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»Du hast besser keine Hintergedanken, Wiesel.«

Ich begann mich zu winden, heulte und schwindelte.

»Bitte, bitte, Bruder, erwürg doch nicht das Nesthäkchen! Ich weiß, daß du ein guter Kerl bist, du wirst auch ein feiner Knappe und ein noch feinerer Ritter! Bedenk doch, Vater hatte kleine Brüder, die alle ganz erwachsen geworden sind! Er betrachtet das inzwischen als Familientradition.«

Alfrik begriff die Anspielung. Sein Griff ließ nach, und ich faßte Mut.

»Natürlich habe ich keine Hintergedanken. Kein Verlangen nach Ärger, Bruder. Die Sorgen, die Verwirrung, das kopflose Herumrennen, das kommt alles noch früh genug, falls keine Rüstung mehr in dem Zimmer hier ist.«

Alfrik ließ mich fallen und kniete sich augenblicklich an die Tür, um mit dem Messer da herumzustochern, wo ich aufgehört hatte zu stochern.

»Alfrik?«

»Klappe, Wiesel.« Das unangenehme, hektische Kratzen von Metall auf Metall, als das Messer zum Schloß durchrutschte. Ich sah den Gang hinunter. Keiner da.

»Alfrik, weißt du, warum du so tief in der Sache drin steckst? Weil du die Schlüssel zu dem Zimmer hier am Gürtel hast.«

Nachdem er eine Weile mit den Schlüsseln und Schlössern herumgefummelt hatte, konnten wir das Gästezimmer betreten, das heute nacht den vortrefflichsten Schwertkämpfer von Solamnia beherbergen sollte. Es war der bestausgestattete Raum der Burg, da Vater in bezug auf Gastfreundschaft ein Eiferer war. Überall Wandbehänge, Decken mit Gänsedaunen auf dem riesigen Bett und ein fröhlich prasselndes Feuer.

Das war kein Raum für Missetaten.

Alfrik stürmte an mir vorbei, um in trunkener Panik zum Wandschrank zu schwanken. Ich flatterte hinterher und dachte mir verzweifelte Ausreden aus, die ich zur Hand haben wollte, falls Sir Bayard Blitzklinge durch die Tür treten sollte und feststellte, daß wir seine Sachen durchwühlten.

Und ich überlegte angestrengt, wie ich jetzt weitermachen sollte.

Alfrik stolperte einmal, griff nach den Schranktüren und zog. Sie waren natürlich verschlossen. Der Schlüssel hing natürlich an seinem Gürtel, und natürlich hatte er das vor lauter Angst und Wein ebenfalls vergessen. Im Schrank klirrte die Rüstung wie ein Geist in einer alten Geschichte.

Wenn man gut achtgibt, kann man ein Wunder auf viele Meilen kommen sehen. Es kam alles zusammen – Leichtsinn, Hast, die schwere Rüstung im Schrank. Nachdem mein Bruder einen langen, beunruhigenden Moment mit den Schlüsseln herumgefummelt hatte, paßte einer ins Schloß. Mit seiner beträchtlichen, rohen Kraft riß Alfrik die Tür auf, die bereitwillig aufschwang.

Und Sir Bayard Blitzklinges außerordentlich schweren Brustharnisch freigab.

Der mit einem solchen Scheppern auf den Kopf meines Bruders stürzte, daß es leicht die solamnischen Unterhaltungen von meinem Vater mit Sir Bayard unten hätte unterbrechen können. Oder oben Brithelm aus seinen Meditationen und Gileandos aus seinem Rausch reißen.

Aber nichts davon. Nur mein Bruder lag ausgestreckt auf dem Boden des Gästezimmers. Das Scheppern des Metalls auf die felsartige Masse des Schädels meines Bruders verlor sich im Schlagen des Glockenturms. Wie gesagt, wer achtgibt, kann ein Wunder auf viele Meilen kommen sehen.

»Paß doch auf, Alfrik«, sagte ich leise und dankbar, als der elfte Glockenschlag verhallte.

Was folgte, war eine Stunde unsicheren Wartens im Gästezimmer, bis der Eindringling zurückkehren und die Rüstung holen würde. Die Vögel draußen waren noch still, nur die Nachtigall sang fröhlich, während ich vor mich hin brütete.

Ich warf die roten Würfel, die ich immer dabei hatte, um mein Schicksal zu befragen. Ich rollte Neun und Neun, Tunnel um Tunnel für das Zeichen des Wiesels – großer Reichtum, wenn man meinen Spitznamen bedachte –, obwohl ich da weniger sicher hätte sein sollen, wenn ich die zweite Zeile für den Wurf bedacht hätte.

Also wartete ich, bis die Turmglocke wieder schlug, und stählte mich solange für die Rückkehr des Eindringlings. Beim siebten Schlag hörte ich etwas draußen im Gang – als wenn jemand hinten durchs Fenster einstiege.

Schon die Akrobatik war beeindruckend.

