»Wie bitte?«
»Gestern nacht sagtest du, du würdest morgen mir mir sprechen. Ich bin bereit.«
Drake runzelte die Stirn, und Rose fühlte, wie ihre Entschlossenheit sie zu verlassen drohte.
»Ich dachte, wir hätten ausgemacht, daß du mir über meine beruflichen Angelegenheiten keine Fragen stellst. Zumindest was diese Angelegenheit betrifft.«
»Das geht jetzt nicht mehr. Ich weiß mittlerweile zuviel von dieser Angelegenheit.«
»Was meinst du?« rief er und sprang auf. Er unterdrückte seine Erregung, trat zu ihr und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Was meinst du?« wiederholte er mit leiser Stimme.
Rose hielt den Kopf gesenkt und betrachtete ihre Hände, die schlaff in ihrem Schoß lagen. Geduldig ertrug sie den schmerzhaften Druck seiner Finger, die sich in ihre Schultern gruben, und sagte langsam: »Dr. Tholan glaubt, daß die Erde die tödliche Hemmung absichtlich in der Galaxis verbreitet, nicht wahr?«
Sie wartete. Langsam lockerte sich sein Griff. Dann stand er da, und seine Arme hingen zu beiden Seiten kraftlos herab. Sein Gesicht sah verwirrt und unglücklich aus.
»Woher weißt du das?«
»Ist es wahr?«
Atemlos erwiderte er: »Ich will genau wissen, warum du das sagst. Halte mich nicht zum Narren, Rose. Ich warne dich ein für allemal.« »Wenn ich es dir sage, wirst du dann meine Frage beantworten?«
»Welche Frage?«
»Ob die Erde diese Krankheit absichtlich verbreitet.«
Drake warf die Arme hoch.
»Ach, du lieber Himmel!« Dann kniete er vor ihr nieder, nahm ihre Hände in die seinen, und sie fühlte, wie er zitterte. Er zwang sich, seine Stimme sanft und einschmeichelnd klingen zu lassen.
»Rose, Liebes, sieh mal, du hast irgendein heißes Eisen am verkehrten Ende angepackt, und jetzt glaubst du, du kannst es als Waffe gegen mich in einem kleinen Ehekrach verwenden. Ich frage gar nicht viel. Ich will nur wissen, wieso du dazu kommst, zu sagen - nun, das, was du gesagt hast.« Sein Gesicht war ernst.
»Ich war heute nachmittag in der medizinischen Akademie und habe da ein bißchen gelesen.«
»Warum? Was brachte dich auf diese Idee?«
»Erstens hast du dich so außerordentlich für die tödliche Hemmung interessiert. Und zweitens machte Dr. Tholan eine Andeutung, daß sich die Todesfälle seit Beginn der interstellaren Reisen vermehrt hätten, besonders auf dem Planeten, der der Erde am nächsten liegt.«
»Und was hast du gelesen?«
»Ich fand Dr. Tholans Behauptungen bestätigt«, erwiderte Rose. »Ich konnte die Berichte über die Forschungen der letzten Jahrzehnte natürlich nur überfliegen. Aber es schien mir offensichtlich, daß zumindest einige der Einwohner vom Hawkin-Planeten die Möglichkeit in Erwägung ziehen, daß der Ursprung der tödlichen Hemmung auf der Erde zu finden ist.«
»Haben sie das ausdrücklich festgestellt?«
»Nein. Wenigstens habe ich das nicht bemerkt.« Sie starrte ihn überrascht an. In diesem Fall hätte die Regierung doch sicher intensive Untersuchungen angeordnet. Sie sagte sanft: »Weißt du nichts über die Hawkin-Forschung in dieser Angelegenheit, Drake? Die Regierung.«
»Lassen wir das.« Er hatte sich von ihr abgewandt, trat jetzt aber wieder auf sie zu. Seine Augen glänzten, als ob er soeben eine wunderbare Entdeckung gemacht hätte. »Du bist doch eine Expertin auf diesem Gebiet!«
Warum sie? Hatte er erst jetzt erkannt, daß er sie brauchte? Ihre Nasenlöcher zuckten, und sie sagte knapp: »Ich bin Biologin.«
»Ja, das weiß ich. Aber ich wollte damit sagen, daß du dich doch besonders auf dem Gebiet des Wachstums spezialisiert hast. Hast du nicht einige Arbeiten über dieses Thema geschrieben?«
»Ich habe zwanzig Aufsätze über die Beziehung zwischen verwickelt aufgebauten Nukleoproteid-Molekülen und dem embryonalen Wachstum als Beiträge für die Blätter der Gesellschaft für Krebsforschung veröffentlicht.«
»Natürlich. Ich hätte daran denken sollen.« Erregt ging er im Zimmer auf und ab. »Sag mir Rose ... Sieh mal, es tut mir leid, daß ich vorhin meine Beherrschung verloren habe. Du bist doch so kompetent wie irgendein anderer Wissenschaftler, um die Erkenntnisse dieser Forschungen zu verstehen, wenn du die Studien der Hawkin-Leute liest, nicht wahr?«
»Ich nehme es an.«
»Dann sage mir, wie ihrer Meinung nach diese Krankheit verbreitet wird. Aber bitte detailliert.«
»Aber Drake, das ist ein bißchen zuviel verlangt. Ich habe ein paar Stunden in der Akademie verbracht. Ich würde viel mehr Zeit brauchen, um deine Frage beantworten zu können.«
»Kannst du mir nicht wenigstens eine vernünftige Hypothese sagen? Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie wichtig das wäre.«
Skeptisch sagte sie: »Natürlich sind die >Studien über die tödliche Hemmung< eine hervorragende Abhandlung über dieses Thema. Sie faßt alle verfügbaren Forschungsergebnisse zusammen.«
»Ja? Und wann wurde sie herausgegeben?«
»Sie erscheinen periodisch. Die letzte Ausgabe ist etwa ein Jahr alt.«
»War seine Arbeit auch darin erwähnt?« Er zeigte mit dem Daumen in die Richtung von Harg Tholans Zimmer.
