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»Vielleicht wird es wirklich Zeit, nach Solace heimzukehren«, sagte er leise, während sich ein Hauch von Traurigkeit über sein Gesicht legte.

Genau in diesem Moment hörte er rechts vor der Tür einen Bums, dem ein schnell ersticktes »Oh!« folgte. Er blieb nur einen Herzschlag lang stehen; dann schlich er sich auf Zehenspitzen zum Tor. Plötzlich sprang er aus dem Eingang, brüllte »Bei Reorx’ Donnerschlag! Zum Angriff!«, wobei er das geschnitzte Eichhörnchen wie eine Streitaxt schwenkte. Mit dem Schrei »Tanis, Hilfe!« verschwand eine gertenschlanke Gestalt mit aschblonden Locken zwischen den Birnbäumen und Espen. Ihr türkisblauer Spielanzug spiegelte den dunkler werdenden Himmel der Dämmerung wider.

»Lauralanthalasa!« rief Flint lachend. »Laurana!« Aber die Tochter der Stimme war verschwunden.

Das Elfenmädchen hatte nach Tanis gerufen, aber Flint sah keine Spur von dem Halbelfen. Aus Lauranas Ruf zu schließen, war Tanis’ Bogenstunde bei Tyresian schon vorbei.

Lächelnd kehrte Flint in sein Geschäft zurück. Als er wieder herauskam, grinste er immer noch. Er warf die Tasche über die Schulter und trat auf die Straße. Mitten in Qualinost, am Fuß des Hügels mit dem Espenhain, der den Himmelssaal umgab, war ein offener, quadratischer Platz. Es war ein sonniges Fleckchen, das auf der einen Seite von einer Baumreihe begrenzt wurde, die anscheinend speziell zum Klettern angepflanzt worden war, auf der anderen Seite von einem kleinen Bach, der in eine Reihe grüner Teiche plätscherte. Dazwischen war reichlich Platz zum Rennen und Toben und für alle möglichen Spiele. Es war der perfekte Platz für Kinder.

Die Sonne berührte bereits den Horizont, als Flints Schritte ihn zu dem Platz führten. Dutzende von Elfenkindern in Baumwollanzügen, die an Hals, Handgelenken und Knöcheln zugebunden waren, hielten mit ihren Spielen inne, als der untersetzte Zwerg über den Steg und auf die Lichtung tapste. Die Kinder starrten ihn an. Keines wagte, die Stille zu brechen. Flint blickte finster drein. Seine buschigen Augenbrauen waren fast bis über seine stahlblauen Augen heruntergezogen, und dann schniefte er, als wären die Kinder jemand, um den man sich kaum zu kümmern brauchte. Er lief über den Platz und drehte all den fragenden Augen den Rücken zu.

Schließlich rannte ein Elfenmädchen in Türkis vor, um den Zwerg am Ärmel zu zupfen. Flint fuhr herum. Seine Augen blitzten auf, wie wenn Feuerstein auf Stahl trifft. Aha! dachte Flint, der seinen finsteren Ausdruck beibehielt. Also wirklich Laurana. »Du!« rief er aus. Die anderen Kinder wurden blaß, aber Laurana war mutiger. Er fuhr fort: »Hast du mir hinterherspioniert?«

Laurana legte den Kopf schief, so daß eine Ohrspitze aus ihren wilden Locken herausragte: »Ja, natürlich«, sagte sie.

»Was willst du?« fauchte er. »Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit. Manche Leute müssen arbeiten, weißt du, anstatt immer nur zu spielen. Ich muß einen sehr wichtigen Auftrag zum Turm bringen, und es ist schon fast Sonnenuntergang.«

Das Elfenmädchen kaute auf seiner rosa Unterlippe. »Der Turm liegt aber in der anderen Richtung«, sagte sie schließlich, wobei ihre grünen Augen funkelten.

Enorme Selbstbeherrschung, fand Flint, für ein kleines Mädchen. Muß das königliche Blut sein. Oder vielleicht war es auch die Gestalt von Tanis, der im Hintergrund herumstand, die Laurana Mut verlieh.

»Und?« wollte er noch einmal wissen. »Was willst du von mir?«

»Mehr Spielzeug!«

Flint guckte erstaunt. »Spielzeug? Wer hat denn Spielzeug?«

Sie fing an zu kichern und zog an seinem Ärmel. »Im Sack. Du hast Spielzeug im Sack, Meister Feuerschmied. Gib’s zu. Es stimmt wirklich.«

Er grummelte: »Unmöglich.« Aber die Rufe der anderen Kinder – »Ja«, »Spielzeug«, »Letztes Mal habe ich einen geschnitzten Minotaurus bekommen«, »Ich will ein Holzschwert« – übertönten seine Antwort. Wie ein bunter Schwarm umschwirrten sie ihn. »Na gut, na gut«, brummte er laut. »Ich schau mal nach, aber der Sack ist bestimmt voll Kohlen. Das hättet ihr auch verdient.« Er spähte hinein, wobei er den Inhalt vor den näher rückenden Kindern verbarg.

