Die Gebote stiegen sofort auf einhundertdreißig Pfund. Mr. Botibol schien nicht der Einzige zu sein, der bemerkt hatte, dass schlechtes Wetter war. Einhundertvierzig … fünfzig … Dann nichts mehr. Der Auktionator hob den Hammer.
«Einhundertfünfzig zum Ersten …»
«Sechzig!», rief Mr. Botibol. Jedes Gesicht im Saal wandte sich ihm zu und starrte ihn an.
«Siebzig!»
«Achtzig!», rief Mr. Botibol.
«Neunzig!»
«Zweihundert!», rief Mr. Botibol. Um nichts in der Welt hätte er jetzt aufgehört.
Eine Pause trat ein.
«Bietet jemand mehr als zweihundert Pfund?»
Sitz still, ermahnte er sich. Sitz ganz still und sieh nicht hoch. Es bringt Unglück, wenn du hochsiehst. Halt die Luft an. Niemand überbietet dich, solange du die Luft anhältst.
«Zweihundert Pfund zum Ersten …» Der Auktionar hatte einen kahlen rosigen Schädel, auf dem kleine Schweißperlen glitzerten. «Zum Zweiten …» Mr. Botibol hielt die Luft an. «Und … zum Dritten!» Der Hammer fiel auf den Tisch. Mr. Botibol schrieb einen Scheck aus und überreichte ihn dem Assistenten des Auktionators. Dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, um das Ende abzuwarten. Er konnte doch nicht zu Bett gehen, bevor er wusste, wie viel der Gesamteinsatz betrug.
Als die Versteigerung beendet war, zählte man das Geld und kam auf zweitausendeinhundert und einige Pfund. Das waren ungefähr sechstausend Dollar. Neunzig Prozent der Summe gingen an den Gewinner, zehn Prozent an eine Stiftung für Seeleute. Neunzig Prozent von sechstausend waren fünftausendvierhundert. Nun – das genügte. Er konnte den Lincoln kaufen und behielt sogar noch etwas übrig. Mit diesem erfreulichen Gedanken ging Mr. Botibol glücklich und erwartungsfroh in seine Kabine.
Als er am nächsten Morgen erwachte, blieb er einige Minuten mit geschlossenen Augen liegen, um dem Tosen des Sturmes, dem Krachen und Knarren des schlingernden Schiffes zu lauschen. Kein Sturm war zu hören, kein Krachen, kein Knarren. Das Schiff schlingerte nicht. Er sprang aus dem Bett und lugte durch das Bullauge. Das Meer – o Gott – war spiegelglatt. Das große Schiff durchfurchte die See mit voller Kraft und holte offensichtlich die während der Nacht verlorene Zeit auf. Mr. Botibol drehte sich um und ließ sich langsam auf den Rand der Koje sinken. Ein leichtes Angstgefühl löste prickelnde elektrische Ströme in seiner Magengegend aus. Es war hoffnungslos. Natürlich würde jetzt eine der höheren Nummern gewinnen.
«Ach mein Gott», stöhnte er. «Was soll ich bloß tun?»
Was würde Ethel sagen? Es war einfach unmöglich, ihr zu gestehen, dass nahezu alles, was er in zwei Jahren erspart hatte, für einen Wettschein draufgegangen war. Ebenso unmöglich war es, ihr die Sache zu verheimlichen, denn wie sollte er sie hindern, weiterhin Schecks auszuschreiben? Und was war mit den monatlichen Raten für den Fernsehapparat und die Encyclopaedia Britannica? Er sah schon den Zorn und die Verachtung in dem Blick seiner Frau: Immer wenn sie in Wut geriet, verengten sich ihre Augen, und das Blau wurde grau.
«Ach, mein Gott. Was soll ich bloß tun?»
