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Bayard war sicher, daß wir für unschuldig befunden werden würden, einfach weil wir unschuldig waren. Natürlich war er wütend über die Verzögerung, denn bis zum Turnier im Kastell di Caela war nur noch zwei Wochen hin, und jeder Teilnehmer, der die Eröffnungszeremonien versäumte… nun, die Tochter eines reichen Mannes versetzt man nicht.

Trotzdem muß ich zugeben, daß ich überrascht war – im Gegensatz zu allen anderen –, als Bayard sich anbot, zwischen den Zentauren und den Satyren zu vermitteln.»Vermitteln?«

Bei diesem Vorschlag plusterte Archala sich auf. Sein weises, tolerantes Lächeln wich augenblicklich einem, das ich erheblich weniger mochte. »Ich nehme an, Er will einen Friedensvertrag mit uns aushandeln?« fragte er ironisch.

»Nun, mein Herr«, antwortete Bayard, »ein Friedensvertrag wird ohne Euch wohl kaum möglich sein. Vielleicht könnte ich die Vorarbeit leisten – einen zeitweiligen Waffenstillstand zum Beispiel –, damit Ihr und Euer Rat und der Anführer der Satyre und sein Rat sich auf neutralem Boden treffen können…«

»Archala, wir haben die alten Bräuche wirklich lange und getreulich respektiert«, unterbrach der Herold, dessen nasale Stimme plötzlich kalt und frostig klang. »Wenn er vorhat…«

Aber Archala erhob seine knorrige Hand, und wieder war die Lichtung still.

»So dumm ist Er doch wohl nicht«, begann der alte Zentaur an Bayard gewandt. Dann aber schwieg er, drehte sich langsam von uns weg und sprach leise mit sich selbst.

Bayard und ich sahen uns verwirrt an. Bayard wollte etwas sagen, wahrscheinlich fragen, was Archala Kopfzerbrechen bereitete.

Doch in diesem Moment bot Agion an, uns »als Friedensboten« zum Lager der Satyre zu begleiten, und fügte noch hinzu, daß er Bayard seine Geschichte glaubte.

Archala hörte auf zu murmeln und starrte das Unschuldslamm an.

»Aber das ist doch genau das, was der Solamnier will, Archala«, platzte der Herold los. »Eine Eskorte zu seinen eigenen Reihen und in Sicherheit.«

»Und wenn ich nun die Wahrheit sage, Archala?« beharrte Bayard. Er wollte das Turnier um keinen Preis verpassen.

Archala dachte darüber nach.

»Laß Er uns den Jungen hier, Solamnier«, drängte der Herold, »als Zeichen für Seine guten Absichten.«

»Auf keinen Fall!« rief Bayard aus. »Das ist mein Knappe und darum gehört er zu mir und darf nicht als Eure Geisel Euren Ängsten und Eurem Mißtrauen ausgeliefert sein.«

Der Herold schnaubte finster, doch Bayard hielt sich wacker. Ein leises Lächeln zog sich über sein Gesicht, und er betrachtete den großen, einschüchternden Kerl mit einer Gleichgültigkeit, die an Verachtung grenzte.

Lange Zeit sagte niemand ein Wort. Weit hinten im Sumpf kreischte etwas – ein kleines Tier, vielleicht ein Vogel –, und das Wasser in den Lachen um die Lichtung kräuselte sich, als noch kleinere Tiere sich im Wasser und tief im Matsch in Sicherheit brachten.

Dann erhob Archala seinen rötlichen Arm und nickte Bayard zu. Der Herold kochte, doch ein eisiger Blick des alten Zentauren brachte ihn zum Schweigen.

Aber ich konnte mich partout nicht aus dieser Sache herauswinden, denn sie setzten mich auf Agions Rücken, und wir ritten neben Bayard und Valorus von der Lichtung, um die Satyre zu suchen. Das Licht um uns herum wurde immer grüner, bis selbst meine Hände wie Blätter aussahen.

Hinter uns eroberten sich die Schlingpflanzen den Pfad zurück.

6

Die Reise durch den Sumpf war wie eine Reise in einer Glasflasche: die Stille, die Enge, das durch die Blätter über uns grün gefilterte Licht. Und das seltsame Gefühl, daß die Blätter irgendwie durchsichtig waren, und wir von dahinter belauert wurden.

Denn ich war sicher, daß wir verfolgt wurden. Dieses ungute Gefühl änderte sich kaum, als wir weiter in den Sumpf eindrangen. Irgendwann merkte ich, daß mir unterwegs keine plötzlich davonhuschenden Tiere mehr auffielen. Um uns herum war es jetzt auf Meilen still. Das war das erste von verschiedenen schlechten Zeichen. Wo wir auch hingingen, es war, als ob das Gebiet erst Minuten vorher erschreckt worden wäre.

