Ich lachte, aber alle drei, Lady Turton, Major Haddock und Carmen La Rosa, hatten sich bereits abgewandt und nahmen wieder auf dem Sofa Platz. Jelks brachte mir einen Drink, und Sir Basil zog mich zu einem ruhigen Gespräch in den Hintergrund des Salons. Lady Turton rief alle Augenblicke nach ihrem Mann, damit er irgendetwas für sie hole – noch einen Martini, eine Zigarette, einen Aschenbecher, ein Taschentuch –, aber wenn er sich dann halb aus seinem Sessel erhoben hatte, war ihm Jelks schon zuvorgekommen und versorgte Lady Turton mit dem Gewünschten.
Es war klar, dass Jelks seinen Herrn liebte, und ebenso klar, dass er die Frau hasste. Sooft er etwas für sie tat, stieß er verächtlich ein wenig Luft durch die Nase und presste die Lippen zusammen, sodass sie aussahen wie das Hinterteil eines Puters.
Beim Dinner saß Lady Turton zwischen ihren beiden Freunden, Haddock und Miss La Rosa. Durch dieses unkonventionelle Arrangement hatten Sir Basil und ich Gelegenheit, unser interessantes Gespräch über Bilder und Skulpturen fortzusetzen. Natürlich hatte ich inzwischen begriffen, dass der Major in Ihre Ladyschaft verliebt war. Und ich hatte das Gefühl – so ungern ich diesen Verdacht äußere –, dass die La Rosa demselben Vogel nachjagte.
Das alles schien der Gastgeberin sehr zu behagen. Aber ihrem Mann behagte es gar nicht. Ich stellte fest, dass er sich, während wir uns unterhielten, unablässig der Vorgänge am anderen Ende des Tisches bewusst war. Seine Gedanken schweiften des Öfteren von unserem Thema ab, er unterbrach sich mitten im Satz, und sein Blick ruhte sekundenlang mit einem geradezu rührenden Ausdruck auf der schönen Frau mit dem schwarzen Haar und den eigenartig geblähten Nasenflügeln. Es konnte ihm nicht entgangen sein, wie aufgekratzt sie war, wie sie beim Sprechen gestikulierte und dabei mehrmals die Hand auf den Arm des Majors legte und wie fordernd die andere Frau, diejenige, die möglicherweise etwas mit Pferden zu tun hatte, immer wieder rief: «Nata-li-a! Nata-li-a, hör doch mal zu!»
«Morgen», sagte ich, «müssen Sie mir die Skulpturen zeigen, die Sie im Garten stehen haben.»
«Natürlich», murmelte er. «Mit Vergnügen.» Er schaute dabei zu seiner Frau hinüber, und der flehende Blick seiner Augen war herzzerreißend. Dieser Mann hatte ein so weiches, liebevolles Gemüt, dass selbst jetzt kein Zorn in ihm war, nichts, was eine Explosion hätte auslösen können.
Nach dem Essen wurde ich sofort an den Kartentisch befohlen, um mit Miss Carmen La Rosa gegen Major Haddock und Lady Turton zu spielen. Sir Basil setzte sich mit einem Buch auf das Sofa.
Das Spiel verlief durchaus normal; es brachte keinerlei Überraschungen und war ziemlich langweilig. Aber Jelks fiel mir auf die Nerven. Den ganzen Abend lungerte er um uns herum, leerte die Aschenbecher, erkundigte sich, was wir zu trinken wünschten, und schaute uns in die Karten. Er war offenbar kurzsichtig, und ich bezweifle, dass er viel von dem mitbekam, was vor sich ging. Wie Sie wissen oder vielleicht auch nicht wissen, darf ein Butler in England niemals eine Brille tragen – übrigens auch keinen Schnurrbart. Das ist eine unverbrüchliche goldene Regel und obendrein eine sehr vernünftige, obgleich mir nicht ganz klar ist, was eigentlich dahinter steckt. Vermutlich würde er mit Bart zu sehr wie ein Gentleman und mit Brille zu sehr wie ein Amerikaner aussehen, und wohin sollte das führen, frage ich Sie. Nun, jedenfalls machte Jelks mich ziemlich nervös, genau wie Lady Turton, die dauernd wegen irgendeiner Zeitungssache ans Telefon gerufen wurde.
Um elf Uhr blickte sie von ihren Karten auf und sagte: «Basil, du solltest jetzt schlafen gehen.»
«Ja, mein Liebes, vielleicht hast du recht.» Er klappte das Buch zu, erhob sich und blieb ein Weilchen am Tisch stehen, um uns zuzuschauen. «Alles in Ordnung mit dem Spiel?», fragte er.
Da die anderen nicht antworteten, sagte ich: «Es ist ein schönes Spiel.»
«Das freut mich. Und Jelks wird sich um Sie kümmern und Ihnen bringen, was Sie brauchen.»
«Jelks kann auch schlafen gehen», entschied Lady Turton.
