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Als Bayard am nächsten Morgen erwachte, brabbelte er etwas davon, das Schloß einzunehmen, »damit Vingaard wieder unser ist, Launfal«. Er war anscheinend hundert Meilen weit weg und dazu ein Dutzend Jahre in der Vergangenheit, so daß wir eine Weile brauchten, bis wir ihm erklärt hatten, wo er sich befand.

Er brauchte trotzdem noch eine Zeitlang, um sich wieder zu erholen. Mürrisch beschloß er, mit der Reise bis zum nächsten Tag zu warten, denn er wußte, daß er mit seinen Wunden den Ritt nicht überstehen würde.

Als der Abend kam, hatte sich Bayard einigermaßen erholt. Er entspannte sich und wurde regelrecht freundlich. Es gab immer noch kein Zeichen von dem Oger, darum kletterten er und ich auf einen gewaltigen, langsam ansteigenden Steinhaufen, der sich über dem Pfad erhob, und ließen Valorus und die Stute in Agions Obhut zurück. Bayard zeigte zum Horizont.

»Vielleicht haben sie damals in der Zeit der Träume hier nach Drachen Ausschau gehalten, als es noch Drachen gab«, murmelte Bayard.

»Wer?«

»Zwerge. Vielleicht auch Menschen. Vielleicht eine Art, die 1 älter ist als alle beide, oder eine, die aus beiden entstanden und längst vergessen ist. Wir wissen so wenig über die Zeit, in der diese Steine hierher gebracht wurden.«

Er sah mich versonnen an.

»Eigentlich«, überlegte er, »wissen wir gerade genug von unserer Vergangenheit, um uns Probleme zu machen.«

Bayard schwieg eine Zeitlang. Unter uns und im Osten fielen die Berge rasch zu Vorbergen ab, dann zu Hügelland, dann zu Ebenen, die ich selbst von unserem Aussichtspunkt aus noch sehen konnte – aus großer Entfernung und in zunehmender Dunkelheit.

So mußte dieses Land in der Zeit ausgesehen haben, die Bayard erwähnt hatte – damals in der Zeit der Träume, als Menschen gegen Elfen kämpften, als die Zwerge niemandem trauten, als alles nach Drachen Ausschau hielt. Vielleicht waren damals mehr Bäume in den Höhen gewachsen, weil sie noch nicht abgeholt und verfeuert waren. Damals gab es vielleicht sogar im Herbst mehr Vogelgezwitscher.

Während ich so nachdachte, blinkte im äußersten Osten in meinem Blickfeld ein stecknadelkopfgroßes Licht auf. Ihm folgte ein zweites, dann ein drittes, und bald war ein großer Fleck in der Dunkelheit da unten und der Osten voller schwacher Lichtpunkte. Es sah so aus, als würde man in einen Brunnen schauen, wo jemand – ein durchtriebener Junge vielleicht – ein paar Phiolen Phosphor versteckt hatte. »Solamnia«, sagte Bayard leise hinter mir. Als ich mich umdrehte, sah ich, daß er lächelnd an mir vorbeischaute.

»Was du am Osthorizont siehst, sind die Lichter eines Dorfes in Solamnia. Ein hübscher, kleiner Flecken auf halbem Wege zwischen diesem Paß und dem Südarm des Vingaard. Wenn die Götter es so wollen, können wir morgen abend dort sein. Und von da aus ist Kastell di Caela nur noch zwei Tage entfernt – einen Tag und eine Nacht Gewaltritt, wenn wir beherzt weiterziehen und es die Pferde schaffen. Für den Augenblick«, sagte er mit einem direkten Blick auf mich, während seine grauen Augen sich schon vor Müdigkeit trübten, »für den Augenblick haben wir wohl eine Rast verdient. Unabhängig von meinen Hoffnungen, rechtzeitig zum Turnier einzutreffen, werde ich nicht in finsterer Nacht auf felsigem Gelände das Leben meiner Gefährten riskieren.«

»Meister Bayard? Meister Galen?« rief Agion von unten, wobei erstmals ein Anflug von Furcht in seiner Stimme lag.

Er hatte Angst vor den rutschigen Felsen und dem trügerischen Geröll unter seinen großen, tolpatschigen Hufen.

Bayard ging zu einem Ausguck hinter uns, wo der Zentaur ihn sehen konnte.

»Agion, zünde ein Feuer an. Wir sind bald unten, und dann können wir alle beisammensitzen und reden und schlafen, wenn wir müde werden.«

Der große Steinhaufen erstreckte sich fast hundert Meter über das Plateau. Bayard kannte den Paß gut und ebenso das Plateau. Wenn er entschieden hatte, nicht bei Nacht zu reisen, ging es wirklich über trügerischen Boden.