»Mehr als jede andere. Er ist eine Autorität auf diesem Gebiet. Ich habe mich in erster Linie mit seinen Aufsätzen beschäftigt.«
»Und welche Theorien hat er über den Ursprung der Krankheit entwickelt? Bitte versuche dich zu erinnern, Rose.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich könnte schwören, daß er die Erde dafür verantwortlich macht, aber er gibt zu, daß sie nicht wissen, wie die Krankheit sich ausbreitet. Auch das könnte ich beschwören.«
Steif stand er vor ihr, mit geballten Händen, und seine Stimme war zu einem Flüstern herabgesunken.
»Er könnte sich natürlich völlig überschätzen. Wer weiß das ...?« Er wandte sich abrupt ab. »Aber ich will es jetzt ganz genau wissen. Vielen Dank für deine Hilfe Rose.« Er rannte in sein Zimmer, und hastig folgte sie ihm.
»Was willst du tun?«
Er durchwühlte die Schubladen seines Schreibtisches. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er einen Nadelrevolver in der Rechten.
»Nein, Drake!« schrie sie.
Er schob sie grob beiseite und lief den Korridor entlang zum Zimmer des Hawkin-Bewohners.
Drake stieß die Tür auf und trat ein. Rose folgte ihm auf den Fersen. Sie hatte vergeblich versucht, ihn zurückzuhalten.
Der Hawkin-Bewohner stand bewegungslos da. Seine Augen starrten ins Leere, seine vier Standbeine spreizten sich, so weit es ging, in vier Richtungen auseinander. Rose schämte sich, daß sie hier eingedrungen war. Sie hatte das Gefühl, als würde sie unerlaubt ein intimes Ritual beobachten.
Aber Drake, der offensichtlich unbeeindruckt war, näherte sich der Kreatur bis auf vier Fuß. Von Angesicht zu Angesicht standen die beiden sich gegenüber. Drake hob die Waffe, so daß die Mündung auf die Mitte von Tholans Körper zeigte.
»Bleib ruhig«, sagte er zu Rose. »Allmählich wird er sich unserer Anwesenheit bewußt werden.«
»Wie willst du das wissen?«
»Ich weiß es«, lautete die Antwort. »Gehe jetzt, Rose.«
Aber sie rührte sich nicht, und Drake war zu sehr in Anspruch genommen, um ihr weitere Aufmerksamkeit zu schenken.
Verschiedene Hautpartien im Gesicht des Hawkin-Bewohners begannen leicht zu zittern. Es sah ziemlich abstoßend aus, und Rose wandte den Blick ab.
»Das genügt, Dr. Tholan«, sagte Drake. »Versuchen Sie nicht, auch mit Ihren Gliedmaßen in Verbindung zu treten. Es reicht, wenn Sie über Ihre Sinnesorgane und über Ihre Stimme verfügen können.«
»Warum dringen Sie in mein Zimmer ein?« fragte der Hawkin-Doktor dumpf. Dann setzte er mit fester Stimme hinzu: »Und warum sind Sie bewaffnet?« Sein Kopf schwankte leicht auf dem immer noch starren Körper. Offensichtlich hatte er Drakes Befehl, sich nicht mit seinen Gliedmaßen zu verbinden, befolgt. Rose fragte sich, wieso Drake wußte, daß eine solche teilweise Wiederbelebung möglich war. Sie selbst hatte es nicht gewußt.