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Bayard schrie auf, nicht vor Schmerz und bestimmt nicht vor Schreck, sondern vor Überraschung. Als er das tat, sprang ihm ein weiterer Satyr auf den Rücken und stach mit blankem Messer nach seiner Kehle.

Als Agion diesen Kampf auf Leben und Tod bemerkte, warf er die beiden Satyre von sich, die er jeweils in einer Hand kopfüber gehalten hatte. Die Ziegenmenschen kamen irgendwo in den Binsen auf, wo sie meckerten, um sich schlugen und dann still liegen blieben. Der Zentaur sprang vor und pflückte den Angreifer von Bayards Rücken.

Der Satyr zappelte und kreischte, als Agion ihn hoch in die Luft hob und schüttelte wie ein Terrier, der eine Ratte schüttelt, und ihn dann gut fünf Meter durch die Luft zu seinen Kameraden schleuderte. Es gab einen dumpfen Aufprall, und dann war Stille. Dann hörte man, wie das Schilf von etwas – oder mehreren etwas – zertrampelt wurde, das sich entfernte.

Der Sumpf war wieder ruhig, bis auf den gelegentlichen Ruf eines Vogels und das Zirpen der Grillen.

So viel zu unserer Friedensmission.

Meine Begleiter entspannten sich und sondierten nach diesem ersten Angriff die Lage. Agion rieb sich zufrieden die Hände und nickte Bayard zu, der müde seufzte und das Schwert einsteckte, das er nicht benutzt hatte. Er ging zu Valorus, streichelte dem Hengst die Mähne und flüsterte ihm etwas auf Altsolamnisch ins Ohr.

Erst da fiel es ihm wieder ein.

»Das Packpferd! Es ist weg, und es hat meine Rüstung!«

In diesem Moment begann der Sumpf, der bestimmt eine Stunde geschwiegen hatte, zu lärmen, und ich fragte mich, was mich an der Stille so aufgeregt hatte. Überall um mich herum herrschte ein schrecklicher Lärm – Vogelrufe aus dem Hals von Wesen, die bestimmt keine Vögel, aber auch keinesfalls Menschen waren. Etwas in diesen Rufen klang belustigt und spöttisch, und ich dachte, ich hätte meinen Namen gehört. Allerdings hatte ich solche Angst, daß ich ihn durchaus aus diesem sinnlosen Lärm hätte heraushören können.

Ich erinnerte mich an die dunkle Bücherei und fragte mich, obwohl Raben in diesem Chor der Stimmen waren.

Bayard blickte sich rasch um und versuchte, die Ursache für diesen merkwürdigen Lärm herauszufinden. Leise und gezielt deutete er auf Agion und dann auf die Binsen links vom Pfad.

Der große Zentaur nickte wieder und machte sich in diese Richtung auf. Bald war er in dem dichten Grün verschwunden.

Jetzt war ich dran. Bayard zeigte auf mich und wies nach rechts.

»Wie bitte?« flüsterte ich.

»Oh, Galen, geh einfach drei Meter oder so vom Pfad ab und bezieh dort Stellung! Bewach da drüben unsere Flanke.«

»Bewachen? Ich weiß nicht, ob ich Euch richtig verstanden habe. Ihr habt doch ›bewachen‹ gesagt, oder?«

Bayard verdrehte die Augen, während er sein Schwert zog und seinen Schild vor sich hielt, um weiter dem Pfad zu folgen.

»Bei Humas Lanze! Schrei einfach, wenn du etwas siehst.«

Widerwillig verließ ich den Pfad nach rechts. Rohrkolben und tiefhängende Zweige streiften mein Gesicht, und ein paarmal stolperte ich, weil ich mich in dem grünen Königreich da unten verfangen hatte. Mein letzter Blick auf den Pfad zeigte mir Bayard, der tief geduckt und so schnell wie ein gewaltiger Panther auf die Quelle des Lärms zurannte.

Ich dagegen gab eine weniger raubtierhafte Figur ab. Höchstens drei Meter vom Pfad entfernt schob ich das Schilf auseinander, um auf eine kleine Lichtung zu stolpern, auf der sich ein verrotteter Baumstumpf und zwei stehende Wasserlachen befanden. Wieder wurde der Sumpf merkwürdig still, und die Rufe und Schreie verloren sich so plötzlich, wie sie begonnen hatten, in den natürlicheren Geräuschen des Sumpfes: Hin und wieder summten mir Mücken um die Ohren, und über meinem Kopf wurde das tiefe, geheimnisvolle Schweigen des Himmels nur vom Schrei eines Raben unterbrochen.

Ich zog mein kleines Schwert, weil ich fand, daß es – ob mit oder ohne Lärm – leicht zum Kampf kommen konnte, und daß ich dann vielleicht sogar daran teilnehmen mußte. Lieber Stahl und Kampf als Gefangenschaft.

