Der Zahlmeister, der irgendeine vertrauliche Mitteilung privater Natur erwartet hatte, lächelte und lehnte sich zurück, um seinen vollen Bauch zu entspannen. «Das möchte ich eigentlich annehmen», erwiderte er. Obwohl er fand, dass kein Grund zum Flüstern vorlag, senkte er – wie immer, wenn man ein Flüstern beantwortet – unwillkürlich die Stimme.
«Und wann, glauben Sie, hat er die Strecke berechnet?»
«Irgendwann am Nachmittag. Das ist so seine übliche Zeit.»
«Um wie viel Uhr etwa?»
«Ach, ich weiß nicht. So gegen vier, würde ich sagen.»
«Nun verraten Sie mir noch etwas. Wie kommt der Kapitän zu dem jeweiligen Ergebnis? Macht er deswegen viel Umstände?»
Der Zahlmeister betrachtete lächelnd Mr. Botibols sorgenvolle Miene. Er wusste genau, worauf der Mann hinauswollte. «Nun, der Kapitän bespricht sich mit dem Navigationsoffizier, sie studieren die Wetterlage, berücksichtigen auch noch so manches andere und ziehen aus alledem ihre Schlüsse.»
Mr. Botibol nickte und grübelte über diese Antwort nach. Dann sagte er: «Glauben Sie, der Kapitän hat gewusst, dass sich das Wetter heute Abend verschlechtern würde?»
«Da fragen Sie mich zu viel, Mr. Botibol.» Der Zahlmeister blickte in die kleinen schwarzen Augen seines Nachbarn und sah, dass Fünkchen der Erregung in ihnen tanzen. «Wirklich, das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen.»
«Wenn der Sturm noch stärker wird, wäre es vielleicht günstig, eine niedrige Nummer zu ersteigern, nicht wahr?» Das Flüstern war jetzt noch eindringlicher, noch besorgter.
«Kann schon sein», meinte der Zahlmeister. «Ich bezweifle, dass der Alte mit einer wirklich stürmischen Nacht gerechnet hat. Heute Nachmittag deutete ja noch nichts darauf hin.»
Die anderen am Tisch waren verstummt und suchten dem Gespräch zu folgen. Sie sahen den Zahlmeister mit jenem starren, gleichsam angespannt lauschenden Blick an, den manche Leute auf der Rennbahn haben, wenn sich in ihrer Nähe ein Trainer über die Chancen seiner Pferde verbreitet: leichtgeöffnete Lippen, hochgezogene Augenbrauen, vorgestreckter, ein wenig zur Seite geneigter Kopf – der selbstvergessene, fast entrückte Blick eines Menschen, der etwas aus erster Quelle erfährt.
«Angenommen, Sie dürften mitmachen – auf welche Zahl würden Sie heute setzen?», flüsterte Mr. Botibol.
«Ich kenne die Eckzahlen noch nicht», antwortete der Zahlmeister geduldig. «Die werden ja erst nach dem Dinner, unmittelbar vor Beginn der Versteigerung bekanntgegeben. Außerdem verstehe ich nicht viel davon. Ich bin nur der Zahlmeister, wissen Sie.»
Mr. Botibol erhob sich. «Entschuldigen Sie mich», murmelte er und ging vorsichtig über den schwankenden Fußboden. Auf seinem Weg zwischen den Tischen hindurch musste er sich zweimal an einer Stuhllehne festhalten, um bei dem Schlingern des Schiffes nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
«Zum Sonnendeck, bitte», sagte er zu dem Fahrstuhlführer.
Der Wind schlug ihm hart ins Gesicht, als er auf das offene Deck hinaustrat. Mit unsicheren Schritten erreichte er die Reling, und dort blieb er, krampfhaft festgeklammert, eine Weile stehen, um das Meer zu betrachten, auf das die Nacht herniedersank. Hoch schwollen die großen Wogen an und warfen sich gischtsprühend, weißen Pferden gleich, gegen den Sturm.
«Ziemlich bewegt draußen, nicht wahr, Sir?», sagte der Fahrstuhlführer, als sie hinunterfuhren.
Mr. Botibol glättete sein zerzaustes Haar mit einem kleinen roten Kamm. «Glauben Sie, dass wir wegen des Wetters die Geschwindigkeit herabgesetzt haben?», fragte er.
«Aber ja, Sir, gewiss. Wir sind beträchtlich runtergegangen, als es anfing. Das muss sein, schon damit uns die Passagiere nicht durcheinanderpurzeln.»
