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Sie drehte sich um. «Guten Morgen», antwortete sie mit einem Lächeln, das ihrem an sich völlig reizlosen Gesicht etwas erstaunlich Gewinnendes gab und es fast schön erscheinen ließ.

Damit, sagte sich Mr. Botibol, wäre die erste Frage geklärt. Sie ist weder blind noch taub. Also weiter im Text. «Wie fanden Sie denn gestern Abend die Versteigerung?», erkundigte er sich.

«Versteigerung?» Sie runzelte die Stirn. «Versteigerung? Was für eine Versteigerung?»

«Na, Sie wissen doch, diese blöde Sache, die jeden Abend nach dem Dinner im Salon veranstaltet wird. Die Tageswette. Ich hätte gern mal Ihre Meinung darüber gehört.»

Sie schüttelte den Kopf, wieder mit einem netten, sympathischen Lächeln, das diesmal ein wenig entschuldigend war. «Ich bin sehr faul», gestand sie. «Ich gehe immer früh zu Bett. Ich esse im Bett Abendbrot. Es ist so beruhigend, wenn man im Bett Abendbrot isst.»

Mr. Botibol lächelte ebenfalls und rückte langsam von ihr ab. «Muss jetzt gehen und meine Übungen machen», sagte er. «Ich fange den Tag immer mit ein paar Übungen an. Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen. Ein sehr großes Vergnügen …» Er ging etwa zehn Schritte, ohne dass sich die Frau nach ihm umschaute.

Alles war jetzt in bester Ordnung. Die See war ruhig, er war leicht angezogen, es gab mit größter Wahrscheinlichkeit keine menschenfressenden Haie in diesem Teil des Atlantiks, und die freundliche alte Dame würde Alarm schlagen. Nur eine Frage war noch offen: Konnte er das Schiff so lange aufhalten, dass ihm die Verzögerung wirklich zum Vorteil gereichte? Ja, das war so gut wie sicher. Außerdem hatte er es in der Hand, das Rettungsmanöver ein wenig auszudehnen, beispielsweise indem er dafür sorgte, dass sie ihn nicht gleich beim ersten Versuch herausfischten. Ein bisschen hin und her schwimmen, unauffällig zurückweichen, wenn sie sich ihm näherten, um ihn ins Boot zu ziehen … Jede gewonnene Minute würde ihm zustatten kommen. Er trat wieder an die Reling, aber plötzlich packte ihn eine neue Furcht. Wenn er nun in die Schiffsschraube geriet? Er hatte von Leuten gehört, denen das passiert war, als sie über Bord fielen. Ach was, er würde ja nicht fallen, sondern springen. Das war etwas ganz anderes. Er musste nur weit genug springen, dann entging er der Schraube bestimmt.

Mr. Botibol schritt gemächlich an der Reling entlang, bis er etwa zwanzig Meter von der Frau entfernt war. Sie schaute nicht zu ihm herüber. Umso besser. Er legte keinen Wert darauf, dass sie sah, wie er sprang. Wenn es keine Augenzeugen gab, konnte er später ohne weiteres sagen, er sei ausgerutscht und habe das Gleichgewicht verloren. Er blickte an der Schiffswand hinunter.

Tief, sehr tief würde er fallen. Und nun, bei näherer Überlegung, wurde ihm auch klar, wie leicht er sich verletzen konnte, wenn er flach auf das Wasser aufschlug. Wer hatte sich doch gleich bei einem Bauchklatscher vom hohen Sprungbrett den Leib aufgerissen? Er musste also beim Springen auf seine Haltung achten. Kerzengerade, Füße voran. Jawohl. Das graue Wasser schien so kalt, so tief zu sein, dass ihn ein Schauer überlief, als er es betrachtete. Aber jetzt oder nie. Sei ein Mann, William Botibol, sei ein Mann. Also dann … jetzt … los geht’s …

Er kletterte auf die breite Reling, hielt sich dort oben drei schreckliche Sekunden im Gleichgewicht, und dann sprang er – er sprang so hoch und so weit, wie er nur konnte, und zugleich schrie er: «Hilfe!»

«Hilfe! Hilfe!», schrie er, während er fiel. Und schon verschwand er im Wasser.