Schon bald übernahm der Zentaur die Führung. Bayard folgte zu Fuß, um die verbliebenen zwei Pferde durch das unsichere Sumpfgebiet zu führen. Diese Marschordnung kam Bayard und Agion vernünftig vor, besonders da Agion als einziger eine Vorstellung davon hatte, wo unser Ziel lag. Leider befand ich mich auf Agions Rücken, als diese Entscheidung fiel.

Der Gedanke, die Vorhut zu spielen, sagte mir wenig zu. Aber da ich vor der Wahl stand, vorne zu reiten oder neben Bayard zu laufen, wählte ich widerstrebend das erstere. Schließlich konnte ein Hinterhalt jeden von uns erwischen, von vorn oder von hinten. Treibsand und Krokodile jedoch schlugen zuerst vorne zu, und sie würden mit dem ersten, was sie erwischten, ob Zentaur oder Pferd, so beschäftigt sein, daß der Reiter bestimmt Gelegenheit zur Flucht haben würde.

Während der Reise unterhielt uns Agion mit Geschichten.

»Manche von den Alten erinnern sich an Zeiten, bevor der Sumpf hier war«, fing er an, »aber ich habe von Kindheit an in diesen Löchern hier Kräuter und Wurzeln gesammelt. Viele Male habe ich mit meiner Tante Megära Braunwurz und Luzerne gesammelt, und immer hat sie zu mir gesagt: ›Agion, Luzerne folgt der Turteltaube, Braunwurz der Ringeltaube‹.«

»Das ist ja alles überaus faszinierend, Agion«, unterbrach ich ihn, während ich Bayard verzweifelte Blicke zuwarf. Dessen Aufmerksamkeit galt allein dem vor ihm liegenden Pfad.

»Ja, doch es geht noch weiter, Meister Galen«, sprach der Zentaur. »Einmal mußten Tante Megära und ich einen Bienenschwarm aus der Luzerne vertreiben, als wir Packungen und Kompressen für den Winter machten, die die alten Zentauren gegen Arthritis verwenden. Es waren Dutzende von Bienen, deren Stiche so weh taten wie bei Bremsen, nur daß die Schwellung bei Bienen hinterher schlimmer ist. Und Tante Megära sagt…«

Agion fing an zu lachen.

»Sie sagt… Ach! Sie war wirklich ein Original!«

Sein schallendes Lachen erschütterte die ganze Gegend. Ein paar kleine Beuteltiere sprangen quiekend von einem nahestehenden Baum und huschten ins tiefere, grüne Dunkel. Bayard sah mich besorgt an. Seine Hand lag an seinem Schwert.

»Agion«, unterbrach er leise und drängend, »denk dran, daß wir auf feindlichem Boden sind.«

»Recht hat Er, Sir Bayard«, sagte Agion nicht sehr viel leiser. »Aber hör Er nur, was Tante Megära sagte, als wir mit geschwollenen Flanken und voller Bienenstiche aus der Luzernewiese kamen.«

Bayard runzelte die Stirn. Seine Hand lag immer noch an seinem Schwert.

»Sie sagt… Ach! Sie war so ein komischer Vogel!« Und er fing wieder an zu lachen. »Sie sagt: ›Ein Segen, daß wir heute nacht im Stehen schlafen!‹«

In unausgesprochenem Einverständnis hielten Bayard und ich ihn von weiteren Geschichten aus seinem Leben vor unserer Ankunft ab, da wir bald heraus hatten, daß diese nicht nur langweilig, sondern auch laut waren. Statt dessen fragten wir immer wieder nach den Satyren und fanden zu unserer großen Enttäuschung heraus, daß die Zentauren – oder zumindest dieser spezielle Zentaur, der mir nicht besonders informiert vorkam – selbst kaum mehr wußten als wir.

»Ihr wißt nicht einmal, wo sie herkommen?« fragte Bayard und zeigte erstmals etwas Ungeduld. Es war ungefähr die fünfte Frage in Folge, auf die Agion keine Antwort wußte.

»Es ist einfach so, wie ich Ihm sagte, Sir Bayard«, beharrte der Zentaur und wischte etwas Kleines, Summendes und Nervendes von seinem Nasenrücken. »Die Satyre sind schon eine Weile hier, ungefähr einen oder zwei Monate, auch wenn man nicht einmal das mit Sicherheit sagen kann. Als sie ankamen, hielten wir sie erst für sagenhafte Geschöpfe. Erinnert Er sich an die kleinen ziegenfüßigen Flötenspieler aus der Geschichte von Paquille?«

Bayard und ich sahen uns an. Wir hatten beide keine Ahnung, was er meinte.

»Natürlich haben wir versucht, uns mit ihnen anzufreunden«, erzählte Agion weiter. »Wir dachten, sie wären etwas aus der alten Zeit, von der es heißt, daß die Rassen auf Krynn mehr mit dem Land und den Tieren, die darauf lebten, verbunden waren. Darum sehnten wir uns nach allem aus der Vergangenheit.«