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»Schluß.« Mein Gastgeber legte seine Hände rasch und leicht auf den Thron, wodurch er die Skorpione durcheinander würfelte.

»Und was glaubst du, was ich mit der Rüstung soll, Junge? Sehe ich so aus, als wäre ich ein Altwarenhändler?«

»Nein, Sir. Euer Hoheit sehen aus wie mein schlimmster Alptraum.«

»Damit bin ich schon mal zufrieden. Und ich gehe davon aus, daß Bayard Blitzklinge noch irgendwo in diesem Sumpf steckt?«

»Ja, Sir.« Das Verhör ordnete meine Gedanken. »Das heißt, soweit ich weiß. Ich bin mir eigentlich sicher, daß er irgendwo in diesem Sumpf ist, aber ich habe mich dermaßen verlaufen, weil die Umstände mich so herumgetrieben haben, daß ich Euch bis zum Morgen nicht einmal sagen kann, wo Osten ist, geschweige denn zeigen, in welchem Loch der fragliche Ritter steckt.«

Es machte mir nicht viel aus, Bayard zu verraten. Schließlich war ich nicht freiwillig hier. Ich konnte Bayard kaum als Freund bezeichnen – und war ich tatsächlich sein Knappe, wo er mich doch in seinen Dienst gepreßt hatte? Eher sein Gefangener, und ein Gefangener hat schließlich die Pflicht zu fliehen.

Ich hörte auf, mir logische Streicheleinheiten zu verpassen, als der Mann auf dem Thron weitere Fragen auf mich abschoß.

»Weißt du, was ein Irrlicht ist, Junge?« fragte er.

»Nein, Sir, aber ich denke, ich werde es bald wissen.«

»Das tanzende Licht im Sumpf – Sumpfgas, Fuchsfeuer, nenn es, wie du willst –, das dem Reisenden, der ihm folgt, immer ein, zwei Schritte voraus ist. Wie das Feuer, das dich hergeführt hat.«

Ich nickte benommen und tat mein Bestes, die wild zitternde Stute in meinem Schlepptau festzuhalten.

»Es ist ein Licht, das den Reisenden ins Verderben führt, denn es ruft ihn immer tiefer in den Sumpf hinein – wo sein Verhängnis wartet.«

Er lachte, und die Skorpione unter seinen Händen regten sich.

»Du, kleines Wiesel, bist mein Irrlicht. Denn jetzt ist es deine Aufgabe, deine Gefährten hierher zu führen, hier ins Zentrum dieses Sumpfes, und sie so lange wie möglich hier zurückzuhalten. Eine einfache Aufgabe, für die ich mich jedoch sehr dankbar erweisen werde.«

»Ich würde Euch gerne helfen, Sir«, begann ich zaghaft, »aber bei meinem Leben, ich habe keine Ahnung, wo Sir Bayard ist.«

»Spiel mir nicht den Unschuldsengel, Junge!« fauchte er, so daß die Skorpione von ihm weghuschten, weil der Lärm und der Zorn, der in der Luft lag, sie erschreckt hatte. Alles war angespannt wie bei einem Gewitter vor dem ersten Blitz. Ich trat zurück und sah, wie sich einer der Satyre – ein kleiner, praktisch bartloser – umdrehte und in die Palisaden sprang. Er verschwand im Holz. Ein größerer folgte ihm, dann noch einer.

»Nun, ich weiß, daß Bayard irgendwo hier im Sumpf ist…«

»Viel besser«, unterbrach er mich. Seine Stimme war wieder ein ruhiges, honigsüßes Instrument. Langsam versammelten sich die Skorpione wieder auf dem Thron.

»Du hast so wenig Vertrauen zu mir, Galen. Dachtest du, ich würde dich so schlecht ausrüsten? Hast du schon vergessen, wie geschickt ich dich aus der Bibliothek der Wasserburg gerettet habe? Nein, Galen. Was ich brauche, ist jemand, der Sir Bayard genau hierher führt.«

Einer der Satyre kam durch die Palisade zurück, als käme er aus dem Nebel. Ohne ihn zu beachten, fuhr der Skorpion fort.

»Denn ich weiß natürlich, wo Bayard ist.« Eine grüne Lichtkugel begann auf seiner Hand zu glühen. »Und das Licht, das dich zu mir geführt hat, wird dich zu ihm führen und dann euch beide zu dieser Hütte, in dieses Lager, zurück.«

»Und Bayard wird nichts geschehen?« fragte ich verwirrt.

