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Irgendwann brannte jedoch sein Kerzenstummel herunter. Flint jaulte, als die Flamme seinen Finger verbrannte und das letzte bißchen Kerze ihm über die Hand floß und zischend in einer Pfütze landete, wo es verlosch. Schnell und leise schloß sich die Dunkelheit um den Zwerg, als wenn hier nie ein Licht gewesen wäre.

»Verdammt!« fluchte Flint leise, während er an seinem verbrannten Finger saugte. Er wußte instinktiv, daß er kurz vor einem Ausgang war; erst vor einer Minute war er ganz sicher gewesen, daß er einen etwas frischeren Luftzug wahrgenommen hatte. Aber er konnte kaum etwas tun. Weil er merkte, wie erschöpft er inzwischen war, beschloß er, daß es nichts schaden könnte, die Augen ein wenig auszuruhen und dabei über einen Ausweg aus seiner Lage nachzudenken. Vielleicht würden sogar seine Kleider etwas trocknen.

Die Schatten waren beängstigend, aber Flint verdrängte jeden Gedanken daran. Sie hatten ihn bis jetzt in Ruhe gelassen, deshalb kauerte er sich an eine Wand. Obwohl er die Augen nur ganz kurz zumachen wollte, fiel der Zwerg rasch in tiefen Schlaf.

Zunächst fast unmerklich ließ die Dunkelheit am Horizont etwas nach, wie der Halbelf feststellte. Langsam verblaßten die Sterne, und ein schwaches Licht kroch am Horizont in den Himmel.

Durch den lautstarken Besuch von Windsbraut war Gilthanas etwas wach geworden, um dann aus der Bewußtlosigkeit in Schlaf zu wechseln. Tanis, der jetzt zu erschöpft war, um noch einzudösen, konnte nur noch zusehen, wie das Licht allmählich zunahm, bis sich irgendwann die Sonne über den fedrigen Morgenwolken erhob und sie wie ein rotes Auge ohne jedes Zwinkern ansah. Die Schlucht unter ihnen lag in silbrigem Nebel.

Drüben im Osten hörte Tanis die Trommel, die das Zeichen gab, daß die drei Ulathi den Turm verlassen hatten, um Porthios im Hain abzuholen. Dort würden sie ihn in eine graue Robe kleiden, in genauso eine wie die von Gilthanas, und ihn zum Melethka-Nara, der Prüfung der Fragen, der Kritik und des Anstachelns, in den Palast führen.

Tanis sah die dreißig Fuß hohe Klippenwand empor. Im zunehmendem Licht sah es so aus, als ob ein wendiger Kletterer sich mit Hilfe der Felsspalten und der Wacholdersträucher den Fels hochschieben könnte. Er hoffte nur, daß sein Cousin ihm folgen konnte.

Das erste, was Flint beim Aufwachen merkte, war, daß er sehen konnte. Gerade so eben, gut, aber es gab ein schwaches, blaßgraues Licht, das ausreichte, ihn ungefähr die Umgebung in dem Raum erkennen zu lassen, wo er gerade war.

Flint stöhnte, als er aufstand und sich streckte. Er mußte mehrere Stunden geschlafen haben. Die Schatten wirkten jetzt weniger bedrohlich. Was auch immer die Quelle des grauen Lichts war, sie schienen es zu fürchten. Das Licht war zwar blaß, aber nicht unheimlich, nicht so wie das von den Fischen, die er anfangs entdeckt hatte. Daher wurde dem Zwerg leichter ums Herz. Flint suchte den Raum ab, weil er sich fragte, wo das Licht herkam, bis er es plötzlich sah.

Genau über der Stelle, an der er sich zum Schlafen zusammengerollt hatte, war ein winziger Riß in der Steinwand. Der Zwerg wußte, was das bedeutete. Das Licht war Tageslicht, und irgendwo hinter dieser Wand ging es nach draußen.

Flint untersuchte den Riß. Die Linien waren kaum wahrnehmbar, aber Flint grunzte. Er war sich sicher, daß das hier einmal ein Fenster gewesen war. Wahrscheinlich hatte man es aus irgendeinem Grunde zugemauert. Flint konnte ungefähr den Umriß der verschlossenen Öffnung erkennen.

Er nahm den schweren Hammer zur Hand, der immer noch treu in seinem Gürtel steckte, und schlug mit all der Kraft des Schmieds gegen den Stein. Der erbebte, und Flint knurrte zufrieden, als er sah, daß der Riß länger geworden war. Er holte wieder aus, dann ein drittes Mal. Der Spalt wurde breiter, und ein zweiter kam dazu, der einen dünnen Lichtstrahl hereinfallen ließ. Das machte dem Zwerg Mut, so daß er die Wand ernsthaft zu bearbeiten begann. Zum Glück war die Mauer nicht dick, und der eine Riß war ein Zeichen für die Schwäche des Gesteins gewesen. Die Hast, mit der dieses Fenster einst versiegelt worden war, wirkte sich jetzt eindeutig zu Flints Vorteil aus. Hätten die Handwerker beim Bau der Wand ihre ganze Kunst eingesetzt, so wäre Flints Hammer gegen die Steine so nutzlos gewesen wie eine Weidengerte.

