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Flint drehte sich der Kopf bei dem Gedanken, daß der Herrscher aller Elfen von Qualinesti, einem Volk, das selbst für seine kunstvollen Gold- und Silberschmiedearbeiten berühmt war, die Bemühungen eines Zwerges pries. Darum kippte er den ganzen Inhalt des Kelchs hinunter, den er vor einem Jahr gemacht hatte. Auf dem Boden des Trinkgefäßes würde er sein Zeichen sehen, dazu das Wort »Solace« und das Jahr. Er wunderte sich über…

Der Gedanke ging verloren, als er den Elfenwein schmeckte. Seine Augen benebelten sich, und seine Zunge verkrampfte sich. »Bei Reorx’ Hammer!« brachte Flint heraus.

Er hatte schon von Elfenblütenwein gehört, der für sein betäubendes Bouquet von Obstblüten und die hammerartige Wirkung seines Alkoholgehalts bekannt war. Nur jemand mit Elfenblut konnte das süße Zeug vertragen, hatte er gehört, und es war in etwa dasselbe Gefühl, als hätte einem ein Zentaur gegen den Kopf getreten. Der Geruch von Apfel- und Pfirsichblüten schien seinen Körper von innen und außen zu durchströmen; Flint kam sich so vor, als wäre er bei lebendigem Leibe einbalsamiert worden. Zwei oder drei Stimmen schwankten vor ihm, die drei Elfen um Porthios wurden zu einer Versammlung von fünfzehn oder sechzehn. Lauralanthalasas Kichern erhob sich aus dem Chor der abanasinischen Nachtigallen, der plötzlich in seinem Kopf erklang. Flint schnappte nach Luft und wollte sich auf das Podium der Stimme setzen – Protokoll hin oder her –, aber dem Podium waren anscheinend Rollen gewachsen; er konnte es einfach nicht einholen.

Plötzlich war noch ein Elf an seiner Seite. Durch einen Tränenschleier sah Flint in Augen, die so blaß waren, daß sie wie durchsichtig wirkten. Das neue Gesicht wurde von ebenso farblosem Haar und der Kapuze einer scharlachroten Robe umrahmt. »Durch die Nase einatmen, durch den Mund aus«, sagte die Gestalt heiser.

»Aah«, krächzte Flint. »Uff!«

»Durch die Nase ein…«, wiederholte der Elf. Da der Zwerg sich sicher war, daß er sowieso sterben würde, folgte er einfach den Anweisungen des Elfen. »Haahh«, holte er Luft.

»… durch den Mund aus.«

»Puuuhh!« antwortete der Zwerg. Der Elf verstreute ein paar Kräuter und sagte Worte, die entweder Altelfisch waren oder Magie – oder beides. Flint ging es sofort besser. Mit dem leeren Kelch in der Hand lag er ausgestreckt auf den Stufen des Podiums. Im Saal befanden sich nur noch die Stimme, Lauralanthalasa, der junge Halbelf und der Zauberkundige, der den Zwerg gerettet hatte.

»Bei allem Respekt, Stimme, ich möchte meinen, daß unser Gast wohl kein zweites Glas wünscht«, erklärte der Elf, während er Flint auf die Beine half. »Elfenblütenwein ist wirklich nichts für normale Zungen.« Der Zwerg taumelte, und der Halbelf sprang vor und stützte ihn. Flint nickte ihm dankbar zu.

»Vielleicht würde Meister Feuerschmied diese Unterhaltung lieber zu anderer Zeit fortsetzen, Stimme«, meinte der Elf in der Robe höflich.

Solostaran zog die Augenbrauen hoch und betrachtete den Zwerg. »Vielleicht hast du recht, Miral«, erwiderte die Stimme.

»Umpf«, stieß Flint aus. »Es geht mir gut.« Er hustete und spürte, wie sein Gesicht blaß wurde. Der Zauberer schnipste mit den Fingern, und in seiner ausgestreckten Hand erschien dünn geschnittenes Quith-Pa. Flint kaute eine Scheibe Brot, während die Stimme das Elfenmädchen herbeiwinkte. Jetzt, wo nicht mehr Hof gehalten wurde, war Solostaran lockerer.

Das Mädchen, dessen Ohrenspitzen durch das feine, goldene Haar kaum zu sehen waren, nahm eine dünne Kette vom Hals. An einem Ende baumelte ein einzelnes, perfektes Espenblatt, das in dem goldenen Licht grün und silbern glitzerte. Obwohl es so natürlich wirkte, als hätte man es gerade erst von einem lebenden Baum gepflückt, bestand dieses Blatt aus Silber und Smaragd, die so kunstvoll verarbeitet waren, daß nur die Reflexe des Lichts darauf, die über das entzückte Gesicht des kleinen Mädchens tanzten, es von einem echten Blatt unterschieden.

