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Mein Gott, dachte ich, geschmackloser ging es wohl nicht! Das Porträt selbst war gar nicht so übel. Royden hatte den Gesichtsausdruck der Frau recht gut getroffen – den leicht gesenkten Kopf, die großen blauen Augen, den breiten, hässlich-schönen Mund mit der Andeutung eines Lächelns. Natürlich hatte er ihr geschmeichelt. Kein Fältchen auf der Stirn, keine Spur von Fett unter dem Kinn. Ich beugte mich vor, um das Kleid in Augenschein zu nehmen. Ja – hier war die Farbschicht dicker, viel dicker. Außerstande, auch nur eine Sekunde länger zu warten, warf ich mein Jackett ab und ging ans Werk.

Hier muss ich erwähnen, dass ich Fachmann im Reinigen und Restaurieren von Gemälden bin. Was das Reinigen betrifft, so ist das nicht weiter schwer, wenn man Geduld und eine leichte Hand hat. Mit diesen Berufsrestauratoren, die so ein Geheimnis aus ihrem Metier machen und solche gepfefferten Preise verlangen, habe ich nichts im Sinn. An meine Bilder lasse ich keinen Fremden heran.

Ich goss Terpentin in eine Schale und fügte ein paar Tropfen Alkohol hinzu. Dann tauchte ich einen Wattebausch in die Mischung, drückte ihn aus und begann behutsam, ganz behutsam mit kreisenden Bewegungen über die schwarze Farbe des Kleides zu wischen. Ich konnte nur hoffen, dass Royden jede neue Farbschicht erst dann aufgetragen hatte, wenn die untere völlig trocken war; sonst würden beide zusammenfließen, und damit wäre mein Vorhaben misslungen. Bald würde ich es wissen. Ich arbeitete auf etwa zwei Quadratzentimetern des schwarzen Kleides am Bauch der Dame und ließ mir viel Zeit. Immer wieder prüfte ich vorsichtig die Farbe, raute sie leicht auf, goss ein, zwei Tropfen Alkohol in die Schale, prüfte von neuem, fügte noch einen Tropfen hinzu, bis die Mischung gerade stark genug war, die Farbe zu lösen.

Ich arbeitete etwa eine Stunde an diesem kleinen schwarzen Viereck. Je näher ich der darunterliegenden Schicht kam, desto behutsamer ging ich vor. Schließlich erschien ein winziger rosa Punkt, der sich allmählich vergrößerte, bis die ganze Stelle in leuchtendem Rosa schimmerte. Schnell neutralisierte ich mit reinem Terpentinöl.

Gut und schön. Ich wusste nun, dass ich die schwarze Farbe abtragen konnte, ohne die untere Schicht zu beschädigen. Mit Fleiß und Geduld musste es mir gelingen, alles zu entfernen. Terpentin und Alkohol waren im richtigen Verhältnis gemischt, ich hatte herausgefunden, wie hart ich reiben durfte, und ich nahm an, dass ich jetzt viel schneller vorankommen würde.

Im Grunde war es eine recht amüsante Beschäftigung. Ich arbeitete mich zunächst von Janets Körpermitte nach unten vor, und in dem Maße, wie ihr Rock an meinen Wattebäuschen haften blieb, wurde ein merkwürdiges rosa Wäschestück sichtbar. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wie das Ding hieß, aber jedenfalls war es ein fürchterlicher Apparat, anscheinend aus einem festen elastischen Material gefertigt und offensichtlich zu dem Zweck konstruiert, die gerundeten Hüften der Frau in eine nette Stromlinienform zu pressen, sodass der völlig falsche Eindruck mädchenhafter Schlankheit entstand. Als ich noch weiter nach unten ging, stieß ich auf eine imposante Garnitur ebenfalls rosafarbener Strumpfhalter, die an der elastischen Rüstung befestigt waren und sich acht bis zehn Zentimeter tiefer in die Strumpfränder krallten.

Eine tolle Konstruktion, stellte ich fest, als ich einen Schritt zurücktrat, um sie im Ganzen zu betrachten. Ich fühlte mich irgendwie als Opfer eines Betrugs, denn hatte ich nicht monatelang die anmutig schlanke Figur der Dame bewundert? Sie war eine Schwindlerin, wie ich nun klar erkannte. Ich fragte mich nur, ob auch andere Frauen solche Tricks anwandten. Natürlich wusste ich, dass es in der Zeit der Korsetts und der Fischbeinpanzer allgemein üblich war, sich einzuschnüren; aber aus irgendwelchen Gründen hatte ich mir eingebildet, dass die modernen Frauen nur noch Diät zu halten brauchten.