Im Rauchsalon versammelten sich die Leute bereits zur Versteigerung. Sie nahmen mit höflicher Zurückhaltung an den Tischen Platz, die Männer im Smoking, ein wenig steif, mit etwas zu scharf rasierten rosigen Wangen, und neben ihnen ihre kühlen, weißarmigen Frauen. Mr. Botibol setzte sich auf einen Stuhl in unmittelbarer Nähe des Auktionators. Er schlug die Beine übereinander, verschränkte die Arme und lehnte sich zurück – alles mit der verbissenen Miene eines Mannes, der eine gewaltige Entscheidung getroffen hat und sich um keinen Preis einschüchtern lassen will.
Der Gesamteinsatz, sagte er sich, wird rund siebentausend Dollar betragen. So hoch war er auch in den letzten beiden Tagen gewesen, und die einzelnen Nummern hatten zwischen drei- und vierhundert Dollar gekostet. Da es ein britisches Schiff war, rechnete man in Pfunden, aber bei seinen Überlegungen bevorzugte er die heimatliche Währung. Siebentausend Dollar – mein Gott, das war eine Menge Geld! Er würde es sich in Hundertdollarnoten auszahlen lassen und die Scheine in die Innentasche seines Jacketts stecken, wenn er an Land ging. Gar kein Problem. Und dann, ja dann würde er sofort ein Lincoln-Cabriolet kaufen. Gleich nach der Ankunft würde er den Wagen kaufen und in ihm nach Haus fahren – nur um des Vergnügens willen, Ethels Gesicht zu sehen, wenn sie aus der Haustür trat und ihn in dem neuen Wagen erblickte. Na, wäre das vielleicht nichts, Ethels Gesicht zu sehen, wenn er in einem funkelnagelneuen hellgrünen Lincoln-Cabriolet vorfuhr! Hallo, Ethel, Süße, würde er ganz lässig sagen, ich hab mir gedacht, ich bringe dir ein kleines Geschenk mit. Weißt du, er stand im Schaufenster, als ich vorbeikam, und da fiel mir auf einmal ein, dass du dir immer schon einen gewünscht hast. Gefällt er dir, Süße?, würde er fragen. Gefällt dir die Farbe? Und dabei würde er ihr Gesicht beobachten.
Jetzt erhob sich der Auktionator. «Meine Damen und Herren!», rief er. «Der Kapitän hat die Strecke, die das Schiff bis morgen Mittag durchfahren wird, auf fünfhundertfünfzehn Meilen veranschlagt. Wie üblich werden wir die Eckzahlen um zehn höher beziehungsweise tiefer ansetzen, sodass die Spielskala von fünfhundertfünf bis fünfhundertfünfundzwanzig reicht. Für den, der glaubt, die richtige Zahl liege weiter nach oben oder nach unten, gibt es natürlich noch das ‹obere Feld› und das ‹untere Feld›, die beide gesondert versteigert werden. Also, wir ziehen die erste Nummer aus dem Hut … Hier … Fünfhundertzwölf?»
Im Salon wurde es still. Die Menschen saßen regungslos auf ihren Stühlen, alle Augen waren auf den Auktionator gerichtet. Eine gewisse Spannung lag in der Luft, und sie wuchs mit jedem Betrag, der genannt wurde. Hier handelte es sich nicht mehr um ein Spiel oder einen Spaß; das verriet schon die Art, wie jemand, der überboten worden war, seinen Widersacher musterte – lächelnd zwar, aber nur mit den Lippen lächelnd, während die Augen wachsam und völlig kalt blieben.
Nummer fünfhundertzwölf wurde bei einhundertzehn Pfund zugeschlagen. Die nächsten drei, vier Nummern brachten etwa das Gleiche ein.
Das Schiff schlingerte und stampfte. Jedes Mal wenn es überkrängte, knackte die Holztäfelung an den Wänden, als wollte sie bersten. Die Passagiere hielten sich an den Sessellehnen fest und konzentrierten sich auf die Versteigerung.
«Unteres Feld!», rief der Auktionator. «Wir kommen jetzt zum unteren Feld.»
Mr. Botibol richtete sich auf. Sehr gerade, sehr steif saß er jetzt da. Er hatte beschlossen zu warten, bis niemand mehr bieten wollte; dann würde er einsteigen und das letzte Gebot machen. Seiner Berechnung nach musste er noch mindestens fünfhundert Dollar auf der Bank haben, wahrscheinlich sogar etwas mehr. Das waren gut und gern zweihundert Pfund. Höher würde bei dieser Nummer bestimmt niemand gehen.
«Wie Sie alle wissen», sagte der Auktionator, «umfasst das untere Feld jede Zahl, die tiefer liegt als die untere Eckzahl, in diesem Fall jede Zahl unter fünfhundertfünf. Wenn Sie also meinen, das Schiff wird in den vierundzwanzig Stunden von heute Mittag bis morgen Mittag weniger als fünfhundertfünf Meilen zurücklegen, dann sollten Sie versuchen, sich diese Nummer zu sichern. Nun, wer bietet?»