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Bayard äußerte sich schroff.

»Ich kann mir nicht vorstellen, Galen, daß du verlorengehst und dir nicht einmal im Vorbeigehen einen Teil der Umgebung einprägst. Falls du es noch nicht bemerkt hast, ich bin es ziemlich leid, daß du in ruhigen Zeiten auftauchst und in Zeiten der Not verschwindest. Ich nehme an, du warst mal wieder irgendwo im sicheren Sumpfgebiet ›auf Kundschaft‹.«

Bayard hockte sich ans Feuer und wärmte sich die Hände, denn es war wieder ungewöhnlich kalt für die Jahreszeit.

»Ich weiß ja, Sir, daß ich gewisse gemeine Verdächtigungen von Euch verdient habe, auch wenn so etwas für einen Ritter von Solamnia untypisch ist. Ich weiß, daß ich mich versteckt habe, wo ich vielleicht… mehr Einsatz hätte zeigen sollen. Aber immerhin habe ich Eure Rüstung wiedergefunden, wofür ich doch eine kleine Anerkennung verdient habe.«

Bayard blickte ins Feuer und nickte widerwillig.

»Und darüber hinaus, Sir Bayard, habe ich bei all diesem Kundschaften und Wiederfinden noch etwas wirklich Wichtiges herausbekommen, das Ihr unbedingt hören müßt.«

Ich erzählte ihm von dem Lager mitten im Sumpf – dem Kreis aus Lagerfeuern, dem Haus auf Stelzen und den paar Ziegen auf dem Platz. Natürlich ließ ich den Skorpion aus – und Alfrik sowieso – und berichtete meine Geschichte schnell und natürlich mit all dem Instinkt, den ich in der Wasserburg entwickelt hatte.

Falls Bayard einen Verdacht hegte, so wurde dieser jedenfalls nicht von den anderen der Gruppe geteilt. Agion machte weiter Freudensprünge, und Brithelm redete fröhlich weiter.

»Ziegen und Häuser und Feuer – was soll’s, kleiner Bruder. Ich bin so erleichtert, dich in Sicherheit zu wissen, bevor ich mich zum Meditieren in meine Einsiedelei zurückziehe. Ich fürchte, ich wäre nie leichten Herzens dorthin zurückgegangen, ohne dein Schicksal zu kennen.«

»Brithelm?«

»Ja, kleiner Bruder?«

Aber was sollte ich sagen?

»Paß auf dich auf, wenn du Einsiedler wirst. Der Sumpf hat sich verändert, seit du damals mit den wilden Tieren Kontakt aufgenommen hast.«

»Auf mich aufpassen? Aber, Galen, nichts in diesem Sumpf ist wirklich gefährlich. Nicht einmal die Satyre sind Satyre.«

Ich warf einen schnellen Blick auf Bayard, der mit den Achseln zuckte.

»Nun«, antwortete ich, »meiner Erfahrung nach können Treibsand und Krokodile, ganz zu schweigen von Satyren, dem Gläubigen und den Edlen genauso schaden wie jedem anderen.«

»Genau das ist es, Galen«, mischte sich Bayard von seinem Platz am Feuer ein, ohne mich beim Sprechen aus den Augen zu lassen. »Brithelm glaubt nicht an die Satyre. Er sagt, es gibt sie nicht.«

»Moment mal. Es gibt sie nicht?« Ich wollte nicht preisgeben, was ich wußte. »Nun, Ihr habt sie doch gesehen, oder?«

Bayard nickte.

»Und du, Agion?«

Der Zentaur trat zurück in den Feuerschein und sagte: »Ja, Galen. Das habe ich tatsächlich. Aber darum geht es nicht.«

»Nicht?«

Der große Zentaur lehnte sich nach vorne, um sich am Feuer die Hände zu wärmen. Über sein offenes Gesicht legte sich ein verwirrter Ausdruck. »Nein«, erklärte er, »denn Brithelm hat uns erklärt, daß es die Satyre nicht gibt, ob wir sie sehen oder nicht. Er ist ein Heiliger, der mit dem Unsichtbaren vertraut ist.«

»Ich verstehe. Vielleicht kann mir mal einer von euch erklären, was hier passiert ist, während ich fort war. Wenn etwas, das Bayard mit dem Messer anspringt, das zwei von Agions Freunden umgebracht hat, das ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe, nicht existiert, dann wüßte ich gerne…«Ihre Geschichte war kurz und bitter und merkwürdig. Als ich sie erfuhr, ähnelte sie mehr und mehr einem der legendären Edelsteine aus dem fernen Kharolis, die verschiedene Farben haben, je nachdem, wie man sie hält. Oder noch eher einem dieser alten, prophetischen Gedichte aus dem Zeitalter der Träume, in denen jeder Leser die Vorhersage seiner eigenen Katastrophen wiederfindet. Bayard begann zu erzählen.

»Ich habe dich gesucht, Galen«, sagte er ruhig, »dich aber nirgends gefunden.«

»Und als wir Ihn nicht finden konnten«, nahm Agion sofort den Faden auf, »brachen wir aus dem Gebüsch und stürmten auf den Weg, wo wir es mit einem halben Dutzend Satyre zu tun bekamen.«

»Vier«, berichtigte Bayard.

