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»Wenn ich ihn eine Weile beschäftigen kann, nur diese Nacht, Galen, dann werde ich ihn besiegen«, flüsterte Bayard. »Da bin ich mir sicher.«

»Denn es gibt bestimmt einen Grund, weshalb er nur nachts kämpft. Ich wette, es ist ein so einfacher Grund wie die in den alten Legenden: Daß er bei Tag nicht kämpfen kann, weil das Sonnenlicht ihn schwächt und lähmt. Wesen der Finsternis sind oft so. Denk an die Vettern der Oger, die Goblins und Trolle, wie sie vor dem gesunden Sonnenlicht zurückschrecken.«

Bayard lenkte Valorus zum Kampf, warf einen letzten Blick über die Schulter und lächelte, als er das Visier seines Helms schloß.

»Den Fuchs spielen, Junge! Den Fuchs spielen!« rief er, als Valorus zu traben begann und dann, weil er wieder von einer zuversichtlichen, sicheren Hand gelenkt wurde, losgaloppierte. Genau auf die turmhohe, dunkle Gestalt des Ogers zwischen den Felsen zu, was für ein gefährliches Spiel.

Ich kletterte auf einen kleinen Vorsprung in der Nähe der Straße, von wo ich die Ereignisse beobachten konnte.

Als Bayard sich dem berittenen Oger näherte, blickte ich zum klaren, kühlen Herbsthimmel hoch. Die unzähligen, spiralenförmigen Sterne aus der Konstellation von Mishakal, Göttin der Heilkunst und des Wissens, flackerten über mir, und wenn ich ein Sterndeuter gewesen wäre, hätte mir dieses Zeichen Mut verliehen.

Statt dessen sah ich dort im Licht der zwei Monde und im schwachen Schein von Agions hundert Fuß entferntem Feuer die Calantina.

Zeichen des Mungos.

Ich wußte von den Schlangentänzen im hintersten Estwilde, wo ganz zum Schluß der Mungo gebracht wird, und wo er zur Musik der Flöte und der Trommeln mit nichts als seiner Schnelligkeit, seinem Verstand und seinen scharfen Zähnen gegen das tödliche Reptil antritt. Und ich schöpfte etwas Hoffnung, daß Bayards Version der Ereignisse irgendwie stimmen würde, daß wir in einer Geschichte steckten, wo die Sonne aufging, der Oger einen furchtbaren Schrei ausstieß, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ, und sich dann vor unseren Augen in Rauch auflöste oder dahinschmolz.

Bis ich meinen Posten eingenommen hatte, hatte Bayard dort, wo die Felsen vom Weg zurückwichen, etwa fünfzehn Meter vor dem Oger, angehalten – knapp sieben Meter außerhalb der Reichweite von Netz und Dreizack. Hier konnte er noch ausweichen.

Bayard blieb, wo er war – starrte regungslos seinen Feind an. Der Oger antwortete auf die gleiche Weise, wobei eine dunkle Wolke praktisch aus dem Erdboden zu kommen schien und sein Pferd bedeckte, bis es aussah, als säße er auf dem Rücken einer Gewitterwolke. Die beiden Widersacher saßen so still, daß ein Kaninchen leise aus den Felsen an der Straße hoppelte, zwischen ihnen Männchen machte und dann ohne Eile davonsprang, ohne zu bemerken, daß es mitten durch ein Gebiet gelaufen war, wo jederzeit ein blutiger Schwertkampf losbrechen konnte. So still war es.

Als das Kaninchen vorbei war und der Pfad wieder eine Weile still dagelegen hatte, gab es eine winzige Bewegung. Aber nicht von Bayard.

Die Hand des Ogers glitt langsam über den Dreizack. Er sah Bayard direkt in die Augen, und plötzlich flatterte Bayards Mantel wie ein Banner, als ein eisiger Windstoß es ihm von den Schultern riß, so daß es wie ein riesiger, ungeschickter Vogel hinter ihm den Weg hinab segelte.

Bayard bewegte sich noch immer nicht. Es kam einem vor, als wäre er ein Teil der Landschaft geworden. Vielleicht hatte er in die schrecklichen Augen des Ogers gesehen und sich in Stein verwandelt.

Langsam wurde der Dreizack erhoben, »angelegt«, wie es bei den Solamniern hieß. Wie bei einer Lanze zeigten seine drei häßlichen Zähne genau auf Bayards Herz.

Bayard bewegte sich noch immer nicht. Valorus zuckte nervös und schnaubte, doch Bayards feste Hand beruhigte ihn.

Noch einmal blieben sie lange Zeit reglos stehen. Agion kam zu mir auf das Plateau und legte mir die Hand auf die Schulter.

Sein fester Griff hielt mich fast so auf der Stelle fest wie die beiden Kämpfer, denen wir zusahen.

