«Sieh mal einer an», rief der Arzt. «Also hier verstecken Sie sich abends immer.»
«Hallo, Doktor», sagte Klausner.
«Ich kam gerade vorbei», erklärte der andere. «Und da wollte ich doch sehen, wie es Ihnen geht. Im Haus war niemand, deshalb habe ich Sie im Garten gesucht. Was macht der Hals?»
«Alles in Ordnung. Danke.»
«Na, wenn ich schon hier bin, kann ich ihn mir ja noch einmal anschauen.»
«Bitte, bemühen Sie sich nicht. Mir fehlt nichts. Ich bin völlig gesund.»
Dr. Scott merkte, dass die Atmosphäre mit Spannung geladen war. Er betrachtete den schwarzen Kasten auf der Werkbank, dann blickte er den Mann an. «Sie haben noch den Hut auf», sagte er.
«Wirklich?» Klausner nahm den Hut ab und legte ihn auf die Werkbank.
Der Arzt kam näher und beugte sich über den Kasten. «Was ist das?», fragte er. «Bauen Sie ein Radio?»
«Nein. Nur so eine Bastelei.»
«Ziemlich komplizierte Sache, was?»
«Ja.» Klausner wirkte nervös und zerstreut.
«Was soll’s denn werden?», erkundigte sich der Arzt. «Sieht ja direkt unheimlich aus, das Ding.»
«Mir ist da eine Idee gekommen …»
«Ja?»
«Hat mit Geräuschen zu tun, das ist alles.»
«Du meine Güte! Haben Sie denn tagsüber bei der Arbeit noch nicht genug Lärm?»
«Ich mag Geräusche.»
«Scheint mir auch so.» Dr. Scott wandte sich zum Gehen. An der Tür drehte er sich noch einmal um und sagte: «Na, ich will Sie nicht länger stören. Schön, dass Ihr Hals wieder in Ordnung ist.» Aber er blieb stehen, denn der seltsame Mechanismus in dem Kasten interessierte ihn, und außerdem hätte er gar zu gern gewusst, was dieser wunderliche Kauz vorhatte. «Wozu ist es denn nun wirklich?», fragte er. «Sie haben mich neugierig gemacht.»
Klausner sah auf den Kasten, dann auf den Arzt. Er hob die Hand und rieb nachdenklich sein rechtes Ohrläppchen. Eine Pause trat ein. Der Arzt stand lächelnd an der Tür und wartete.
«Also gut, ich will’s Ihnen erklären, wenn es Sie interessiert.» Wieder trat eine Pause ein. Offensichtlich wusste Klausner nicht, wie er beginnen sollte.
Er trat von einem Fuß auf den anderen, zupfte am Ohrläppchen, sah auf seine Füße, und schließlich sagte er langsam: «Ja, also … Theoretisch ist die Sache ganz einfach. Das menschliche Ohr … Sie wissen ja, dass es nicht alles hören kann. Es gibt Töne, die so hoch oder so tief sind, dass wir sie nicht hören können.»
«Richtig», bestätigte der Arzt.
«Ja, jeder Ton, der grob gesprochen mehr als fünfzehntausend Schwingungen in der Sekunde hat, ist für uns nicht mehr zu hören. Hunde haben bessere Ohren als wir. Gewiss kennen Sie diese Pfeifchen, deren Ton so hoch ist, dass nur ein Hund sie hören kann.»
«Ja, ich habe schon mal so ein Ding gesehen.»
«Natürlich. Und weiter oben auf der Tonleiter, also über dem Ton der Hundepfeife, gibt es noch einen Ton – eine Schwingung, wenn Sie wollen, aber ich spreche lieber von einem Ton. Den können Sie auch nicht hören. Und darüber gibt es noch einen und noch einen, immer höher und höher die Tonleiter hinauf, eine endlose Tonfolge … eine Unendlichkeit von Tönen … Es gibt einen Ton – wenn unser Ohr ihn nur hören könnte –, der so hoch ist, dass er eine Million Schwingungen in der Sekunde hat … und einen, der noch Millionen Mal höher ist … und so weiter, immer höher und höher, bis ins Unendliche … in die Ewigkeit … hinter die Sterne.»
Klausner sprach mit wachsender Erregung. Er war ein kleiner, schmächtiger Mann, nervös und zappelig, mit Händen, die dauernd in Bewegung waren. Sein großer Kopf neigte sich zur linken Schulter, als wäre der Hals nicht stark genug, ihn zu tragen. Er hatte ein weiches, blasses, fast weißes Gesicht, und der Blick seiner hellgrauen Augen, die zwinkernd durch eine nickelgeränderte Brille schauten, war unstet und verträumt. Ja, er war klein und schmächtig, nervös und zappelig, eine Motte von einem Mann, bald verträumt und zerstreut, bald aufgeregt und lebhaft, und doch spürte der Arzt, als er das seltsam blasse Gesicht und die hellgrauen Augen betrachtete, dass an diesem kleinen Mann etwas Distanziertes war, etwas ungemein Distanziertes, als hätte sich sein Geist weit vom Körper entfernt.