»Meine Hand soll in dieser Sache kein Blut vergießen. Ich halte immer Wort, über Jahrhunderte von Feuer und Flut und Scheitern. Im Gegensatz zu anderen.«

»Das hört sich recht bindend an, Sir. Mit dieser Zusage werde ich Sir Bayard von Vingaard gern gewaltsam oder freiwillig in Eure erlauchte Gegenwart führen, damit Ihr ihm selber die Informationen entlocken könnt, die Ihr braucht, wie auch immer Ihr das tun wollt. Für mich sollte bei dieser Abmachung jedoch meine Freiheit und sicheres Geleit nach Hause zu meinem Vater herausspringen. Schließlich wird Sir Bayard sich vielleicht nicht länger mit mir herumplagen wollen, wenn er mich des Verrats verdächtigt.«

Es entstand eine lange Pause. Der Skorpion dachte nach, ich erwartete seine Entscheidung, das Packpferd zog weniger heftig an den Zügeln, und die Satyre machten überhaupt nichts, außer durch die Palisaden hin und her zu spazieren.

»Diese Chance gebe ich dir«, sagte der Skorpion schließlich. »Ich führe dich zu deinen Gefährten zurück, und du führst sie dafür zu mir. Diese Chance gebe ich dir, aber ich werde äußerst wachsam sein. Ich werde dich wie ein Habicht oder ein Nest voller Eulen beobachten, kleines Wiesel, denn ich bin mir nicht sicher, ob dein Eifer, deine Kameraden zu verraten, vorgetäuscht ist oder nicht.«

Zu diesem Zeitpunkt wußte ich das selber nicht.

8

Und so ritt ich auf dem Packpferd hinter dem tödlichen Glanz des Irrlichts her, zurück zum Lager von Bayard, wo mein Herr, mein Bruder und mein Transportmittel um ein Lagerfeuer herumsaßen (oder standen, was Agion angeht) und Roka tranken.

Nun, sie hießen mich richtig freudig willkommen, was mehr war, als ich erwartet oder verdient hatte. Bayard und Brithelm sprangen augenblicklich auf, wobei Brithelm die Arme zu einer brüderlichen Umarmung ausbreitete. Bayard war reservierter, wie es seiner Position entsprach, doch er verbarg kaum seine Freude und Erleichterung. Agion tänzelte buchstäblich wie ein Hengstfüllen zwischen Valorus und der Stute hin und her.

Und ich würde diese Unschuldigen dorthin führen, wohin der Skorpion es befohlen hatte.

Ich hatte solche heimlichen Abmachungen mit dem heimlichen Feind nie gemocht. Es regte mich allmählich auf, daß meine Überwachung Teil eines geheimnisvollen Plans war, der für manche, die das nicht verdient hatten, leicht ein böses Ende nehmen konnte. Aber wie es auch sei, es ging um ihre Haut oder meine. Wenn man es so klar formulierte, war es leicht, edleren Anwandlungen zu widerstehen.

Brithelm umarmte mich und stellte tausend Fragen, als er mich zum Feuer führte und mir einen dampfenden Becher Roka in die Hand drückte. Ich roch widerwillig daran, denn ich roch die Rokanüsse und den Zimt. Dann probierte ich. Zu meiner Erleichterung hatte nicht mein spiritueller Bruder den Roka gebraut.

Ich setzte mich hin, merkte, wie das beruhigende, warme Getränk mich durchströmte, und dachte an das Ende einer alten Fabeclass="underline" Und so nahmen sie die Schlange in ihre Mitte auf und fütterten und beschützten sie und – pflegten sie gesund.

Und gaben ihr zweifellos Roka zu trinken. Die Welt ist kein freundlicher Ort.

Beim Trinken beantwortete ich die Fragen, mit denen mein ritterlicher Beschützer mich bombardierte.

»Aber ich weiß nicht, wo ich gewesen bin, außer in diesem Sumpf und in ein oder zwei Treibsandlöchern.«

»Und ich weiß nicht genau, was ich gesehen habe, außer daß es ganz schön verwirrend war.«

»Ich bin hier vorbei gekommen und habe das Licht gesehen. Ohne das Licht hätte ich euch wahrscheinlich nie gefunden.«

Keine der Antworten war eine Lüge. Zumindest nicht direkt.

»Egal, wie du zu uns zurückgekehrt bist, Galen, ich danke den Göttern für diese Rückkehr!« rief Brithelm aus und umarmte mich erneut. Agion sprang herum und nickte heftig zum Zeichen seiner Zustimmung.

Nur Bayard hielt sich von diesem Trubel und dem brüderlichen Geschwätz fern und beobachtete mich forschend – vielleicht sogar ein bißchen mißtrauisch. Aber vielleicht entstammte das Mißtrauen, das ich auf seinem Gesicht lesen konnte, dem Wissen um meine eigenen Verfehlungen und meiner Angst vor Entdeckung. Schließlich war ich als Agent des Skorpions hier und damit irgendwie ein Stinktier, wenn man es genau besah.