war, sondern lediglich das Glück hatte, in einer ganz bestimmten Thematik erfolgreich zu sein. Wenn Astounding oder Mr. Campbell, dem Herausgeber, etwas zustieß, dann war auch ich erledigt.

Tief betrübt las ich den Artikel zu Ende, und ganz am Schluß entdeckte ich die beiläufige Bemerkung, daß Astounding die einzige Ausnahme bilde. Es war das einzige Magazin, das auch weiterhin erscheinen würde.

Zwar atmete ich erleichtert auf, aber meine Situation erschien mir immer noch recht fraglich. Es konnte ja immer noch irgend etwas mit Astounding oder mit Mr. Campbell passieren. (Espassierte aber nichts! Wenigstens vorläufig nicht. Während ich diese Bemerkung niederschreibe, mehr als zwanzig Jahre nach jenem Artikel, blüht und gedeiht Astounding noch immer, wenn es jetzt auch einen anderen Verleger hat und in Analog umbenannt worden war.)

1949 und 1950 verkaufte ich vier weitere Erzählungen an Astounding, bevor ich diese Serie einstellte. Dann nahm 1950 ein neues Science-Fiction-Magazin einen plötzlichen Aufschwung unter der energischen Führung seines Herausgebers, Horace L. Gold.

Mr. Gold suchte rastlos nach neuen Erzählungen, und er fragte mich, ob ich ihm einige zu Verfügung stellen könne. Ich zögerte, weil ich nicht sicher war, ob sie ihm gefallen würden. Außerdem fragte ich mich, ob ich einen Rückschlag ertragen könne, der vielleicht beweisen würde, daß ich gar kein richtiger Schriftsteller, sondern nur der Autor eines einzigen Herausgebers war.

Trotzdem brachte es Mr. Gold fertig, mich zu überreden. Ich schrieb zwei Erzählungen, und er nahm sie beide an. Bei der ersten Erzählung handelte es sich beinahe um einen Zwangsverkauf, denn Mr. Gold brauchte sie sofort für die erste Nummer des neuen Magazins. Die zweite Erzählung erschien in der zweiten Nummer, und ihr Erscheinen schien mir absolut gerechtfertigt. Sieben Jahre lang hatte ich an mir selbst gezweifelt, und jetzt war ich endlich davon geheilt. Das hatte ich dieser Erzählung zu verdanken, die in diesem Buch an zweiter Stelle stehen soll.