Als der erste Hilferuf ertönte, zuckte die Frau an der Reling zusammen, hob rasch den Kopf, schaute umher und sah den kleinen Mann in weißen Shorts, weißem Hemd und Tennisschuhen mit ausgebreiteten Armen und laut kreischend durch die Luft segeln. Einen Augenblick lang schien sie zu überlegen, was sie tun sollte: Einen Rettungsring werfen, weglaufen und Alarm schlagen oder sich einfach umdrehen und schreien. Sie trat einen Schritt von der Reling zurück und wandte sich halb um, sodass sie mit dem Gesicht zur Kommandobrücke stand. So verharrte sie einige Sekunden, regungslos, angespannt, unentschlossen. Gleich darauf hatte sie den Schock überwunden, beugte sich über die Reling und spähte angestrengt ins Wasser, dorthin, wo es von den Schiffsschrauben aufgewühlt wurde. Ein winziger runder schwarzer Kopf tauchte aus dem Schaum, ein Arm hob sich, winkte ein-, zweimal äußerst heftig, und eine schwache, ferne Stimme rief irgendetwas Unverständliches. Die Frau beugte sich noch weiter vor und versuchte, den auf und ab tanzenden schwarzen Punkt im Auge zu behalten, aber bald, sehr bald war er so klein geworden, dass sie nicht genau wusste, ob er überhaupt noch da war.

Nach einer Weile kam eine zweite Frau an Deck. Sie war mager, hatte eckige Bewegungen und trug eine Hornbrille. Als ihr Blick auf die Frau an der Reling fiel, ging sie mit dem festen, militärischen Schritt alter Jungfern auf sie zu.

«Hier bist du also», sagte sie.

Die Frau mit den dicken Knöcheln fuhr herum und sah sie an, erwiderte aber nichts.

«Ich habe dich gesucht», fügte die Magere hinzu. «Überall habe ich dich gesucht.»

«Merkwürdig», murmelte die Frau mit den dicken Knöcheln. «Da ist eben ein Mann über Bord gesprungen. Mit allen Kleidern.»

«Unsinn!»

«Doch, doch. Er sagte, er wollte seine Übungen machen, und sprang ins Wasser, ohne sich auszuziehen.»

«Komm jetzt mit nach unten», befahl die magere Frau. Ihre Lippen waren plötzlich schmal geworden, ihr Gesicht hatte einen strengen, wachsamen Ausdruck, und sie sprach weniger freundlich als zuvor. «Und dass du mir nicht wieder allein an Deck gehst. Du weißt sehr gut, dass du auf mich warten sollst.»

«Ja, Maggie», antwortete die Frau mit den dicken Knöcheln, und wieder lächelte sie ihr zartes, vertrauensvolles Lächeln. Sie nahm die Hand der anderen und ließ sich fortführen.

«So ein netter Mann», sagte sie. «Er hat mir zugewinkt.»

Der rasende Foxley

Seit sechsunddreißig Jahren fahre ich fünfmal in der Woche mit dem Zug um acht Uhr zwölf in die Stadt. Er ist nie übermäßig voll, und von seiner Endstation, dem Bahnhof Cannon Street, habe ich nur noch elf und eine halbe Minute bis zu meinem Büro in Austin Friars zu gehen.

Ich bin schon immer gern mit der Vorortbahn gefahren; diese kleine Reise bereitet mir in jeder ihrer Phasen Vergnügen, und ihr geregelter Ablauf ist für mich, einen Mann von festen Gewohnheiten, angenehm und beruhigend. Außerdem dient mir die Fahrt als eine Art Rutschbahn, auf der ich sanft, aber sicher in das Wasser der täglichen Pflichten gleite.

Unsere Station ist ein kleiner Landbahnhof, und morgens finden sich dort höchstens zwanzig Leute ein, um auf den Achtuhrzwölf zu warten. Wir bilden eine Gruppe, deren Zusammensetzung sich selten ändert, und wenn gelegentlich ein neues Gesicht auf dem Bahnsteig erscheint, läuft eine kleine Protestwelle durch die Reihen – wie in einem Käfig voller Kanarienvögel, in dem ein neuer Mitbewohner aufgetaucht ist.

Aber im Allgemeinen sind wir unter uns, wenn ich morgens vier Minuten vor Abfahrt des Zuges eintreffe; sie stehen auf ihren gewohnten Plätzen, diese guten, soliden, verlässlichen Leute, mit den gewohnten Regenschirmen, Hüten, Krawatten und Gesichtern, die Zeitung unter dem Arm, jahraus, jahrein so unverändert und unveränderlich wie die Möbel in meinem Wohnzimmer. Ich schätze das.

Ich schätze auch meinen Fensterplatz, auf dem ich beim ratternden Rollen des Zuges die Times lese. Dieser Teil der Fahrt dauert zweiunddreißig Minuten, und er beruhigt sowohl meinen Geist als auch meinen reizbaren alten Körper wie eine gute, gründliche Massage. Glauben Sie mir, Regelmäßigkeit ist das beste Mittel, sich ein ausgeglichenes Gemüt zu bewahren. Ich habe diese morgendliche Fahrt alles in allem etwa zehntausendmal gemacht, und ich genieße sie von Tag zu Tag mehr. Im Laufe der Jahre (unwichtig, aber interessant) bin ich zu einer Art lebender Uhr geworden. Ich kann jederzeit sagen, ob wir zwei, drei oder vier Minuten Verspätung haben, und ich brauche nicht aufzuschauen, um zu wissen, an welcher Station wir halten.