Auf der windabgewandten Seite des Steinhügels war die Luft ruhig, und wir fanden ordentlich gebündelte und aufgestapelte Zweige, als ob frühere Reisende sich um unser Wohlergehen gekümmert hätten, ohne zu wissen, wer wir sein würden oder wie viel Zeit vergehen würde, bis wir in ihre Fußstapfen traten.

Agion entfachte mit einem Brennholzbündel das Feuer. Die Pferde sahen den Funken vom Feuerstein, rochen den Kiefernrauch und rückten näher heran, als das Licht von den trockenen Zweigen aufstieg. Wir saßen mit dem Rücken zu den warmen Pferden, mit dem Gesicht und den ausgestreckten Händen zum warmen Feuer. Und da hörte ich den Rest von Bayards Geschichte.

Und begriff, daß Geschichte so etwas war wie dieser Knick am Weg mit verlassenen Feuerholzbündeln – daß Dinge zurückgelassen werden, um später auf eine Weise benutzt zu werden, wie die, die diese Dinge dort gelassen haben, es sich vielleicht nie hätten träumen lassen.

Bayard hatte recht mit unserer Vergangenheit, die sich oft nur so weit zeigt, daß sie uns Probleme macht.

»Also gab es schon Blitzklinges, als diese di Caela Geschichte losging«, fing ich an, als die Wärme sich auf meiner Haut ausgebreitet hatte und der Zwieback – fast das letzte von dem Proviant, den wir aus der Wasserburg mitgebracht hatten – meinen Magen füllte. »Aber was machen die Blitzklinges heute in dieser Geschichte?«

Bayard schürte das Feuer.

»Was macht der Blitzklinge. Weißt du, Galen, ich bin der letzte aus der Familie, und hierin liegt das Ende der Geschichte.

Denn die Geschichte der Blitzklinges kreuzt sich zweimal mit der der di Caelas – am Anfang und am Ende. Es ist nämlich ein Blitzklinge, der den Fluch der di Caelas aufheben soll.

Sag bloß, ich habe vergessen, die Prophezeiung zu erwähnen, die unsere Geschichten verbindet?«

Er warf mir einen unschuldig besorgten Blick zu.

»Ja, Bayard, ich fürchte, Ihr habt vergessen, das zu erwähnen. Nachdem Ihr mich durch einen Sumpf geschleift habt, der mich ums Haar komplett verschlungen hätte, dann an einem Ungetüm von Oger vorbei, der uns beinahe alle zu Kleinholz verarbeitet hätte, dann durch das kälteste Wetter, das ich je erlebt hab, kann ich verstehen, warum Ihr vielleicht zu erwähnen vergessen habt, daß es wirklich einen Grund für all das gibt, und daß wir etwas gegen diesen Fluch machen sollen.«

»Beruhige dich, Galen«, bat Bayard, wobei er vom Feuer aufstand und langsam auf mich zukam.

»Hör dir den Rest meiner Geschichte an. Es ist der Anfang vom Ende der Linie von Benedikt di Caela oder von diesem Benedikt selbst, falls er – wie manche Legenden behaupten – vierhundert Jahre alt ist und immer wiederkehrt. Es ist der Anfang seines Endes, oder seines endgültigen Sieges.

Denn ich habe mir die Prophezeiung Wort für Wort eingeprägt, als ich sie in der Großen Bibliothek von Palanthas fand, als es außer Lesen und Warten und der Hoffnung auf Weisheit wenig zu tun gab. Wie es oft so ist, entdeckte ich das Buch per Zufall. Ich schlug einfach mal das dritte Kapitel auf und las zunächst flüchtig darin herum. Meine Aufmerksamkeit wuchs, als der Name Blitzklinge im Text vorkam, und ich habe Hunderte von Seiten gelesen, um diesen Namen wiederzufinden. Dann stand am Ende des Kapitels etwas an den Rand gekritzelt, das offenbar eine Bedeutung für mich hatte.

Und Sohn auf Sohn bringt dieser Fluch Dem Hause di Caela Leid, Doch niemals kommt es schlimm genug, Bis alles fällt an eine Maid.
Erst wenn am finstersten Wegesstück Die blitzende Klinge die Braut erreicht, Kehr’n Generationen vom Gras zurück, Auf daß der Fluch nun endlich weicht.«

»Ziemlich wortreicher Hokuspokus, wenn Ihr mich fragt«, bemerkte ich. Wir hatten schweigend dem Nachtwind zugehört, der über das Plateau fegte. »Der erste Teil ist relativ eindeutig, und das Erbe der di Caela fällt… an eine Frau?«