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«Nein, Sir.»

Der Mann hinter dem Schreibtisch nahm eine zusammengefaltete Zeitung zur Hand und las vor: «‹Der Bau des großen Elektronengehirns, das die Regierung vor einiger Zeit in Auftrag gab, wurde soeben abgeschlossen. Diese elektronische Rechenmaschine ist vermutlich die schnellste der Welt. Sie erledigt in kürzester Zeit komplizierte mathematische Berechnungen, die von Naturwissenschaft, Industrie und Verwaltung in immer stärkerem Maße benötigt werden und deren Durchführung mit Hilfe der traditionellen Methoden physisch unmöglich wäre oder mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, als die Probleme rechtfertigen. Eine Vorstellung von der Geschwindigkeit, mit der die neue Maschine arbeitet – so sagte uns Mr. John Bohlen, der Chef der Electrical Engineering Inc., der die Konstruktion vor allem zu danken ist –, mag die Tatsache vermitteln, dass sie in fünf Sekunden die richtige Antwort auf eine Frage gibt, mit der sich ein Mathematiker einen Monat lang beschäftigen müsste. In drei Minuten liefert sie eine Berechnung, die schriftlich ausgeführt (wenn das möglich wäre) eine halbe Million Seiten im Folioformat füllen würde. Elektrische Stromstöße – eine Million je Sekunde – befähigen das Elektronengehirn, sämtliche Aufgaben zu lösen, bei denen Additionen, Subtraktionen, Multiplikationen und Divisionen erforderlich sind. Der praktischen Anwendung sind keine Grenzen gesetzt …›»

Mr. Bohlen sah auf und blickte in das längliche, melancholische Gesicht des jüngeren Mannes. «Sind Sie nicht stolz, Knipe? Sind Sie nicht glücklich?»

«O doch, Mr. Bohlen.»

«Ich brauche Sie wohl nicht daran erinnern, dass Ihre Mitarbeit, besonders an den ursprünglichen Plänen, von entscheidender Bedeutung war. Ja, ich bin sogar der Meinung, dass ohne Sie und einige Ihrer Ideen dieses Projekt heute noch auf dem Reißbrett stünde.»

Adolph Knipe scharrte mit den Füßen auf dem Teppich und betrachtete die kleinen weißen Hände seines Chefs, die nervösen Finger, die mit einer Büroklammer spielten, sie aufbrachen und die Windungen geradebogen. Er mochte die Hände des Mannes nicht. Und ebenso wenig mochte er seinen winzigen Mund mit den schmalen purpurroten Lippen. Wenn Mr. Bohlen sprach, bewegte sich nur die Unterlippe, und das sah scheußlich aus.

«Bedrückt Sie irgendetwas, Knipe? Haben Sie Sorgen?»

«O nein, Mr. Bohlen. Nein.»

«Wie wär’s mit einer Woche Urlaub? Würde Ihnen gut tun. Sie haben sich’s redlich verdient.»

«Ach, ich weiß nicht, Sir …»

Der ältere Mann wartete, den Blick auf die lange, hagere Gestalt gerichtet, die so lasch vor ihm stand. Ein schwieriger Bursche, dieser Knipe. Warum konnte er sich nicht gerade halten? Immer ließ er die Schultern hängen. Und schlampig war er, mit Flecken auf der Jacke und ungekämmtem Haar.

«Ich möchte, dass Sie Urlaub nehmen, Knipe. Sie haben ihn nötig.»

«Schön, Sir. Wenn Sie es wünschen.»

«Nehmen Sie eine Woche. Zwei Wochen, wenn Sie Lust haben. Fahren Sie irgendwohin, wo es warm ist. Legen Sie sich in die Sonne. Schwimmen Sie. Spannen Sie mal so richtig aus. Schlafen Sie, so viel Sie nur können. Wenn Sie dann zurückkommen, unterhalten wir uns über Ihre Zukunft.»

Adolph Knipe fuhr mit dem Bus nach Hause. In seiner Zweizimmerwohnung warf er den Mantel auf das Sofa, goss sich einen Whisky ein und setzte sich vor die Schreibmaschine, die auf dem Tisch stand. Mr. Bohlen hatte recht. Natürlich hatte er recht. Nur dass er keine Ahnung hatte, was wirklich los war. Vermutlich dachte er, dass eine Frau im Spiel sei. Wenn ein junger Mann bedrückt ist, denkt jeder, es sei wegen einer Frau.

