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Vielleicht war heute abend ein Krug Bier angebracht – für Flint die schönste der kleinen Freuden des Lebens. Mit diesem Gedanken im Kopf öffnete er die Haustür und wollte eintreten, wobei er die Rose in seinen Fingern drehte.

»Autsch!« sagte Flint auf einmal und ließ die Rose fallen. Er hatte sich an einem Dorn gepiekst und steckte den Finger in den Mund, um an dem Stich zu saugen. »So viel also zu den kleinen Freuden«, schmollte er, den verwundeten Finger noch im Mund. Dann bückte er sich, um die Rose aufzuheben, diesmal aber auf die Dornen zu achten.

Als er sich gerade wieder aufrichten und hineingehen wollte, fiel ihm etwas auf. Es war ein dünner, schwarzer Faden, der etwa einen Schritt weit von der Tür entfernt im Raum lag. Da Flint normalerweise auf einen sauberen – wenn auch nicht aufgeräumten – Laden Wert legte, griff er nach dem Faden, um ihn aufzuheben.

Der Faden schien irgendwo festzuhängen.

»Zum Kuckuck!« schimpfte er und zog fester.

Plötzlich klickte etwas leise, und aus purem Überlebensinstinkt warf sich Flint mit dem Gesicht nach unten auf den Boden. Noch im Fallen sah er etwas Helles durch den Raum zischen. Es raste über seinen Kopf hinweg und blieb deutlich hörbar in der Holztür stecken.

Flint schluckte. Er zwang sich, herumzurollen und – immer noch liegend – die Tür hinter sich zu untersuchen. Tief im Eichenholz, genau auf Brusthöhe eines stehenden Zwergs, steckte ein Dolch mit Ledergriff.

»Reorx!« flüsterte Flint. Vorsichtig erhob er sich auf die Beine, wobei er auf jedes plötzliche Geräusch achtete, das vielleicht einen zweiten Angriff ankündigte. Seine Knie zitterten, obwohl er ihnen befohlen hatte, das zu lassen. Er griff nach dem Dolch und zog ihn aus der Tür. Seine Spitze glänzte bösartig im schwächer werdenden Tageslicht. Wenn er in den Laden gekommen und mit dem Stiefel auf den Faden getreten wäre, wäre der Dolch nicht in die Tür, sondern in Flints Herz gedrungen.

Warum sollte ihn jemand umbringen wollen?

Flint drehte sich um und wollte über den Faden in seinen Laden gehen, doch genau in dem Moment gab es ein leises Schnappen, das den Zwerg an einen einrastenden Mechanismus erinnerte.

Bevor er auch nur aufschreien konnte, sauste ein weiterer Dolch durch die Luft direkt auf den Zwerg zu.

»Flint, du alter Türknopf«, sagte er heiser und taumelte rückwärts gegen die Tür, wobei er das Messer umklammerte, das sein blaßblaues Hemd an der Schulter durchbohrt hatte. Blut sickerte ihm durch die Finger und befleckte den Stoff. »Das hättest du dir doch denken können…«

Er sackte gegen die Tür und rutschte stöhnend auf den Boden. »Du alter Türknopf…«, flüsterte er noch einmal. Dann fielen ihm die Augen zu. Als die Nacht ihren Mantel über die Stadt breitete, lag Flint reglos da.

22

Rettung naht

»Flint! Kannst du mich hören?« Tanis rüttelte den Zwerg vorsichtig, dann stärker, doch Flint rührte sich nicht. Seine Hand lag immer noch um den Dolch. Die Finger waren dunkel von geronnenem Blut.

»Flint!«

Tanis schüttelte den Zwerg ein letztes Mal, woraufhin Flint plötzlich laut stöhnte. Tanis atmete erleichtert auf.

»In Reorx’ Namen«, stöhnte Flint schroff, »kannst du einen armen, toten Zwerg nicht in Ruhe lassen?«

Tanis legte Flint den Arm unter den Kopf und half dem Zwerg, sich aufzusetzen, damit er leichter atmen konnte.

»Flint«, sagte der Halbelf freundlich, »du bist nicht tot.«

»Wer hat dich denn gefragt«, fragte Flint gereizt, aber schwach. »Jetzt laß mich hier liegen, damit ich in Frieden sterben kann, ja? Dieses ganze Gerüttel macht mir Kopfschmerzen.« Der Zwerg stöhnte wieder und sank in Tanis’ Arm zurück. Ein erleichtertes Grinsen ging über das Gesicht des Halbelfen.

»Du kannst nicht ernstlich verletzt sein«, flüsterte der Halbelf. »Du beklagst dich ja noch.«

Behutsam, damit die Wunde nicht wieder anfing zu bluten, hob Tanis Flint hoch und legte den Zwerg so vorsichtig wie möglich auf sein Feldbett. Er untersuchte die Wunde, beschloß dann, daß er den Dolch nicht ohne Hilfe entfernen wollte, und lief los, um jemanden zu holen.