Ich hörte, wie Major Haddock neben mir durch die Nase atmete, wie die Karten, eine nach der anderen, leise auf den Tisch klatschten und wie Jelks’ Füße über den Teppich auf uns zuschlurrten.
«Wäre es Ihnen nicht lieber, wenn ich aufbliebe, M’lady?»
«Nein. Gehen Sie zu Bett. Du auch, Basil.»
«Ja, mein Liebes. Gute Nacht. Gute Nacht, alle miteinander.»
Jelks öffnete seinem Herrn die Tür und verließ hinter ihm das Zimmer.
Sobald wir den nächsten Robber beendet hatten, erklärte ich, dass auch ich mich zurückziehen wolle.
«Bitte sehr», sagte Lady Turton. «Gute Nacht.»
Ich ging in mein Zimmer, schloss die Tür ab, nahm eine Tablette und legte mich schlafen.
Am nächsten Morgen stand ich gegen zehn Uhr auf. Als ich im Frühstückszimmer erschien, war Sir Basil schon da und wurde gerade von Jelks mit gegrillten Nieren, Speck und gebratenen Tomaten versorgt. Er freute sich, mich zu sehen, und fragte, ob ich Lust hätte, ihn gleich nach dem Frühstück auf einem langen Spaziergang durch den Garten zu begleiten. Ich versicherte ihm, dass ich mir nichts Besseres wünschen könne.
Eine halbe Stunde später brachen wir auf. Sie glauben gar nicht, wie erleichtert ich war, aus diesem Haus heraus an die frische Luft zu kommen. Es war einer jener warmen, leuchtenden Tage, die gelegentlich mitten im Winter auf eine Regennacht folgen, mit strahlendem Sonnenschein und ohne Wind. Die kahlen Bäume sahen herrlich aus in dem goldenen Licht. Das Wasser tropfte noch von den Ästen, und die Pfützen auf den Wegen funkelten wie Diamanten. Am Himmel standen zarte Wölkchen.
«Was für ein herrlicher Tag!»
«Ja, ganz herrlich, nicht wahr?»
Das war ungefähr alles, was wir während des Spaziergangs sprachen; mehr war nicht nötig. Sir Basil führte mich zu den großen Schachfiguren; dann zeigte er mir die anderen kunstvoll gestutzten Bäume, die Gartenhäuschen mit dem schönen Schnitzwerk, die Teiche, die Brunnen, das Labyrinth, in dem man sich nur im Sommer verirren konnte, wenn die Hecken belaubt waren. Auch die Blumenbeete besichtigten wir, die künstlichen Grotten, die Gewächshäuser mit ihren Weinstöcken und Pfirsichbäumen. Und natürlich die Skulpturen. Die meisten zeitgenössischen Bildhauer waren hier mit Werken aus Bronze, Granit, Kalkstein und Holz vertreten. Obgleich es ein Genuss war, diese Schöpfungen in der Sonne warm aufleuchten zu sehen, schienen sie mir nach wie vor ein bisschen fehl am Platze in diesem weitläufigen, nach strengen Regeln angelegten Park.
«Wollen wir uns nicht ein Weilchen ausruhen?», schlug Sir Basil vor, nachdem wir länger als eine Stunde umhergewandert waren. Wir setzten uns auf eine weiße Bank in der Nähe eines mit Wasserlilien bedeckten Teiches voller Karpfen und Goldfische und zündeten uns eine Zigarette an. Unsere Bank befand sich auf einer Anhöhe, ziemlich weit vom Haus entfernt, sodass wir den Garten vor uns liegen sahen wie eine Zeichnung aus einem alten Buch über Gartenarchitektur. Die Hecken, Rasenflächen, Terrassen und Brunnen bildeten ein hübsches Muster aus Vierecken und Kreisen.
«Mein Vater hat Wooton gekauft, kurz bevor ich geboren wurde», sagte Sir Basil. «Ich habe immer hier gelebt und kenne jedes Fleckchen. Ich liebe den Garten von Tag zu Tag mehr.»
«Im Sommer ist es hier bestimmt wunderbar.»
«O ja. Sie müssen uns einmal im Mai oder Juni besuchen. Versprechen Sie mir das?»
«Natürlich», sagte ich. «Mit dem größten Vergnügen.»
Während ich sprach, beobachtete ich eine rotgekleidete Frau, die sich in der Ferne zwischen den Blumenbeeten bewegte. Ich sah, wie sie mit wiegendem Gang einen Rasenplatz überquerte; dann wandte sie sich nach links und schritt an einer hohen Eibenhecke entlang, bis sie zu einem zweiten, kleineren Rasen kam, der kreisrund war und in dessen Mitte eine Skulptur aufragte.
«Der Garten ist jünger als das Haus», sagte Sir Basil. «Er wurde im frühen achtzehnten Jahrhundert von einem Franzosen namens Beaumont angelegt – demselben, der den Garten von Levens in Westmoreland gestaltet hat. Zweihundertfünfzig Leute haben mindestens ein Jahr lang daran gearbeitet.»