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Immer weiter rückte er vor. Nach jedem Schritt hielt er inne und überlegte, wohin er jetzt den Fuß setzen musste. Einmal hatte er die Wahl, ob er nach links oder nach rechts gehen wollte. Er entschied sich für rechts; der Weg erschien ihm zwar schwieriger, aber dafür war in dieser Richtung nicht so viel Schwarz. Das Schwarz machte ihn nervös. Er blickte über die Schulter, um zu sehen, wie viel er schon geschafft hatte. Fast die Hälfte. Jetzt konnte er nicht mehr umkehren. Er stand mitten auf dem Teppich; es gab kein Zurück, und es war auch unmöglich, zum seitlichen Rand zu springen – die Entfernung war zu groß. Als er all das Schwarz und Rot sah, das noch vor ihm lag, fühlte er plötzlich eine beklemmende Furcht in sich aufsteigen – wie damals, am Osternachmittag, als er sich ganz allein im finstersten Teil von Piper’s Wood verirrt hatte.

Er ging einen Schritt weiter, trat vorsichtig auf das einzige gelbe Fleckchen, das er erreichen konnte, und diesmal kam er mit dem Fuß dicht an eine schwarze Stelle heran. Er berührte das Schwarz nicht, er wusste genau, dass er es nicht berührte, denn er sah ja die schmale gelbe Linie, die seine Sandalenspitze von dem schwarzen Gebiet trennte. Aber die Schlange regte sich, als spüre sie die Nähe des Jungen. Sie hob lauernd den Kopf und starrte mit hellen, runden Augen auf seinen Fuß.

«Ich habe dich nicht berührt! Du darfst mich nicht beißen! Du weißt, dass ich dich nicht berührt habe!»

Eine andere Schlange glitt lautlos neben die erste, und auch sie hob den Kopf: zwei Köpfe jetzt, zwei Paar Augen, die auf den Fuß starrten, auf die kleine nackte Stelle unterhalb des Sandalenriemens. Der Junge stellte sich auf die Zehenspitzen und blieb so stehen, vor Schreck wie erstarrt. Minuten vergingen, bevor er wagte, an den nächsten Schritt zu denken.

Dieser nächste Schritt würde sehr schwierig sein, weil da ein tiefer, gewundener Strom von Schwarz quer über den Teppich lief. Und der Junge stand ausgerechnet so, dass er ihn an der breitesten Stelle überqueren musste. Sollte er springen? Das war zu gefährlich, denn er wusste ja nicht, ob er genau auf dem schmalen gelben Streifen dort drüben landen würde. Er holte tief Luft, hob einen Fuß und schob ihn weit, weit vor, senkte ihn tiefer und tiefer, bis endlich die Spitze der Sandale sicher auf gelbem Boden ruhte. Nun beugte er sich nach vorn, verlagerte sein Gewicht auf den vorgestellten Fuß und versuchte dann, den anderen nachzuholen. Er strengte sich mächtig an, zog und zerrte, aber die Beine waren zu weit auseinander. Es half nichts, er musste zurück. Auch das schaffte er nicht. Er stand breitbeinig da und vermochte sich nicht zu rühren. Unter sich sah er den tiefen, gewundenen schwarzen Strom. Teile davon regten sich jetzt, rollten sich auf, glitten hin und her und glitzerten in einem widerlich öligen Glanz. Er schwankte, fuchtelte wild mit den Armen, um nicht zu fallen, aber das machte es nur noch schlimmer. Er kippte nach rechts, zunächst langsam, dann immer schneller. Im letzten Moment streckte er instinktiv die Hand aus, um den Sturz zu dämpfen. Das, was er gleich darauf sah, ließ ihn vor Entsetzen gellend aufschreien: Seine bloße Hand stieß mitten hinein in eine große, glänzende Masse von Schwarz und verschwand darin.

Draußen im Sonnenschein, weit hinter dem Haus, suchte die Mutter ihren Sohn.