Eines war sicher: Er hatte nicht die geringste Chance – es sei denn, das verdammte Schiff finge an, rückwärts zu laufen. Ja, wenn jemand den Kahn mit voller Kraft zurücklaufen ließe – das wäre die einzige Möglichkeit, doch noch zu gewinnen. Ob man vielleicht den Kapitän dazu überreden konnte? Mit dem Versprechen, ihm zehn Prozent des Gewinns abzutreten? Oder auch mehr, falls ihm das zu wenig war? Mr. Botibol begann zu kichern. Und dann hielt er plötzlich inne. Seine Augen und sein Mund öffneten sich weit in einem geradezu entsetzten Erstaunen: Wie ein Blitz, jäh und unerwartet, hatte ihn ein Gedanke durchzuckt, ein unerhört kühner Gedanke. Wieder sprang er aufgeregt aus dem Bett und lief zum Bullauge, um hinauszuschauen. Nun ja, dachte er, warum nicht? Warum eigentlich nicht? Die See war ruhig; es würde ihm nicht schwerfallen, so lange im Wasser herumzuschwimmen, bis sie ihn herauszogen. Er hatte das unbestimmte Gefühl, so etwas sei irgendwann, irgendwo schon einmal passiert, aber das sollte ihn nicht davon abhalten, es zu wiederholen. Das Schiff würde stoppen und ein Rettungsboot zu Wasser lassen, das sicherlich eine halbe Meile zurückfahren musste, um ihn aufzufischen. Rechnete man noch den Rückweg zum Schiff dazu und die Zeit, die benötigt wurde, das Boot an Bord zu hieven, dann dauerte die Geschichte mindestens eine Stunde. Eine Stunde entsprach etwa dreißig Meilen. Das Schiff würde also dreißig Meilen weniger laufen. Das genügte auf jeden Fall, die Tagesleistung in das ‹untere Feld› zu verlagern. Er musste nur dafür sorgen, dass jemand ihn über Bord fallen sah – nun, das ließ sich mühelos arrangieren. Und es war ratsam, sich leicht anzuziehen, damit ihn beim Schwimmen nichts behinderte. Sportkleidung, ja, das war gut. Ein Hemd, Shorts und Tennisschuhe – als ob er Decktennis spielen wollte. Und seine Uhr würde er in der Kabine lassen. Wie spät war es? Viertel nach neun. Je eher, desto besser. Geh gleich ran, dann hast du es hinter dir. Viel Zeit bleibt dir sowieso nicht mehr, denn um zwölf Uhr mittags läuft die Frist ab.
Mr. Botibol war ängstlich und aufgeregt, als er in seiner Sportkleidung auf das Sonnendeck trat. Sein kleiner Körper mit den breiten Hüften und den unverhältnismäßig schmalen, abfallenden Schultern erinnerte – zumindest in der Form – an einen Schiffspoller. Die dünnen weißen Beine waren mit schwarzen Haaren bedeckt. Vorsichtig, fast unhörbar in seinen Tennisschuhen, ging er über das Deck und blickte nervös um sich. Nur eine ältere Frau mit sehr dicken Fußknöcheln und einem gewaltigen Hinterteil war zu sehen; sie lehnte an der Reling und schaute auf das Meer. Der Kragen ihres Persianermantels war hochgeschlagen, sodass Mr. Botibol ihr Gesicht nicht erkennen konnte.
Er blieb stehen und betrachtete sie aufmerksam aus einiger Entfernung. Ja, sagte er sich, sie ist wahrscheinlich geeignet. Sie wird vermutlich genauso schnell Alarm schlagen wie jeder andere. Aber warte einen Augenblick. Lass dir Zeit, William Botibol, lass dir Zeit. Weißt du noch, was du dir eben in der Kabine geschworen hast? Weißt du es noch?
Mr. Botibol – von jeher und in allem auf äußerste Sicherheit bedacht – war nicht gewillt, tausend Meilen vom nächsten Ufer entfernt ohne entsprechende Vorsichtsmaßnahmen in den Ozean zu springen. Er war noch keineswegs davon überzeugt, dass die Frau an der Reling unbedingt und auf jeden Fall Alarm schlagen würde, wenn er über Bord sprang. Seiner Meinung nach gab es zwei mögliche Gründe, aus denen sie ihn im Stich lassen konnte. Erstens war sie vielleicht taub oder blind. Für sehr wahrscheinlich hielt er das zwar nicht, aber es war immerhin denkbar, und warum sollte er etwas riskieren? Nun, um das herauszufinden, brauchte er sich vorher nur einen Augenblick mit ihr zu unterhalten. Zweitens – und das zeigte, in welchem Maße Selbsterhaltungstrieb und Angst das Misstrauen fördern – zweitens war ihm der Gedanke gekommen, dass die Frau vielleicht eine der höheren Nummern aus der Versteigerung besaß und somit einen triftigen finanziellen Grund hatte, keine Fahrtunterbrechung zu wünschen. Es gab Menschen, die schon für weit weniger als sechstausend Dollar einen anderen getötet hatten. Das war nichts Neues, so etwas konnte man jeden Tag in der Zeitung lesen. Warum also sollte sich Mr. Botibol auf ein Wagnis einlassen? Überzeuge dich erst einmal, dass alles seine Richtigkeit hat. Vergewissere dich. Fange eine kleine höfliche Unterhaltung mit der Frau an. Wenn sich herausstellt, dass sie nett und gutartig ist, brauchst du nichts zu befürchten und kannst leichten Herzens über Bord springen.
Mr. Botibol näherte sich wie zufällig der Frau und blieb neben ihr an der Reling stehen. «Guten Morgen», grüßte er freundlich.