Die Zeit verging – zuviel Zeit. Mitten in meine Ängste drang aus der Nähe ein Geräusch, ein lautes Rascheln von Blättern und Unterholz. Schnell begann ich, mich in den sumpfigen Boden einzugraben. Ich hoffte, mir würde die Zeit reichen, um mich zu vergraben und so der Entdeckung zu entgehen. Aber der Boden war zu naß; das Loch füllte sich genauso schnell mit Wasser, wie ich grub, und mir schoß durch den Kopf, daß die Zentauren mich ertränken würden, ob ich nun der Spionage schuldig war oder nicht.

Da drang Bayard aus dem Gehölz. In der rechten Hand hielt er sein Schwert, mit der linken gebot er mir dringlich, leise zu sein. Gebückt kam er auf mich zugehuscht und kniete sich neben mich.

»Wo seid Ihr gewesen!« platzte ich los, wobei mein Flüstern schnell zu voller Lautstärke und fast zu Schreien anstieg, bevor er mit der behandschuhten Hand meinen Mund bedeckte und mich zum Schweigen brachte.

»Es ist doch alles in Ordnung mit dir?«

»Ja. Naja, eigentlich nicht. Es ist mein Bein, Sir. Ich fürchte, es ist gebrochen oder anderweitig verletzt. Wenn Ihr einen Fluchtweg habt, so könnte ich den Schmerz wahrscheinlich aushalten und es schaffen. Ansonsten ist das Bein zu nichts gut. Taugt überhaupt nicht dazu, eine Stellung zu stürmen, oder was Ihr sonst für Angriffe im Kopf habt.«

»Also bist du in Ordnung«, flüsterte Bayard. »Du mußt deine Vorliebe fürs Versteckspielen aufgeben, Galen.«

»Das werde ich, Sir, wenn unsere Feinde das auch tun.«

Ziemlich nah, aber immer noch auf der anderen Seite des Pfads hörten wir einen Pfiff.

»Agion«, erläuterte Bayard mit einem Nicken in die Richtung des Pfiffs. »Galen, sie sind überall um uns herum. Sie kennen das Gelände, wissen, wie man im Sumpf kämpft. Bei meinem Leben, ich habe kaum gesehen, was mich getroffen hat, als sie uns aufgelauert haben. Und dazu sind wir auf jeden Fall zahlenmäßig unterlegen, und zwar um einiges, wenn man nach dem Lärm da draußen geht.«

»Das hebt meine Stimmung deutlich, Sir. Vielleicht sollten wir uns neu formieren? Ich könnte auf Agion zu den Zentaurenlinien zurückreiten. Mein Bein würde mir beim Reiten weniger zu schaffen machen. Es wird sich nichts zu unseren Gunsten ändern, wenn wir hier bleiben.«

»Rückzug kommt gar nicht in Frage«, sagte Bayard verbissen, während er seine Stirn an eine Eiche lehnte und die Augen schloß.

»Was sollen wir dann machen?«

Bayard machte die Augen auf, sah mich stirnrunzelnd an und stand dann in gebückter Haltung auf.

Wieder pfiff etwas auf der anderen Seite des Pfades, dieses Mal lauter und drängender.

»Da drüben braut sich etwas zusammen«, folgerte Bayard. »Bestimmt hat Agion sie gesichtet.«

Er stand auf und ich ebenfalls, doch er drehte sich um und schickte mich zu dem Platz zurück, wo er mich gefunden hatte.

»Das wird eine üble Sache.«

Er warf einen kurzen, ironischen Blick auf mein Schwert.

»Ich nehme an, du bist nicht… sehr geübt mit Waffen. Aber du kannst uns eine Warnung zurufen, wenn nötig. Also bewach diesen Platz hier, falls sie von hinten kommen.«

Mit diesen ermutigenden Worten war er auf und davon. Leise schlüpfte er in das grüne Gewirr hinter mir, während ich mich darauf einrichtete, genau hier zu bleiben.

Was gar nicht so einfach ist, wenn man am liebsten alles andere tun möchte als warten. Es wurde später Nachmittag, und eine Zeitlang schienen die Geräusche ganz nah zu sein. In den hin und her gehenden Rufen, dem Prahlen, dem Meckern, den gelegentlichen Pfiffen und Schreien konnte ich Wortsilben erkennen, aber nie genug, um auch nur einen Satz, eine Aussage herauszufiltern. Es war, als wäre alles, was die Satyre sagten, wie Irrlichter – immer einen oder zwei Schritte außer Hörweite. Ich saß bestimmt eine Stunde so da, schlug Insekten tot und fürchtete mich vor allem Erdenklichen und einigen unvorstellbaren Dingen. Der Lärm wurde laut und wieder leise, laut und leise, bis der Sumpf irgendwann schwieg. Allmählich wunderte ich mich, wo Bayard eigentlich steckte – warum ich nichts von ihm gehört hatte. Ich wäre gern aufgestanden und aus meinem Versteck gekrochen, doch dann überlegte ich es mir noch einmal. Ich wußte, wie sich eine Schildkröte in ihrem Panzer fühlen mußte, wenn sie das komplizierte Ratespiel spielte, wann es sicher genug war, den Kopf herauszustrecken.