Hals

Als vor etwa acht Jahren der alte Sir William Turton starb und sein Sohn Basil nicht nur den Titel, sondern auch die Turton Press erbte, wurden, wie ich mich erinnere, in der Fleet Street zahlreiche Wetten abgeschlossen, wie lange es dauern würde, bis eine hübsche junge Frau den kleinen Burschen überzeugt hätte, dass sie sich um ihn kümmern müsse. Um ihn und sein Geld, heißt das.

Basil – nunmehr Sir Basil Turton – mochte damals vierzig Jahre zählen. Er war Junggeselle, ein Mann von sanfter, schlichter Wesensart, der sich bis dahin nur für seine Sammlung moderner Gemälde und Skulpturen interessiert hatte. Nie war sein Seelenfrieden durch eine Frau gestört worden; kein Skandal und kein Gerede hatten je seinen Namen befleckt. Nun aber, da er die Herrschaft über ein großes Zeitungsimperium angetreten hatte, musste er das stille väterliche Landhaus verlassen und nach London übersiedeln.

Natürlich scharten sich die Geier sofort um ihn, und nicht nur die Fleet Street, sondern fast die ganze Stadt sah gespannt zu, wie sie ihm nachstellten. Sie gingen dabei langsam vor, sehr langsam und sehr bedächtig, sodass ich statt von Geiern vielleicht lieber von einem Haufen gelenkiger Krebse sprechen sollte, die unter Wasser nach einem Stück Pferdefleisch greifen.

Aber zur allgemeinen Überraschung wusste der kleine Kerl allen Eroberungsversuchen geschickt zu entgehen, und so zog sich die Jagd über den Frühling und Frühsommer jenes Jahres hin. Obgleich Sir Basil nicht zu meinen Bekannten gehörte, sodass für mich kein Anlass bestand, ihm freundschaftliche Gefühle entgegenzubringen, ergriff ich unwillkürlich für ihn, meinen Geschlechtsgenossen, Partei und triumphierte jedes Mal, wenn es ihm gelang, mit heiler Haut davonzukommen.

Dann, etwa Anfang August – anscheinend auf irgendein weibliches Geheimsignal hin –, schlossen die Mädchen untereinander eine Art Waffenstillstand und fuhren in die Ferien, um auszuruhen, neue Kräfte zu sammeln und Pläne für den Abschuss im Winter zu schmieden. Das war ein Fehler, denn genau in diesem Augenblick kam vom Kontinent ein bezauberndes Geschöpf herüber: Natalia Soundso, von der noch nie jemand gehört hatte, tauchte in London auf, nahm Sir Basil fest an der Hand und schleifte ihn, der sich gewissermaßen in Trance befand, zum Standesamt in der Caxton Hall, bevor irgendjemand, am wenigsten der Bräutigam selbst, begriffen hatte, was eigentlich geschah.

Sie können sich vorstellen, dass die Londoner Damen entrüstet waren, und natürlich zögerten sie keinen Augenblick, allerlei saftigen Klatsch über die frischgebackene Lady Turton («diese unverschämte Wilddiebin») zu verbreiten. Aber damit brauchen wir uns nicht aufzuhalten. Wir können getrost die nächsten sechs Jahre überspringen und uns einer Begebenheit zuwenden, die sich vor genau einer Woche ereignete, als ich das Vergnügen hatte, Ihrer Ladyschaft zum ersten Mal zu begegnen. Wie Sie sich denken können, leitet sie mittlerweile nicht nur die gesamte Turton Press, sondern hat sich dadurch auch eine beträchtliche politische Machtstellung erworben. Gewiss, das ist auch schon anderen Frauen gelungen, aber Lady Turtons Fall ist insofern ungewöhnlich, als sie Ausländerin ist und niemand recht zu wissen scheint, aus welchem Lande sie stammt – aus Jugoslawien, Bulgarien oder Russland.