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»Was ist los?« zischte Flint hinter Tanis.

Der Halbelf stellte sich in seinen Steigbügeln auf. Der Pfad führte auf eine Lichtung. Xenoth gestikulierte mit den Armen, während der Ratgeber wild auf Porthios und Lord Tyresian einredete, die ungerührt geradeaus blickten, als wenn Xenoth überhaupt nicht da wäre.

Gilthanas drehte sich im Sattel um und beantwortete Flints Frage. »Da vorne ist ein Graben. Xenoth will ihn umgehen. Tyresian meint, wir könnten drüber hinwegspringen.«

»Springen?« erkundigte sich Flint sofort. »Mit einem Maultier?« Er war entsetzt.

Tanis lenkte Belthar um Gilthanas herum, trieb das Tier nach vorn, wobei er die ärgerlichen Blicke der anderen Jäger ignorierte, und grüßte Tyresian und Porthios. Die drei begutachteten den Graben: zwei Elfen tief und die Wände zu steil für Pferde oder Elfen. Reste einer Brücke lagen zersplittert auf dem Boden des Grabens.

»Das ist nicht sehr breit«, sagte Tyresian.

»Wir könnten drüberspringen«, stimmte Porthios zu.

»Die meisten Pferde würden den Sprung schaffen«, sagte Tanis, »aber was soll Flint machen?«

Tyresian sah sich nach hinten um, an den Jägern in Leder und Silber vorbei. Die Waffen der Elfen glänzten im Mittagslicht. Flint und Windsbraut am Ende der Schlange sahen wie die letzten aus einem ungewöhnlich großen Wurf Junge aus.

»Zurückbleiben«, erklärte Tyresian, dessen blaue Augen hart wurden. »Er wird schon einen Weg außen herum finden.« Porthios rutschte unruhig hin und her, wollte etwas sagen, schwieg dann aber.

»Einen Weg außen herum?« fauchte Tanis. »Dieser Graben erstreckt sich in beide Richtungen weiter, als wir sehen können!«

»Keiner hat den Zwerg gebeten mitzukommen«, erwiderte Tyresian. »Soll er umkehren.«

»Alleine? Wenn ein Tylor frei im Wald herumrennt?«

Die schönen Züge des Elfenlords wurden streng. »Du unterstehst bei dieser Operation meinem Kommando«, flüsterte Tyresian. »Außerdem bist du ein erstklassiger Schwertkämpfer und Bogenschütze, Halbelf.«

»Lord Tyresian«, sagte Porthios warnend, so daß der Befehlshaber sich zu dem Adligen umdrehte.

»Es sieht so aus, als säßen wir in der Sackgasse«, rief Tyresian. »Wir können diesen Graben überqueren und den Tylor aufspüren, der in diesem Teil von Qualinesti Elfen und Tiere umgebracht hat. Oder wir können in Schande umkehren.« Er nahm sich Zeit, die Elfen zu mustern und jedem einzelnen Teilnehmer ein paar Augenblicke direkt ins Gesicht zu blicken. »Wer will weitermachen?«

Die Gruppe schwieg eine Weile. Dann gab Gilthanas seiner Stute die Sporen, galoppierte an Tyresian und Porthios vorbei, ohne ihnen einen Blick zuzuwerfen, und mit diesem Anlauf setzten Pferd und Reiter über den Graben, beschrieben einen Bogen in der Luft, und bei der Landung spritzten Erde und Steine auf. Gilthanas wendete und salutierte.

Ulthen, Litanas, Miral, Porthios und die meisten anderen folgten rasch Gilthanas’ Beispiel und warteten dichtgedrängt auf der anderen Seite des Grabens. Bald waren nur noch Tyresian, Tanis, Flint und Xenoth übrig. Tyresian zügelte sein nervöses Pferd und lächelte die drei hochmütig an. »Nun?«

Xenoth plusterte sich auf. »Lord Tyresian, Ihr könnt doch nicht im Ernst daran denken, uns hier zurückzulassen…«

»Dann kommt nach«, meinte der Elf ungerührt. »Ihr wart derjenige, der auf Allianz reiten wollte, Xenoth. Sicher seid Ihr Reiter genug, um über diesen Graben zu springen.«

»Aber diese Mähre kann – «

»Versucht es!« Tyresian schlug Image mit der flachen Klinge auf den Rücken. Das Pferd sprang los, Xenoth verlor die Zügel und klammerte sich an die Mähne, bis die Stute direkt vor dem Abgrund scheute und den Berater ohne Federlesens abwarf. Mühsam erhob sich Xenoth vom steinigen Boden, während Tyresian auf Primordan vorbeifegte, elegant über den Graben setzte und dann die Reiter auf der anderen Seite auseinanderstieben ließ. Danach führte der Elfenlord die Jäger weiter – alle bis auf einen.

