Klausner sah den Baum an. Sein großer Kopf war zur Seite geneigt, und auf seinem weichen weißen Gesicht lag ein Ausdruck des Entsetzens. Langsam näherte er sich dem Baum und löste vorsichtig die Axt aus dem Stamm.
«Haben Sie es gehört, Doktor?», fragte er mit versagender Stimme.
Der Arzt war vom Laufen und der Aufregung noch ganz außer Atem. «Was gehört?»
«Im Kopfhörer. War da irgendein Geräusch, als die Axt aufschlug?» Dr. Scott rieb sich den Nacken. «Hm», murmelte er, «offen gestanden …» Er runzelte die Stirn und nagte an seiner Unterlippe. «Nein, nicht dass ich wüsste. Wirklich, ich kann es nicht sagen. Die Axt schlug auf, und in der nächsten Sekunde habe ich den Kopfhörer schon abgerissen.»
«Ja, ja, aber was haben Sie gehört?»
«Ich weiß es nicht», beteuerte der Arzt. «Ich weiß nicht, was ich gehört habe. Wahrscheinlich das Geräusch des splitternden Astes.» Er sprach schnell und ziemlich gereizt.
«Wie hat es geklungen?» Klausner beugte sich ein wenig vor und sah ihn scharf an. «Beschreiben Sie mir genau, wie es geklungen hat.»
Der Arzt verlor die Geduld. «Zum Teufel, woher soll ich das wissen? Ich war mehr daran interessiert, mein Leben zu retten. Lassen wir das.»
«Dr. Scott, wie hat es geklungen?»
«Herr des Himmels, denken Sie denn, ich achte auf so was, wenn der halbe Baum herunterkommt und ich um mein Leben rennen muss?» Der Arzt war zweifellos nervös. Klausner spürte es. Er stand regungslos da und blickte Dr. Scott an, ohne ein Wort zu sprechen. Der Arzt scharrte mit den Füßen, zuckte die Achseln und wandte sich schließlich ab. «Nun», sagte er, «das ist dann wohl alles.»
«Halt!», befahl der kleine Mann, und sein weiches weißes Gesicht rötete sich plötzlich. «Halt, Sie müssen das hier erst nähen.» Er zeigte auf den klaffenden Riss, den zweiten, den die Axt in den Baumstamm geschlagen hatte. «Nähen Sie das schnell.»
«Seien Sie nicht albern.»
«Tun Sie, was ich Ihnen sage. Nähen Sie es.» Klausner hob die Axt etwas höher. Er sprach leise, in einem seltsamen, fast drohenden Ton.
«Seien Sie nicht albern», wiederholte der Arzt. «Ich kann kein Holz nähen. Kommen Sie, wir gehen ins Haus.»
«Sie können kein Holz nähen?»
«Nein, natürlich nicht.»
«Haben Sie Jod in Ihrer Tasche?»
«Und wenn ich welches habe?»
«Bepinseln Sie die Wunde mit Jod. Es wird brennen, aber das lässt sich nicht ändern.»
«Unsinn», sagte der Arzt, und wieder wandte er sich zum Gehen. «Machen Sie sich doch nicht lächerlich. Kommen Sie mit ins Haus, und dann …»
«Bepinseln Sie die Wunde mit Jod!»
Der Arzt zögerte. Er sah, wie sich Klausners Hand fester um den Griff der Axt schloss. Entweder tue ich ihm den Willen, dachte er, oder ich laufe weg, so schnell ich kann. Er fühlte sich verpflichtet zu bleiben.
«Also gut», sagte er. «Ich bepinsele die Wunde mit Jod.»
Aus seiner schwarzen Tasche, die etwa zehn Meter entfernt im Gras lag, holte er eine Flasche Jod und etwas Watte. Dann trat er an den Baumstamm heran, entkorkte die Flasche, goss etwas Jod auf die Watte, bückte sich und betupfte die Schnittfläche. Er behielt dabei Klausner im Auge, der mit der Axt in der Hand unbeweglich dastand und ihn beobachtete.
«Passen Sie auf, dass Sie es richtig hineinbekommen.»
«Ja», sagte der Arzt.
«Und jetzt die andere Wunde – die obere.»
Der Arzt gehorchte.
«So, ich bin fertig.» Dr. Scott richtete sich auf und begutachtete mit ernster Miene seine Arbeit. «Das dürfte völlig genügen.»
Klausner untersuchte gewissenhaft die beiden Wunden.
«Ja», meinte er und nickte bedächtig mit dem großen Kopf. «Ja, das dürfte genügen.» Er ging einen Schritt zurück. «Kommen Sie morgen wieder, um es sich anzusehen?»
«Natürlich», versicherte der Arzt. «Selbstverständlich.»
«Und behandeln Sie die Wunden wieder mit Jod?»
«Wenn es nötig ist, ja.»