Er beugte sich vor, um das halb beschriebene Blatt durchzulesen, das in der Maschine steckte. Die Überschrift lautete: «Mit knapper Not entkommen», und der Text fing an: «Die Nacht war dunkel und stürmisch, der Wind pfiff durch die Bäume, es regnete in Strömen …»

Adolph Knipe trank einen Schluck Whisky, kostete den malzig-bitteren Geschmack aus, fühlte, wie ihm die kalte Flüssigkeit die Kehle hinunterrann und sich im oberen Teil des Magens sammelte, bevor sie sich ausbreitete und eine kleine warme Zone in seinem Innern erzeugte. Ach, zum Teufel mit Mr. John Bohlen. Zum Teufel mit dem großartigen Elektronengehirn. Zum Teufel mit …

Seine Augen und sein Mund öffneten sich langsam, wie in höchster Verwunderung. Langsam hob er den Kopf, und so blieb er vierzig, fünfzig, sechzig Sekunden regungslos sitzen, während er mit einem geradezu ungläubig erstaunten, dabei aber ganz festen, gleichsam gesammelten Blick auf die gegenüberliegende Wand starrte. Dann (ohne dass er den Kopf bewegt hätte) veränderte sich allmählich der Ausdruck seines Gesichts, kaum merklich zunächst, nur an den Mundwinkeln sichtbar, bald jedoch immer ausgeprägter, immer umfassender, bis schließlich das ganze Gesicht von äußerstem Entzücken überstrahlt war. Das Staunen hatte der Freude Platz gemacht. Es war das erste Mal seit vielen, vielen Monaten, dass Adolph Knipe lächelte.

«Natürlich ist es völlig idiotisch», sagte er laut. Wieder lächelte er und entblößte dabei auf eine seltsam sinnliche Weise die Zähne.

«Eine wunderbare Idee, aber so undurchführbar, dass es sich wirklich nicht lohnt, darüber nachzudenken.»

Von nun an dachte Adolph Knipe über nichts anderes mehr nach. Die Idee faszinierte ihn ungemein, anfangs nur deswegen, weil er sich ausmalte, wie schön es wäre, mit ihrer Hilfe an seinen schlimmsten Feinden teuflische Rache zu nehmen. Unter diesem Gesichtspunkt spielte er vielleicht zehn oder fünfzehn Minuten mit ihr; dann ertappte er sich plötzlich dabei, dass er sie allen Ernstes als praktische Möglichkeit in Betracht zog. Er machte sich ein paar vorbereitende Notizen auf einem Blatt Papier. Aber er kam nicht weit. Er fand sich fast sofort mit der altbekannten Tatsache konfrontiert, dass eine Maschine, so hochentwickelt sie auch sein mag, nicht selbständig denken kann. Sie kann nur Aufgaben lösen, die sich in mathematischen Begriffen ausdrücken lassen – Aufgaben, deren Lösung ein für allemal feststeht.

Das war eine harte Nuss. Er kam nicht darum herum: Eine Maschine hat keinen Verstand. Aber es gibt Maschinen, die ein Gedächtnis haben, nicht wahr? Das Elektronengehirn der Electrical Engineering Inc. zum Beispiel hatte ein phantastisches Gedächtnis. Es konnte, einfach indem es elektrische Impulse durch eine Quecksilbersäule in hochfrequente Wellen verwandelte, mindestens tausend Zahlen auf einmal speichern und jede von ihnen genau in dem Augenblick abrufen, in dem sie gebraucht wurde. Sollte es also nicht möglich sein, nach diesem Prinzip ein Wort-Speicherwerk von nahezu unbegrenztem Fassungsvermögen zu bauen?

Wie stand es damit?

Plötzlich schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf, eine simple, aber überwältigende Wahrheit: Die englische Grammatik ist Regeln unterworfen, die in ihrer Strenge fast mathematisch sind! Wenn die Wörter feststehen, wenn der Sinn dessen, was gesagt werden soll, feststeht, gibt es nur eine mögliche Reihenfolge, in der diese Wörter angeordnet werden können.

Nein, dachte er, das stimmt nicht ganz. Sehr oft gibt es für die Stellung von Wörtern und Satzteilen mehrere Möglichkeiten, die alle grammatisch korrekt sind. Na wennschon! An der Theorie selbst ist nicht zu rütteln. Folglich muss sich eine Maschine, die nach dem Prinzip des Elektronengehirns gebaut ist, so einrichten lassen, dass sie Wörter (statt Zahlen) den grammatischen Regeln entsprechend anordnet. Füttere sie mit Verben, Substantiven, Adjektiven, Pronomen, sodass sich im Speicherwerk ein Wortschatz bildet, und sorge dafür, dass diese Wörter je nach Bedarf abgerufen werden können. Gib ihr dann noch ein Handlungsgerüst und überlass es ihr, die Sätze zu schreiben.

Knipe war jetzt nicht mehr zu halten. Er machte sich unverzüglich ans Werk, und die nächsten Tage waren mit intensiver Arbeit ausgefüllt. Überall im Wohnzimmer lagen Papiere verstreut: Formeln und Berechnungen; Listen mit Wörtern, Tausenden und aber Tausenden von Wörtern; Handlungsgerüste von Kurzgeschichten, auf eigenartige Weise in Fragmente zerlegt; lange Auszüge aus Rogets Thesaurus; Seiten und Seiten mit männlichen und weiblichen Vornamen; Abschriften von Familiennamen aus dem Telefonbuch; komplizierte Zeichnungen von Leitungsdrähten, Stromkreisen, Schaltern und Kathodenröhren, von Maschinen, die unterschiedlich geformte Löcher in kleine Karten stanzen konnten, von einer elektrischen Schreibmaschine, deren Leistung sich auf zehntausend Wörter in der Minute belief, und von einer Art Schaltbrett mit kleinen Tasten, unter denen die Namen bekannter amerikanischer Magazine standen.