Porthios wartete noch am Graben. Schließlich legte er die Hände an den Mund und schrie hinüber: »Alles in Ordnung! Reitet zum Palast zurück!« und folgte den anderen Freiwilligen.

»Tanis«, riet Flint. »Reite mit ihnen. Lord Xenoth und ich werden umkehren, wie er gesagt hat.«

»Was?« quäkte der Berater, der wieder aufgestiegen war. »Und ich bleibe mit einem Zwerg als Beschützer zurück?«

Flint schnaubte. »Beschützer, wie?« warf ihm der Zwerg vor. »Ich würde eher meine Windsbraut beschützen als Euch.«

Er tätschelte dem grauen Maultier den Hals. »Tanis, Belthar kann leicht über den Spalt setzen. Mach schon.«

Tanis kniff die Augen zusammen. »Wir werden uns nicht trennen. Sogar Xenoth könnte von Nutzen sein, wenn wir den Tylor treffen.«

Der Zwerg sah Xenoth nicht an. »Da rechne mal nicht mit«, sagte Flint. »Außer du denkst daran, ihn als Köder zu benutzen.« Er musterte den hageren Berater. »Aber selbst dann…«

Xenoth wendete und trieb Image an, um den steinigen Pfad nach Qualinost zurückzutraben. Flint und Tanis sahen wortlos zu. Als Xenoth schließlich um eine Biegung ritt, schrie Flint: »Reitet nicht zu weit voraus! Der Tylor könnte Euch allein erwischen!«

Der Berater hielt an. Seine braungesprenkelte Stute warf den Kopf herum und tänzelte aufgeregt seitwärts weg. Tanis runzelte die Stirn. »Da stimmt etwas nicht«, sagte er. »Sieh dir das Pferd an. Image ist kein nervöses Tier.«

Eine unheimliche, verfrühte Dämmerung senkte sich über den Wald, der für ihre Augen fast undurchdringlich war. Kein Windhauch bewegte die Espenblätter. Die Eichhörnchen und Streifenhörnchen waren verschwunden. Noch Augenblicke zuvor waren sie durchs Unterholz gesprungen und spielerisch die Pfade am Graben entlanggehüpft.

»Flint…«

Der Zwerg hielt bereits seine Streitaxt in der Hand. »Ich weiß, Junge. Keine Vögel. Keine Tiere. Als ob…« Er suchte die Umgebung ab und winkte Xenoth zurück.

Tanis beendete den Satz für ihn. »Als ob alle Tiere sich verkrochen hätten.«

Ein tiefes Grollen durchzog die Luft. Flint und Tanis wechselten einen Blick. »Donner?« fragte Tanis.

»Ich hoffe es«, erwiderte Flint.

Der Sturm brach los, als Xenoth auf halbem Weg zurück war. Noch dreißig oder vierzig Schritt trennten sie von ihm.

Aber der Sturm kam in Gestalt eines Tylors.

»Reorx!« brüllte der Zwerg. Die Büsche links neben Xenoth zitterten, und dann schoß ein graugrünes Etwas mit einer Gewalt, die Blätter und Zweige durch die Luft wirbelte, aus dem Unterholz. Der Berater kreischte, und Image brach zusammen, denn das wilde Tier hatte ihr mit einem einzigen Zuschnappen seines klaffenden Mauls den Hals gebrochen. Der Berater war abgeworfen worden und hart auf dem Rücken gelandet. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rollte er sich langsam herum, während das Monster damit beschäftigt war, das tote Pferd zu zerreißen. Xenoths Gesicht nahm einen entsetzten Ausdruck an, als er sah, was der Tylor mit dem Tier anstellte. Er sprang auf und rannte in Panik davon, weg von Tanis und Flint, direkt ins Unterholz.

»Xenoth!« schrie Tanis. Er sprang von Belthars Rücken, und Flint rutschte von Windsbraut. Ihre Reittiere donnerten den Weg zurück, wobei das Maultier um Längen voraus war.

»Xenoth ist da hinten sicherer, Junge«, rief Flint, der Tanis hinter den vermoderten Stamm einer umgestürzten Eiche zog. Zwischen dem Baum und dem Rand des Abgrunds lagen kaum sechs Fuß.

Der Tylor schob seinen schuppigen Körper ganz auf die Lichtung, erhob seinen spitzen, gepanzerten Kopf und brüllte herausfordernd. Dann stellte sich das Tier auf dem steinigen Boden auf, öffnete sein Maul und begann, magische Worte zu singen. Das Wichtigste dieser Worte war der Name »Xenoth«.

»Bei den Göttern!« Der Halbelf rutschte näher zu Flint. »Was macht er da?«

Anstatt die Frage zu beantworten, murmelte Flint: »Es ist ein intelligentes Wesen.«

»Können wir… Können wir mit ihm verhandeln?«

Flint griff nach seinem Arm. »Würde ich jetzt im Moment nicht empfehlen, Junge.«