Als ich die untere Hälfte des Kleides abgetragen hatte, wandte ich mich sofort dem oberen Teil zu. Von der Taille der Dame ausgehend, drang ich langsam zur Brust vor. In der Gegend des Zwerchfells legte ich einen Streifen nackten Fleisches frei; weiter oben stieß ich auf eine Vorrichtung, die den Busen enthielt. Sie war aus irgendeinem schweren schwarzen Stoff gefertigt und mit gekräuselten Spitzen besetzt. Dies war, wie ich sehr wohl wusste, der Büstenhalter – auch so ein fürchterlicher Apparat, dessen schwarze Träger geschickt und exakt wie die Haltekabel einer Hängebrücke montiert waren.

Du meine Güte, dachte ich. Man lernt doch nie aus.

Endlich war die Arbeit beendet, und ich trat wieder zurück, um das Bild auf mich wirken zu lassen. Es war ein verblüffender Anblick! Diese Frau, Janet de Pelagia, beinahe lebensgroß, stand in ihrer Unterwäsche mitten in einem Salon (oder was es nun war), einen großen Kronleuchter über sich, einen roten Plüschsessel neben sich. Und sie selbst – das war das Beunruhigendste – sah völlig unbeteiligt aus mit ihren großen, sanften blauen Augen und dem leicht lächelnden, hässlich-schönen Mund. Obendrein bemerkte ich mit einigem Entsetzen, dass sie O-Beine wie ein Jockey hatte. Offen gesagt, die ganze Sache war mir peinlich. Ich hatte das Gefühl, ich sei nicht berechtigt, sie anzustarren. So ging ich denn nach einer Weile hinaus und schloss die Tür hinter mir. Es schien das Einzige zu sein, was ich als wohlerzogener Mensch tun konnte.

Nun zum letzten und entscheidenden Schritt! Glauben Sie ja nicht, dass mein Rachedurst, nur weil ich nicht mehr davon gesprochen habe, im Laufe der Zeit abgenommen hätte. Im Gegenteil, er war eher noch gewachsen. Und nun, da der letzte Akt über die Bühne gehen sollte, hatte ich die größte Mühe, meine Ungeduld zu zügeln. Um schneller ans Ziel zu kommen, opferte ich sogar meinen Schlaf.

Wissen Sie, ich brannte darauf, die Einladungen zu verschicken. Ich saß die ganze Nacht am Schreibtisch, verfasste die Briefe und adressierte die Umschläge. Es waren insgesamt zweiundzwanzig, und jede Einladung sollte eine persönliche Note haben. ‹Am Freitag, dem zweiundzwangzigsten, gebe ich ein kleines Dinner. Ich hoffe sehr, dass Sie kommen können. Es wäre mir eine so große Freude, Sie wiederzusehen …›

Die erste, die am sorgfältigsten formulierte Einladung ging an Janet de Pelagia. Ich bedauerte darin, sie so lange nicht gesehen zu haben … Ich sei im Ausland gewesen … Nun aber müssten wir doch endlich … und so weiter und so fort. Im gleichen Sinne schrieb ich an Gladys Ponsonby, Lady Hermione Girdlestone, Prinzessin Bicheno, Mrs. Cudbird, Sir Hubert Kaul, Mrs. Galbally, Peter Euan-Thomas, James Pisker, Sir Eustace Piegrome, Peter van Santen, Elizabeth Moynihan, Lord Mulherrin, Bertram Sturt, Philip Cornelius, Jack Hill, Lady Akeman, Mrs. Icely, Humphrey King-Howard, Johnny O’Coffey, Mrs. Uvary und die Herzoginwitwe von Waxworth.

Es war eine geschickt zusammengestellte Liste, in der die distinguiertesten Männer und die einflussreichsten Frauen der Creme unserer Gesellschaft vertreten waren.

Ich wusste sehr gut, dass ein Abendessen in meinem Haus als ein festliches Ereignis galt, an dem jeder gern teilnehmen würde. Während meine Feder über das Papier glitt, malte ich mir aus, wie die Damen, wenn sie die Einladung auf ihrem Frühstückstablett fanden, freudig erregt den Hörer vom Telefon neben dem Bett abnahmen und wie eine schrille Stimme mit einer noch schrilleren sprach: «Lionel gibt eine Party … Hat er dich auch eingeladen? … Meine Liebe, wie schön … Sein Essen ist immer so gut … Und so ein reizender Mann, nicht wahr?»

Aber würden sie das wirklich sagen? Plötzlich kam mir der Gedanke, dass ihre Bemerkungen auch ganz anders klingen könnten. Etwa so: «Gewiss, gewiss, meine Liebe, er ist gar nicht so übel, der alte Lionel … Nur eben ein bisschen langweilig, findest du nicht? … Wie bitte? … Fade? O ja, entsetzlich fade, meine Liebe. Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen … Weißt du, was Janet de Pelagia einmal von ihm gesagt hat? … Aha, ich dachte mir schon, dass du es gehört hast … Zum Schreien komisch, nicht wahr? … Die arme Janet … Wie sie es so lange ausgehalten hat, ist mir wirklich ein Rätsel …»