Der Arzt wartete auf nähere Erklärungen. Klausner seufzte und faltete fest die Hände. «Ich glaube», sagte er, langsamer jetzt, «ich glaube, dass es eine ganze Welt von Lauten gibt, die wir nicht hören können. Vielleicht erklingt dort oben in den hohen, unhörbaren Regionen eine neue erregende Musik mit zarten Harmonien und wilden, schneidenden Dissonanzen – eine Musik, die so mächtig ist, dass sie uns verrückt machen würde, wenn unsere Ohren darauf eingestellt wären, sie zu hören. Ja, das ist durchaus möglich … Und nicht nur das. Es kann dort sogar …»
«Ja», unterbrach ihn der Arzt, «aber es ist nicht sehr wahrscheinlich.»
«Warum nicht? Warum nicht?» Klausner deutete auf eine Fliege, die auf einer kleinen Rolle Kupferdraht saß. «Sehen Sie diese Fliege? Was für ein Geräusch macht sie jetzt? Keines – soweit wir hören können. Aber wer sagt uns, dass sie nicht wie verrückt in den höchsten Tönen pfeift oder bellt oder krächzt oder singt? Sie hat doch einen Mund, nicht wahr? Sie hat eine Kehle!»
Der Arzt blickt lächelnd auf die Fliege. Er stand noch immer an der Tür, halb zum Gehen gewandt. «Und das wollen Sie also herausfinden?», fragte er.
«Vor einiger Zeit», berichtete Klausner, «fertigte ich ein einfaches Instrument an, das mir das Vorhandensein vieler unhörbarer Geräusche bewies. Oft habe ich dagesessen und beobachtet, wie die Nadel meines Instruments Klangschwingungen in der Luft anzeigte, die ich nicht hören konnte. Und das sind die Laute, die ich gern hören möchte. Ich möchte wissen, woher sie kommen und wer oder was sie hervorbringt.»
«Und der Apparat, an dem Sie da arbeiten? Wird der Ihnen ermöglichen, diese Geräusche zu hören?»
«Vielleicht. Wer weiß? Bis jetzt ist es mir noch nicht geglückt. Aber ich habe einige Veränderungen vorgenommen, und heute Abend werde ich’s nochmal versuchen. Dieser Apparat –» Klausner legte die Hand darauf – «soll Klangschwingungen, die für das menschliche Ohr zu hoch sind, auffangen und sie in hörbare Töne umwandeln. Ich stelle ihn ein, beinahe wie ein Radio.»
«Wie meinen Sie das?»
«Eine ganz einfache Sache. Angenommen, ich möchte das Piepsen einer Fledermaus hören, also einen ziemlich hohen Ton – etwa dreißigtausend Schwingungen in der Sekunde. Das normale menschliche Ohr kann ihn kaum hören. Aber wenn nun eine Fledermaus in diesem Raum herumflöge, dann bräuchte ich den Apparat nur auf dreißigtausend einzustellen, und schon würde ich das Piepsen ganz klar hören. Ich würde sogar den richtigen Ton hören – f oder b, was es gerade ist –, nur die Tonhöhe wäre viel niedriger. Verstehen Sie?»
Der Arzt sah auf den langen schwarzen Kasten. «Und das wollen Sie heute Abend versuchen?»
«Ja.»
«Na, dann viel Glück.» Dr. Scott blickte auf seine Uhr. «Du meine Güte, ich muss ja weiter. Auf Wiedersehen. Und vielen Dank, dass Sie es mir erklärt haben. Ich komme mal vorbei und frage, ob es geklappt hat.» Er ging hinaus und schloss die Tür hinter sich.
Klausner bastelte noch eine Zeitlang an den Drähten in dem schwarzen Kasten herum; dann richtete er sich auf und sagte in einem leisen, erregten Flüstern: «So, jetzt machen wir noch einen Versuch … Diesmal im Garten … Vielleicht … vielleicht … ist der Empfang dort besser. Hoch damit … Vorsichtig … Mein Gott, ist das schwer!» Er trug den Kasten zur Tür, merkte, dass er die Tür nicht öffnen konnte, ohne den Kasten abzusetzen, trug ihn auf die Werkbank zurück, öffnete die Tür, nahm den Kasten und trug ihn mit einiger Mühe in den Garten. Auf dem Rasen stand ein kleiner Holztisch, und dort setzte er seine Last behutsam ab. Dann holte er aus dem Schuppen einen Kopfhörer. Er stülpte ihn über die Ohren und schob die Stecker in den Apparat. Seine Hände bewegten sich flink und zielsicher. Aufgeregt, wie er war, atmete er laut und schnell durch den Mund. Er sprach noch immer mit sich selbst, beruhigend und ermutigend, als hätte er Angst – Angst, dass der Apparat nicht funktionierte, und Angst vor dem, was geschehen würde, wenn er funktionierte.