Der Zwerg holte erstaunt Luft. Diese Bewegung ließ einen Pfirsichrülpser aufsteigen, was weiteres Gekicher von Lauralanthalasa zur Folge hatte. »Dieses Blatt habe ich vor sechs Monaten gemacht!« rief Flint aus und schluckte dann die letzten Krümel Quith-Pa herunter. »Ich habe es einem Elfen verkauft, der durch Solace kam.«

»Mein Gesandter«, sagte die Stimme. Flint wollte etwas sagen, aber die Stimme hielt eine Hand hoch. »Das Blatt ist in jeder Hinsicht perfekt. Kein Baum steht dem Herzen der Elfen näher als die Espe. Ich war entschlossen, den Künstler zu finden, der ein solches Gefühl mit seiner Arbeit umsetzen konnte. Und ich fand heraus, daß dieser Künstler kein Elf war, sondern ein Zwerg.«

Die Stimme hielt einen Moment lang inne. »Ihr müßt müde sein von der langen Reise«, sagte er. »Miral wird Euch Eure Zimmer zeigen.«

Solostaran sah zu, wie der Zwerg und der Zauberer den Raum verließen. Lange hatte man keinen Zwerg mehr in Qualinost gesehen. Zu lange. Die letzte Zeit war dunkel gewesen. Es schien immer noch wie gestern zu sein – nicht dreißig Jahre her –, daß man seinen Bruder Kethrenan ermordet hatte. Und das war nicht der letzte Überfall gewesen.

»Freundschaft…«, wiederholte Solostaran. Die Welt konnte ein bißchen mehr Freundschaft gebrauchen.

Die Straßen der Elfenstadt breiteten sich vor Flints Füßen aus. Bevor Miral ihn in sein Zimmer führen würde, hatte Flint darum gebeten, daß er ihm einen Ort zeigte, von wo aus er mehr von der Stadt sehen konnte. Der Elf hatte ihn durch die gepflasterten Straßen geführt, an Gebäuden aus Marmor und Rosenquarz vorbei, deren Kristalle das Licht brachen, so daß alles in berauschenden Farben erstrahlte.

Espen, Eichen und Fichten umgaben die Gebäude, und die Häuser von Qualinost sahen dazwischen richtig lebendig aus, als würden sich ihre Wurzeln tief in die Erde bohren. In den Höfen, wo sich Frauen in hauchdünnen, silbernen Kleidern und Männer in moosgrünen Westen leise unterhielten oder wo sie der Musik von Zymbal und Flöte lauschten, sprudelten Springbrunnen. Die Luft war warm und klar, ihre Berührung sanft wie zu Mittsommer, obwohl Flint wußte, daß der Winter gerade erst vergangen war.

Während er das alles betrachtete, senkte sich die Sonne im Westen, und der rote Sonnenuntergang verschmolz mit den rosigen Tönen des lebenden Steins und tauchte die Stadt in rosafarbenes Licht. Die blauen und weißen Pflastersteine auf den Straßen nahmen eine purpurne Tönung an. In der Luft hing der Duft von frischgebackenem Quith-Pa und Wildschmorbraten, und nur wenige Elfen hatten so viel zu tun, daß sie nicht vor die Haustür kamen und sich am Ende des Tages erfreuten.

Der Blütenduft bekam dem Zwerg noch immer nicht, aber er beschloß, ihn zu ignorieren.

Miral führte ihn zu einer Straße, die sich in Schleifen einen Hang in der Mitte der Stadt hochschlängelte. Die Straße endete auf einem großen Platz, dem Himmelssaal. Seine Wände waren nur die blassen Stämme der Espen, sein einziges Dach der blaue Dom des Himmels. »Das ist ein Saal?« fragte Flint, nachdem der Zauberer ihm den Namen genannt hatte. »Da fehlt doch das Dach.«

Miral grinste. »Der Himmel ist das Dach, sagen wir, auch wenn manche glauben, daß es hier einst einen Saal gab, der etwas unermeßlich Wertvolles beschützte. Der Legende nach hat Kith-Kanan das Bauwerk an den Himmel gehoben, um das zu schützen, was darin war.« Versonnen atmete er die Pfirsichblütenluft ein. »Es heißt, wer das Bauwerk findet, wird großen Erfolg haben.«

»Das ist nicht zu verachten«, stimmte Flint zu.

Miral warf ihm einen Blick zu. Nach einer Pause lachte er kurz. Die beiden betrachteten Qualinost, das zunehmend von Zwielicht verhüllt wurde. Überall gingen hinter den ungewöhnlichen Glasfenstern der Elfenhäuser die Lichter von Lampen an.

Vom Himmelssaal aus, dem Mittelpunkt von Qualinost, konnte Flint den größten Teil der alten Stadt sehen. Vier Türme erhoben sich in jeder Himmelsrichtung über die Baumkronen, und dazwischen erstreckte sich je ein zarter Metallbogen, eine Brücke, die die einzelnen Türme hoch über dem Erdboden in einem einzigen Bogengang verband. Die vier Bögen schimmerten selbst jetzt noch, wo die Sonne verschwunden war. Flint wußte, daß jeder stark genug war, das Gewicht einer ganzen Armee zu tragen, und ihm blutete das Herz, als er die Kunst der alten Zwerge bewunderte, die das gebaut hatten. Er fragte sich, ob Krynn jemals wieder etwas so Großartiges sehen würde. Genau im Norden, auf einem Hügel, noch höher als jener, auf dem sie gerade standen, erhob sich der Sonnenturm so hoch, daß Flint den Eindruck hatte, daß man von dort oben nur die Hand ausstrecken mußte, um den Himmel zu berühren. Der Turm war so hoch, daß seine goldenen Mauern die im Westen versunkene Sonne noch reflektierten, als die anderen Gebäude längst von den Schatten verschluckt waren.