Выбрать главу

Bayard wäre mit jedem einzelnen leicht fertig geworden. Er hatte seinen Mantel über einen Busch geworfen und stand im strömenden Regen nur in seiner Ledertunika vor ihnen. Das gezogene Breitschwert ruhte locker in seiner rechten Hand, ein kurzer, doch gefährlich aussehender Dolch in der linken.

Er hätte es auch mit zweien von ihnen aufnehmen können, vielleicht auch mit dreien, wenn er sich ein bißchen angestrengt hätte. Sechs hingegen waren eine zu starke Übermacht, und das schienen sie zu wissen, denn beim Überqueren der Straße verteilten sie sich und bildeten einen großen, ungleichmäßigen Kreis um ihn.

Bayard tat mir leid. Gleichzeitig kletterte ich auf einen höheren Ast.

»Ritter von Solamnia?« fragte einer von ihnen – nicht der größte, aber bestimmt der, der am verwegensten aussah, denn er hatte einen Glatzkopf, über den sich eine riesige, rote Narbe bis zur Mitte hinunter zog, Trophäe von weiß Gott welchen Plünderungen. »Ihr habt doch gerade ›Ritter von Solamnia‹ gesagt, nicht wahr, Sir?«

»Und wenn?« fragte Bayard, der sich langsam und elegant im Uhrzeigersinn drehte, nacheinander jeden einzelnen Gegner fixierte, zum nächsten überging und dann den musterte, als er die Richtung änderte und sich gegen den Uhrzeigersinn bewegte. All das erfolgte langsam wie in einem altehrwürdigen Ritual oder Tanz. Und die ganze Zeit redeten Bayard und der Narbenschädel vorsichtig miteinander, während die Bauern dem sich drehenden Ritter immer näher kamen.

»Nun, wenn das so ist, Sir«, antwortete Narbenschädel, während er seine Axt so leicht wie eine Angelrute schulterte, »wenn das so ist, dann habt Ihr meine Frage vielleicht ein wenig mißverstanden, denn Ritter von Solamnia sind in dieser Gegend nicht willkommen. Vielleicht seid Ihr eine andere Sorte Ritter, oder vielleicht seid Ihr von einem anderen Orden, von dem ich und meine Männer noch nichts gehört haben und dem wir keine üblen Gefühle entgegenbrächten, versteht Ihr? Karrock?«

Er nickte dem Mann zu seiner Linken zu, augenscheinlich Karrock. Ein großer, brutal aussehender Mann, dessen Haar so rot wie meines war und der Bart etwas dunkler. Eine merkwürdige Zusammenstellung, die man oft bei Menschen unseres Typs findet. Karrock bewegte sich langsam, jedoch eindeutig auf das Packpferd zu und streckte seine Hand nach den Satteltaschen aus.

»Ich würde genau da stehenbleiben, wenn ich du wäre«, schnappte Bayard, während er gleichzeitig auf Schwertlänge Abstand zu dem großen Mann hinsprang. Die Bauern erstarrten. Bayard drehte sich zu Narbenschädel um.

»Hör auf, wie ein Philosoph um Namen herumzutanzen, Mann. Wenn es einen Grund gibt, warum ich meinen Dienst für die Orden von Solamnia verbergen sollte, möchte ich ihn jetzt wissen, damit ich eure Irrtümer ausräumen kann.«

»Ich glaube, der hier meint, was er sagt, Meister Goad«, flüsterte Karrock Narbenschädel zu, während er einen Schritt von der Stute zurückwich. »Ich wollte nur in der Miliz mitmachen und mich nicht mit Fanatikern herumschlagen.«

»Wir sind sechs gegen einen«, erwiderte Goad, wobei er mit seiner Axt auf die Männer rechts zeigte, die enger zusammengerückt waren, und auf Bayard, der zwischen Molasses und das Packpferd schlüpfte. »Und du hast gesehen, was sein Orden dem Dorf angetan hat.«

»Drum bin ich hier, Sir«, nickte Karrock.

»Ich meine«, lachte Goad kalt in Richtung auf Bayard, »ich kann vielleicht nicht lesen, aber ich kann zählen. Und selbst ein Ritter von Solamnia kann begreifen, daß in Zahlen eine gewisse Philosophie liegt.«

»Miliz?« Bayard entspannte sich etwas, auch wenn ich an seinen Schultern sah, daß er ein Auge auf die Männer hatte, die links von Goad anrückten. »Dann beschützt ihr also euer Dorf? Wovor?«

»Vor Rittern von Solamnia, wie Ihr einer seid, Sir, die glauben, daß eine Rüstung und eine reiche Familie ihnen gewisse… Freiheiten gestatten, die sich nicht einmal der alte Königspriester von Istar herausnehmen dürfte. Wir hatten erst vor kurzem Besuch von einem Eurer Ordensbrüder…«

Ich umarmte den Ast, auf dem ich lag, und sprach ein stilles Gebet. Aber ich achtete darauf, daß das Gebet wirklich völlig still blieb – nicht einmal geflüstert oder gehaucht. Denn Karrock hatte wieder Mut gefaßt, trat wieder zu der Stute und wollte gerade neugierig die Segeltuchdecke von ihrem Rücken ziehen.