Schon nach einer Minute lösten sich Steinbrocken aus der Wand. Der Riß wurde zu einem Loch, bis plötzlich der ganze Einbau nachgab und vor Flint zusammenbrach. Die Steine kullerten zur Seite, während Licht in den Raum strömte und die Schatten in die tieferen Winkel der Gänge zurücktrieb.

Triumphierend steckte Flint seinen bärtigen Kopf durch das Loch, doch – sein Triumph verflog, denn er befand sich am Boden eines weiteren Steinschachts.

Wieder gab es nur den Weg nach oben.

Es gab nur den Weg nach oben, dachte Tanis, als er die Klippe hinaufstarrte. Neben ihm regte sich Gilthanas endlich und schlug die Augen auf. Seine eine Kopfseite war gerötet und wies eine eigroße Beule auf, doch sonst schien er unverletzt zu sein.

»Tanis!« entfuhr es ihm. Erst malte sich Erleichterung, dann Ärger auf seinem Gesicht. »Du hast dich dem Urteil der Stimme widersetzt!«

»Ich bin gekommen, um dich zu retten«, sagte Tanis, während die Trommeln in Qualinost wieder zum Melethka-Nara riefen.

Gilthanas setzte sich mühsam auf, wobei der Felsvorsprung erzitterte. »Die Trommeln!« sagte er mit Panik in den Augen. »Ich muß zum Kentommen-Tala zurück sein.« Seine Bewegungen brachten ihn gefährlich nah an den Rand des Vorsprungs, so daß Tanis seinen Cousin am Arm festhielt und zurückzog. Zu der Erleichterung und dem Ärger, die im Gesicht der blonden Wache miteinander kämpften, gesellte sich jetzt Furcht.

»Glaubst du, daß du da hoch kommst?« Tanis zeigte auf die dreißig Fuß hohe Felswand über ihnen. »Oder soll ich dich hier lassen und Hilfe holen?«

»Mich hierlassen?« wiederholte Gilthanas, der aufsprang und an den Fels griff. »Ich würde meine Pflicht versäumen, wenn ich dich entkommen ließe.«

»Entkommen?« murmelte Tanis. Der Felsvorsprung, der sich durch ihre Bewegungen weiter gelockert hatte, erzitterte wieder.

Aber der Ruf der Pflicht schien der jungen Wache Kraft gegeben zu haben, denn Gilthanas hielt sich wacker, als er die Klippe hochkletterte, obwohl seine knöchellange Robe ihn doch ziemlich behinderte. Irgendwann stopfte Gilthanas sich den Saum der Robe in den Gürtel, um leichter klettern zu können. Dadurch konnte Tanis jedoch nicht so schnell von dem Vorsprung verschwinden, der immer mehr nachgab. Nervös wartete Tanis, bis Gilthanas über Kopfhöhe des Halbelfen war. Dann folgte er ihm, wobei er sich mit Händen und Füßen an denselben Stellen festhielt wie sein Cousin.

Was in der nächtlichen Finsternis hoffnungslos gewirkt hatte, erwies sich bei Tageslicht als anstrengend, aber durchaus zu schaffen.

Eine halbe Stunde später half Gilthanas Tanis über den Rand des Abgrunds. Dabei löste sich ein größerer Felsen, der mit einem knirschenden Geräusch über den Rand rollte und auf den Vorsprung prallte, auf dem die beiden die Nacht verbracht hatten. Das Felsstück knackte, senkte sich dann weiter und brach allmählich von der Klippe ab. Durch die klare Luft sauste es nach unten in den Fluß.

In der Ferne schwollen die Trommeln ein letztes Mal an, um dann zu verstummen.

»Das Melethka-Nara hat angefangen«, sagte Gilthanas. »Porthios ist in dem Raum unter dem Palast. Jetzt beginnt das Verhör. Ich habe drei Stunden Zeit, bis ich im Gang zwischen der unterirdischen Kammer und dem Turm sein muß.« Aber immer noch stand Gilthanas schweigend da und blickte nach Westen. Tanis wußte, daß er in Gedanken bei seinem Bruder in der Kammer war.

»Gilthanas«, sagte Tanis. »Hast du das Gesicht des Angreifers gesehen?«

Der Elf riß seine Aufmerksamkeit von Qualinost los und sah Tanis an. Dann schüttelte er den Kopf und machte sich zu dem Pfad an der Klippe auf. »Es war dunkel. Er hatte eine Kapuze. Hast du ihn gesehen?«