»Keine«, berichtigte Brithelm.

»Keine?« fragte ich, während ich näher ans Feuer trat.

»Unsere Geschichten weichen fast von Anfang an voneinander ab«, erklärte Bayard, der vom Feuer zurückwich. »Ich habe vier gesehen, Agion sechs, und Brithelm sah vier Ziegen. Die Ziegen kommen in meiner Geschichte später.«

Bayard brach einen Zweig von einem Ewigkeitsbaum ab und fachte mit dem blauen, duftenden Holz das Feuer an. Dann setzte er wieder an.

»Jedenfalls war der Kampf schnell vorbei. Welcher Kampf auch immer. Agion behauptet, daß zwei Satyre unverletzt entkamen und zur Mitte des Sumpfes gelaufen sind.«

Zur Palisade, natürlich. Das klang glaubhaft.

»Ich hingegen habe wie gesagt nur vier gesehen«, sagte Bayard. »Und alle haben tapfer gekämpft. Sie schwangen Keulen, Kurzspeere, diese Schwerter mit den gebogenen Klingen…«

»Scimitare?« warf ich ein.

»Ich nehme an, das ist ein Name dafür, Galen. Du solltest das wissen; du hast mehr von den alten Geschichten gelesen als ich. Wie sie auch heißen, die Ziegenmenschen wußten mit ihnen umzugehen, und Agion und ich hatten einen kurzen, aber gefährlichen Kampf zu bestehen, um sie zu erledigen. Wobei dein Bruder sich heraushielt. Aber den Hang zum Kämpfer scheint ja von euch keiner von eurem tapferen Vater geerbt zu haben.«

Er sah Brithelm niedergeschlagen an. Brithelm lächelte fröhlich zurück und nickte ihm aufmunternd zu. Bayard lächelte unwillkürlich zurück.

»Bis hierhin konnte ich die Unterschiede zwischen unseren Geschichten noch auf die Verwirrung durch den Kampf zurückführen«, erläuterte Bayard. Mit schiefem Lächeln hockte er sich auf die Fersen. »Ich erinnere mich an meine erste Mission, ein kurzes, häßliches Scharmützel mit den Männern aus Neraka auf der Trotylhalde vor zwölf Jahren. Wir waren zu siebt, alle zwischen siebzehn und zwanzig.«

Lachend schüttelte er den Kopf.

»Es gab sieben Versionen von diesem Gefecht, in denen die Zahl der Gegner zwischen zehn und zweihundert schwankte. Erst eine Woche später erkannten wir, daß wir in der Überzahl gewesen waren.«

Immer noch lächelnd machte er eine Pause, um uns dann reihum anzustarren. Seine grauen Augen wurden ernst.

»Aber das hier war nicht mein erster Kampf«, erklärte er ruhig und starrte in das flackernde Licht des Feuers. »Ich bin dreißig Jahre alt und habe von hier bis Kargod Reibereien, Gefechte und Schlachten erlebt. Doch es verwirrt mich, was nach dem Kampf mit den Satyren geschah, als die Lage sich beruhigt hatte und ich als alter Kämpfer für Illusionen nicht empfänglich war. Denn weder Agion noch dein Bruder haben gesehen, was als nächstes geschah, als ich mich über einen der toten Satyre beugte, um den Feind genauer zu untersuchen. Agion behauptet, daß nichts passiert ist.«

»Daß sich nichts geändert hat, Sir Bayard«, unterbrach der Zentaur und kreuzte die Arme vor der Brust. »Nichts außer Seinem Gesichtsausdruck, der mich doch erschreckte, denn er war so voller Unglaube und Entsetzen.«

»Agion«, erklärte Bayard, »hat nicht gesehen, wie der Satyr sich in eine Ziege verwandelte.« Der Ritter setzte sich hin, zog sein Messer und fuhr mit dem Finger leicht über die Klinge.

»Es war, als hätte der Tod ihm das Menschliche geraubt«, sagte er schließlich, während er wieder ins Feuer starrte. »Als ob das Sterben alles Menschenähnliche von seinem Körper genommen hätte, so daß nur noch das Unmenschliche, Ziegenhafte übrig war.«

»Denn mehr war von Anfang an nicht da, Sir Bayard«, sagte Brithelm geduldig, aber viel zu laut für diese gefährliche Gegend. »Es klingt nach einem Sprichwort«, fügte er mit einem Lächeln hinzu. »Wer gegen Ziegen kämpft, wird Ziegen töten.«

»Wie auch immer«, sagte Bayard mit leiser und merkwürdig verunsicherter Stimme. »Aber an einem besteht kein Zweifeclass="underline" In diesem vermaledeiten Sumpfgebiet gehen merkwürdige Dinge vor sich. Ich möchte unbedingt weiter, aber erst muß ich mein Versprechen erfüllen und mit den Satyren reden, seien sie nun echt oder nur eine Illusion.«