Etwa zwanzig Fuß weiter seufzte Tanis laut und suchte sich einen anderen Birnbaum zum Anlehnen. Sein Gesicht trug den gelangweilten Ausdruck des Heranwachsenden zur Schau – auch wenn er dablieb.

»Krumme Nägel«, sagte Flint, der in dem Sack herumwühlte. »Das hab ich hier drin. Und verrostete Striegel und alte Hufeisen und einen vier Wochen alten Laib Quith-Pa. Mehr nicht.«

Die Kinder warteten, daß Laurana weiterbohrte. »Das sagst du immer«, stellte sie fest.

»Na schön«, seufzte er. »Hier ist ein Vorschlag. Steck deinen Arm in den Sack und zieh dir was raus.«

Sie nickte. »Gut.« Dann legte sie eine Hand an die Öffnung. »Aber nimm dich vor dem kleinen Seedrachen in acht«, warnte der Zwerg. »Er beißt.«

Sie riß ihre schlanke Hand zurück und funkelte Flint wütend an. »Soll ich mal?« bot der schließlich an.

Laurana nickte wieder.

Er zog etwas tief aus der Ecke seines Beutels, wobei ein triumphierendes Grinsen auf seinem Gesicht stand. Sie hielt die Luft an und klatschte in die Hände. Auf einmal war sie nicht mehr Prinzessin und Tochter der Stimme, sondern ein gewöhnliches Elfenmädchen. Immer noch stirnrunzelnd legte er ihr den Gegenstand in die Hand.

Es war eine Flöte, nicht länger als die Handfläche des Mädchens, aber in jeder Hinsicht perfekt. Sie war aus einem Stück Vallenholz geschnitzt, das Flint den ganzen Weg von Solace mitgebracht hatte. Er wußte, ihr Ton würde süßer sein als von jedem anderen Holz, und als Laurana die Flöte an die Lippen setzte, zeigte sich, daß er recht hatte. Die Töne, die herausperlten, waren so klar wie das Wasser im Bach.

»Oh, danke!« rief Laurana aus und rannte hinüber zu Tanis, der sich hinunterbeugte, um ihren Schatz zu begutachten. Lauranas Bruder, der Elfenjunge Gilthanas, und die anderen Elfenkinder drängten sich um Flint und bettelten ihn an, doch bitte nachzusehen, ob auch für sie etwas in dem Sack wäre.

»Jetzt hört aber auf zu schubsen«, knurrte Flint, »sonst verschwinde ich nämlich lieber gleich wieder, klar?« Und trotz seiner Griesgrämigkeit besaß bald jedes Kind auf dem Platz ein herrliches, neues Spielzeug. Es gab kleine Musikinstrumente wie Lauranas Flöte, kleine Marionetten, die auf der Handfläche tanzen konnten, Spielzeugwagen, die von bemalten Pferdchen gezogen wurden, und Holzscheiben, die man mit einem Finger an einer Schnur auf und ab rollen konnte.

Alle Spielzeuge waren aus Holz, jedes einzelne liebevoll am Feuer geschnitzt. Wochenlang arbeitete Flint in seiner freien Zeit daran und füllte den Wandschrank. Und wenn es dann genug waren, fand er eine Ausrede, um über den Platz zu spazieren. Natürlich würde er niemals zugeben, daß es kein Zufall war, der ihn dort entlangführte, wenn er gerade zufällig den Sack voll Spielzeug dabeihatte. Bei so einer Unterstellung würde er nur grimmig brummen.

Als er den leeren Sack zusammenfaltete, überblickte er die versammelten Kinder. Der Zwerg sah auch Tanis, der jetzt abseits von den anderen an einem Teich hockte. Er saß im Schneidersitz da und starrte schweigend ins Wasser. Mitten in dieser ganzen elfischen Lieblichkeit hatte Tanis mit seinen menschlichen Zügen etwas an sich, das Flint sehr vertraut vorkam. Die Elfen waren ein gutes Volk, aber hin und wieder merkte er, wie seine Gedanken zu den Zeiten wanderten, die er mit nicht ganz so distanzierten Leuten verbracht hatte. Jedenfalls war er schon vier oder fünf Mal so zum Platz gekommen, und immer hatte Tanis sich von den anderen Kindern ferngehalten, wenn der Zwerg das Holzspielzeug verschenkt hatte. Tanis war allmählich zu alt für Kinderkram, aber dennoch… Er war auch noch nicht erwachsen. Immerhin hatte Tanis ein gewisses Interesse gezeigt. Fast jedesmal hatte der Junge den Zwerg mit seinen nicht ganz elfischen Augen beobachtet, als wollte er ihn genau studieren. Flint hatte den Jungen herbeigewinkt, aber er kam nie. Er schaute ihm einfach weiter nachdenklich zu, und wenn der Zwerg sich wieder nach ihm umsah, war er fort.