Vor dem Laden kämpfte er mit sich, wer das sein sollte – Miral oder Eld Ailea. Miral war vollauf mit Kentommen-Vorbereitungen beschäftigt, aber der Turm lag näher als das Haus der Hebamme im Westteil. Das gab den Ausschlag.

Zehn Minuten später kehrte Tanis rennend mit dem keuchenden Magier im Schlepptau zurück. Bald hatten Tanis und Miral den Zwerg mit einigen Kissen abgestützt und das Messer entfernt. Flints Atem ging leichter.

»Keine Ärzte«, murmelte er. »Zu spät.« Wie von ferne sprach er: »Ich sehe schon Reorx’ Schmiede.«

»Das ist deine Schmiede, Flint«, sagte Tanis.

»Du kannst einem wirklich auf die Nerven gehen«, nörgelte der Zwerg.

»Hier«, sagte Miral, der hinter Tanis stand. Er reichte dem Halbelfen eine dampfende Tasse. Auf dem Wasser trieben kleine Blättchen. »Laß ihn das trinken.«

Tanis hielt Flint die Tasse unter seine Knubbelnase, damit der Zwerg daran schnüffeln konnte. Es roch nach bitteren Mandeln. »Das ist aber kein Bier«, meinte er anklagend.

»Stimmt«, sagte Miral. »Aber das hier ist besser für dich.«

»Unmöglich«, schmollte der Zwerg. Trotzdem holte er tief Luft und leerte den Becher.

Als Miral gerade dabei war, die Wunde zu säubern und zu verbinden, traf Eld Ailea ein, die einer der Kentommen-Artisten geholt hatte, den Tanis mit einer Stahlmünze bestochen hatte. Die Dolchwunde erwies sich als relativ leicht zu versorgen, auch wenn Flint die Sache erschwerte, indem er die ganze Zeit herumschimpfte und zappelte. Überraschenderweise schien ihn die Versorgung eher zu ärgern, als daß sie ihm Schmerzen bereitete. Miral krempelte die Ärmel bis zu den Ellbogen hoch, seifte seine Unterarme ab und verschloß die Wunde mit sieben Stichen – begleitet von sieben Zwergenflüchen und sieben an Eld Ailea gerichteten Zwergenentschuldigungen. Dann trug Miral eine walnußgroße Portion Salbe auf und verband die behaarte Zwergenbrust mit einer weichen Leinenbandage.

»Es geht mir gut!« rief Flint schließlich. »Jetzt hör aber auf!«

Daraufhin erklärte Miral den Zwerg für halbwegs wiederhergestellt und wollte wieder zum Turm zurückkehren. Der Magier krempelte seine Ärmel wieder herunter. Seine rechte Hand war fast verheilt, aber die Finger, die ihre Nägel verloren hatten, sahen immer noch häßlich aus.

»Ich muß eine Schauspielertruppe abhören, die die Menge mit den letzten Worten von Kith-Kanan unterhalten will«, sagte er und zog eine Grimasse.

»Was ist schlecht daran?« fragte Tanis.

»Ich bin mir nicht sicher, daß er welche gesagt hat«, erklärte der Magier mit einer neuerlichen Grimasse. Miral gab Tanis ein Kuvert mit Kräutern und trug ihm auf, dem Zwerg stündlich daraus eine Tasse Tee zu kochen und es ihm einzuflößen, »und wenn du ihn dazu festbinden mußt.«

»Wenn er sich zu sehr anstellt, dann misch es ihm ins Bier«, flüsterte Miral Tanis an der Tür zu.

»Ich verspreche, daß ich mich anstellen werde!« schrie Flint vom Feldbett herüber, wo Eld Ailea erfolglos versuchte, ihn zum Schlafen zu bringen. Daraufhin ging der Magier.

Eld Ailea versuchte, Flint mit einem Wiegenlied zu beruhigen, das bei Kindern ihrer Aussage nach Wunder wirkte. Er war sich nicht so sicher, wie er das zu verstehen hatte, lauschte aber ihrer warmen Altstimme, als sie die alte Melodie anstimmte.

»Schlafe, schlafe, kleiner Elf«, sang sie, »schlaf bis zum Morgen bei den Sternen, kleiner Elf. Reite durch die Wälder, reite durch die Bäume, erwach morgen früh mit einem Lächeln, kleiner Elf. – Das ist ein sehr altes Lied. Meine Mutter hat es mir schon vorgesungen«, sagte sie und schaute dann zu Tanis, der die Falle untersuchte, die die Dolche geworfen hatte. »Und ich habe es dir und Elansa vorgesungen, als du erst ein paar Minuten alt warst, Tanthalas.«

Tanis lächelte. »Ich wette, es gefiel mir damals genausogut wie heute«, sagte er.