Ein Rabe landete auf der Schulter des Ogers. Eine Minute lang wirkte er komisch, wie ein riesiger, ungelenker Zauberer auf einem Gemälde. Dann duckte sich der Rabe, hob aufmerksam den Kopf und flog davon.

Ich bekam düstere Ahnungen.

Dann ging es los. Valorus stürmte vor, und höchstens zehn Fuß vor seinem wartenden Feind lenkte Bayard das große Tier in eine schliddernde, laute Kehre zur linken Seite des Ogers.

Der war darauf nicht gefaßt. Er hatte seinen Dreizack wie zuvor erhoben, wie eine Keule oder einen Knüppel, und wollte alles bewußtlos schlagen, was rechts an ihm vorbei wollte.

Bevor der große Kerl reagieren konnte, war Bayard bei ihm und ließ sein Schwert in einem blitzschnellen Schlag heruntersausen, der jeden außer einem Monster den Arm gekostet hätte. Doch als Bayard zum Angriff überging, ließ der Oger den Dreizack fallen und warf ihm das Netz ins Gesicht, wobei er das niedersausende Schwert erwischte. So schnitt es zwar mitten durch das Netz, doch dieses Schneiden bremste es etwas, so daß der Feind den Schlag, als dieser ihn schließlich erreichte, mit dem schwer gepanzerten Unterarm abwehren konnte.

Der Klang von Metall auf Metall war anders, nicht so wie das Geschepper, das man auf Turnierplätzen hörte. Statt dessen klang die Ogerrüstung klar und hallend nach, wie eine riesige Turmglocke, die selbst die Vögel in der Luft erschreckte, und ich fragte mich, wo ich dieses Geräusch schon einmal gehört hatte.

Die Wolke unter dem Oger verfestigte sich und wurde wieder zu einem Pferd, das sich bewegte. Die Augen des Pferdes glühten rot. Es schüttelte seine verfilzte, schwarze Mähne.

Sofort ging der Vorteil wieder an den Feind, denn Bayard taumelte auf Valorus, halb im Netz verfangen und aus dem Gleichgewicht gebracht, während das Monster versuchte, ihn herunterzuziehen und zugleich nach einem Dolch langte.

Es war nicht besonders klug, was ich jetzt tat, aber ich mußte es einfach tun.

Als die beiden an dem Netz hin und her zerrten und Bayard im Sattel weiter und weiter nach vorn gezogen wurde, bis er unausweichlich herunterkippen und sein Leben verlieren würde, riß ich mich von Agion los, hob einen faustgroßen Stein auf und schleuderte ihn auf den Oger, der mir den Rücken zukehrte und deshalb weder mich, noch den Stein, noch irgend etwas anderes kommen sehen konnte.

Es hatte mal eine Zeit gegeben – und das war gar nicht so lange her –, wo ich ganz gut mit Steinen gewesen war. Ich hatte mich an Nagetieren und Hunden, Dienern und Brüdern geübt. Kurz gesagt, ein Stein in meiner Hand hatte jedem größeren Lebewesen in der Wasserburg gesunden Respekt eingeflößt.

Diese Zeiten waren offenbar vorbei, denn der Stein flog harmlos über die Köpfe der beiden Gestalten zu Pferd hinweg und polterte hinter ihnen in der Finsternis zu Boden.

Ich nahm einen weiteren Stein. Schließlich hatte ich nichts Besseres zu tun, und inzwischen hielt sich Bayard nur noch mit Hilfe von Knauf und Steigbügeln im Sattel.

Natürlich ging der Wurf wieder daneben. Steinewerfen ist vor allem eine Sache des Selbstvertrauens, und das hatte ich jetzt verloren. Und Bayard, der gegen einen starken Gegner kämpfte, der ihn eindeutig überwältigen würde, schaffte es immer noch, seines zu behalten. Er hielt sich im Sattel, als der Oger sein Pferd zurücktrieb und am Netz zerrte. Und knurrte. Der Laut klang, als käme er irgendwo aus tiefem Wasser, oder als hätte ein seltsames, schreckliches Tier am Grunde eines Brunnens eine Halsverletzung und würde da unten in seinem eigenen Blut ertrinken. Der Schrei kam von weitem, war tief und blubbernd.

Blinde Panik hilft nicht beim Steinewerfen. Mein dritter und vierter Wurf gingen weit daneben, und ich sah mit wachsender Furcht zu, wie Bayard das bißchen Gleichgewicht verlor, das er noch hatte, wie er sich allmählich zum Feind hin neigte, der jetzt mit dem Messer in der Hand dasaß und meinen Beschützer in Reichweite zog.

Was bestimmt bald soweit gewesen wäre, hätte der Zufall nicht eingegriffen. Ich schaffte doch noch einen Treffer mit einem Stein.