«Danke, Doktor.» Klausner nickte noch einmal mit dem Kopf. Er ließ die Axt fallen, und plötzlich lächelte er ein wildes, erregtes Lächeln. Der Arzt trat schnell auf ihn zu, nahm ihn sanft beim Arm und sagte: «Kommen Sie jetzt.» Und dann gingen sie fort, die beiden, gingen schweigend und ziemlich eilig zurück – durch den Park, über die Straße, ins Haus.
Nunc Dimittis
Es ist fast Mitternacht, und wenn ich jetzt nicht darangehe, diese Geschichte niederzuschreiben, werde ich es nie tun. Stunden und Stunden habe ich hier gesessen und versucht, einen Anfang zu finden; aber je länger ich über die ganze Sache nachdachte, desto größer wurden mein Entsetzen, meine Scham, meine Verzweiflung.
Ich habe mir vorgenommen – und ich glaube, das war eine gute Idee –, in Form einer schriftlichen Beichte eine selbstkritische Betrachtung anzustellen, um auf diese Weise einen Grund oder zumindest eine Rechtfertigung für mein empörendes Verhalten gegenüber Janet de Pelagia zu finden. Ich möchte mich dabei an einen imaginären mitfühlenden Leser wenden, gewissermaßen an ein mythisches Du, an einen gütigen und verständnisvollen Menschen, dem ich rückhaltlos jede Einzelheit dieser unglückseligen Episode offenbaren kann. Ich hoffe nur, dass es mir trotz meiner Erregung gelingt, einen wahrheitsgetreuen Bericht zu geben.
Wenn ich ganz ehrlich sein soll, muss ich gestehen, dass es nicht sosehr das Gefühl meiner Schuld ist, das mich bedrückt, auch nicht die Kränkung, die ich der armen Janet zugefügt habe, sondern vielmehr das Bewusstsein, dass ich mich wie ein ausgemachter Idiot benommen habe und dass meine Freunde – sofern ich sie noch so nennen darf –, alle diese warmherzigen und liebenswerten Menschen, die so oft in mein Haus kamen, mich jetzt für einen boshaften, rachsüchtigen alten Mann halten müssen. Ja, das schmerzt mich tief. Wenn ich Ihnen sage, dass meine Freunde der Inhalt meines Lebens waren, dass sie mir alles, einfach alles bedeuteten, so werden Sie vielleicht anfangen, mich zu verstehen.
Tatsächlich? Ich bezweifle es, denn Sie wissen ja nichts von mir. Gestatten Sie also, dass ich einen Augenblick abschweife und Ihnen in groben Zügen schildere, was für ein Mensch ich bin.
Nun … lassen Sie mich nachdenken. Bei näherer Überlegung scheint mir, dass ich einen Typ verkörpere, einen ganz bestimmten, wenn auch recht seltenen Typ – den des reichen, müßiggängerischen, kultivierten Mannes in mittleren Jahren, der viele Freunde hat und von ihnen wegen seines Charmes, seines Geldes, seiner Bildung, seiner Freigebigkeit und – wie ich aufrichtig hoffe – auch um seiner selbst willen bewundert wird (ich wähle das Wort mit Bedacht). Man findet diesen Typ nur in den großen Weltstädten – London, Paris, New York –, daran ist nicht zu zweifeln. Das Geld, das er besitzt, hat er von seinem Vater geerbt, den er insgeheim ein wenig verachtet. Daraus kann man ihm keinen Vorwurf machen, denn es liegt in seiner Natur, auf Menschen herabzusehen, die so ungebildet sind, dass sie nicht wissen, wodurch sich Rockingham- und Spode-Porzellan, Waterford- und Venezianisches Glas, Sheraton und Chippendale, Monet und Manet oder gar Pommard und Montrachet voneinander unterscheiden.
Er ist also ein Kenner und zeichnet sich vor allem durch einen exquisiten Geschmack aus. Seine Constables, Boningtons, Lautrecs, Redons, Veuillards und Matthew Smiths brauchen einen Vergleich mit den Gemälden der Tate Gallery nicht zu scheuen. Und weil sie so sagenhaft schön sind, schaffen sie um ihn herum eine besondere Atmosphäre, die aufreizend, atemberaubend und ein wenig beängstigend ist – beängstigend, wenn man daran denkt, dass er ohne weiteres die Macht und das Recht hat, ein prachtvolles Tal von Dedham, einen Mont Saint-Victoire, ein Kornfeld bei Arles, ein Mädchen aus Tahiti, ein Porträt von Madame Cézanne zu zerschlitzen, zu zerreißen oder mit der Faust zu durchlöchern. Und die Wände, an denen diese Wunderwerke hängen, strahlen wie einen zarten goldenen Glanz jene Erhabenheit aus, in der er lebt, sich bewegt und mit einer Nonchalance, die nicht ohne Übung erworben wurde, seine Gäste empfängt.