Ich sprang zum Bett und wollte mich darunter verstecken, für den Fall, daß der Skorpionmensch doch nicht ganz so zu seinem Wort stünde. Aber ein Stöhnen hinter mir ließ mich herumfahren.

Das Wunder hatte einen Haken. Denn mein Bruder wachte unseligerweise genau um Mitternacht auf.

Da fiel mir der Helm ein. Er lag neben dem Brustharnisch auf dem Boden. Weil Alfrik seine Arbeit als Knappe noch nicht so ernst nahm, war er noch etwas schmutzig, aber mit seinem genial verzierten Innenpolster, Kupfer, Silber und Messing nichtsdestoweniger eindrucksvoll.

Im Gang näherten sich Schritte dem Gästezimmer, während mein Bruder langsam wach wurde und mich zweifellos in den Ruin stürzen würde.

Es gab keine Zeit zu verlieren. Ich schnappte mir den Helm, während ich zu meinem Bruder eilte, hob das ganze verdammte Ding hoch und schmetterte es ihm – mit Visier und Krone und Feder, Eisen, Kupfer, Silber und Messing – auf die Stirn. Wieder verlor sich das Geräusch des Schlags im Läuten. Alfrik fiel mit einem Grunzen auf den Boden zurück, wo er still liegen blieb.

Meine Panik ließ nach. Die Vernunft kehrte zurück. Eine lange Minute stand ich bestürzt über meinem Bruder und dachte, daß jetzt der Mord stattgefunden hatte, zu dem ich in den letzten fünf Jahren der Kämpfe in der Wasserburg Talent gezeigt hatte.

Eine Bewegung an der Tür. Ich drehte mich gar nicht erst um, sondern tauchte unters Bett. Eine starke Hand packte meinen Knöchel und zerrte mich in die Mitte des Raums, wo ich zitternd und plärrend liegen blieb. Hinter mir hörte ich, wie der Skorpion die Rüstung mit einer raschen, fließenden, fast mühelosen Bewegung aufhob. Und wieder kam die Stimme – immer noch leise, immer noch giftig.

»Du hast deine Sache ganz ordentlich gemacht, Kleiner, auch wenn die Gewalt zum Schluß etwas… unordentlich war.«

Ich sah mich um. Eine schwarze Gestalt mit Kapuze bewegte sich zur Tür. Die schwere Rüstung trug sie wie ein Bündel Holz oder eine Decke über der Schulter. Dann blieb sie stehen und drehte sich um.

Der rote Glanz der Augen durchdrang mich wie der Griff, der mich vor zwei Stunden gequält und vergiftet hatte.

»Deinen Ring.«

»Äh – wie bitte?«

»Deinen Namensring, Kleiner.« Und die Hand im Handschuh kam mir geöffnet entgegen. »Wir sind nämlich, hm, durch mehr als eine lose Übereinkunft aneinander gebunden. Ich wäre zufriedener und auch einfach beruhigter, wenn ich für unsere Geschäfte ein Pfand von dir in der Hand hätte.«

»Nicht meinen Namensring! – Aber Ihr könnt die Steine zurückhaben, Sir. Die sind bestimmt mehr wert als der kleine Kupferring, und schließlich haben sie Euch auch zuerst gehört.«

Der Eindringling stand schweigend mit ausgestreckter Hand da. Widerstrebend zog ich den Ring ab. Er war nur aus Kupfer, aber wunderschön graviert – einzigartig. Ich hatte ihn vor vier Jahren am Abend meines dreizehnten Geburtstags bekommen, als ich in die ziemlich armselige Erwachsenenwelt eintrat, die ich durch mein Abkommen mit diesem rüstungsgeilen Schurken jetzt noch mehr verpfuscht hatte.

Der Namensring war das Ein und Alles eines jungen Solamniers.

Ich warf dem Skorpion den Ring zu. Mit einer kurzen Handbewegung ließ der ihn verschwinden.

»Übrigens«, murmelte er, »bist du immer noch zum Rest unseres Geschäfts verpflichtet. Zu niemandem ein Wort davon, denn sobald du etwas davon verlauten läßt, werde ich es hören – egal, wo ich bin. Vielleicht ziehe ich dir dann deine Haut noch in derselben Nacht über die Ohren. Vielleicht auch später. Aber es wird bald sein, o ja, sehr bald.« Und mit einem großen Schritt über den sich allmählich wieder regenden Alfrik verschwand er rasch durch die Tür.

Jemand – vielleicht ein Diener – schlug Alarm, und ich stand mutlos da und hoffte, daß alte Kämpen wie mein Vater oder der unvergleichliche Bayard Blitzklinge den Schuft in schwarzen Stiefeln erwischen würden, bevor er mit der Rüstung und seinen Plänen für meine Haut in der Dunkelheit verschwand. Ich hatte keine Ahnung, wie schnell und wie geschickt der Eindringling war, wie er mitsamt der Rüstung verschwunden sein konnte, bis Vater – mit schwerem Kopf – und Sir Bayard – absolut nüchtern, aber beladen mit Vater – zu einer verspäteten Rettung die Treppe erklommen hatten.