In den Religionsstunden, die ich so oft wie möglich geschwänzt hatte, hatte Gileandos mir beigebracht, daß die Götter mitunter unerwartete Antworten auf unsere Gebete haben.

Denn Molasses war ja alt. Er kam nicht nur in die Jahre, wie das ein Mann von sich sagt, der sechzig oder gar siebzig wird. Molasses war über dreißig Jahre alt. Vater hatte ihn ungefähr zu Alfriks Geburt auf die Weide entlassen. Molasses war älter als ehrwürdig, älter als uralt, er war eher schon ein Fossil. Bedenkt man, daß sich seine Abenteuer in den letzten zehn Jahren darauf beschränkt hatten, kleine Kinder in einem immer enger werdenden Kreis durch den Hof der Wasserburg zu tragen, und daß die einzige Gefahr der letzten zwanzig Jahre eine fünfzig Meter entfernte Beißerei von Hunden gewesen war, die ein flinker Stallbursche sofort unterbunden hatte, kann man verstehen, warum die Situation dem armen Pferd etwas bedrohlich vorgekommen sein mag.

Vielleicht kann man verstehen, warum er tot umfiel.

Es war einfach das Gesetz des Zufalls, das sich Geltung verschaffte. Allerdings genau zur rechten Zeit. Der schwere Aufschlag, als das arme Tier zusammenbrach, erschreckte die Männer, die sich rechts von Goad dem Packpferd, das links neben Bayard stand, näherten. Die Burschen fuhren herum und erhoben die Waffen, weil sie erwarteten, daß Bayard Verstärkung zur Hilfe eilte, die vielleicht vom Baum sprang und hinter ihnen landete.

Sie hatten keine Ahnung, wie schnell ihr Gegner war. Bayard schwang sich über das Packpferd, die Rüstung und alles und landete geräuschvoll zwischen unserem Gepäck und den Milizionären. Sie drehten sich schnell wieder um, jedoch zu spät. Mit der Breitseite seines Schwerts schlug er einem von ihnen heftig gegen die Rippen. Es klang wie das dumpfe Geräusch beim Teppichausklopfen, und die herausströmende Luft zischte. Noch während er sich umdrehte, lag der Mann auf den Knien und schnappte nach Luft.

Seine Kameraden blieben wie vom Donner gerührt stehen, als wäre etwas Großes, Übernatürliches – vielleicht ein Drache oder eine Flammensäule – in ihrer Mitte aufgetaucht. Bayard wirbelte herum und erwischte Karrock mit einem hohen Tritt gegen das Kinn. Der große Mann taumelte grunzend rückwärts, während Bayard ihm leicht geduckt folgte. Die übrigen Milizionäre standen immer noch reglos da. Ihre Hände schwebten über ihren Waffen.

Bis auf Goad. Leise und geschmeidig glitt er nach rechts und schlich sich langsam direkt hinter Bayard, bis er über dem vom Schwert getroffenen Mann stand. Bayard, der Karrock aus der örtlichen Miliz entlassen wollte, hatte ihn nicht bemerkt.

Das war jetzt bestimmt der Augenblick, wo ich etwas hätte tun sollen – wenigstens meinem edlen Herrn eine Warnung zurufen, am besten aber mit einem heldenhaften Satz vom Vallenholzbaum auf den Feind herunterspringen.

In diesem Moment fand ich beides zu auffällig. Statt dessen saß ich da und verfolgte den Lauf der Dinge.

Dann geschah etwas Merkwürdiges, als ob irgendwie plötzlich in diesem Gerangel und den Drohgebärden Waffenstillstand herrschte. Goad bückte sich und lud sich seinen atemlosen Kameraden auf die Schultern. Inzwischen hatte Bayard Karrock mit einem festen Kinnhaken umgeworfen und drehte sich um, um seinen Rücken zu decken. Seine Augen begegneten denen von Goad, und es war schwer zu sagen, was zwischen ihnen vorging. Man sah jedoch ein Nicken, das alles zu beenden schien, als Goad rückwärts in die Tannengruppe zurückwich und Karrock sich aufrappelte und seinem Anführer nachrannte. Bis auf einen Bluterguß unter dem dunklen Bart wies sein fettes Gesicht keine Spuren vom Kampf auf.