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Mein siebter Wurf überschlug sich immer wieder wie ein Dolch und landete kräftig auf dem Pferd des Ogers.

Das Ereignis brachte sie um ein Haar beide um. Und zwar auch die Pferde, denn das Pferd des Ogers sprang rückwärts, wieherte und bäumte sich auf, wodurch es die Seile des Netzes zwischen seinem Reiter und Bayard straff zog.

Zum Glück war Bayard nicht zu angeschlagen, um rasch und klar zu denken. Die straffen Seile bedeuteten einen Vorteil beim Durchschneiden, und so begann er augenblicklich mit seinem Breitschwert vier, fünf, sechs Stränge von dem Netz zu durchtrennen, so daß er sich endlich befreien konnte. Er zügelte Valorus, der ausgerutscht war, taumelte und um ein Haar gegen die Granitwand geprallt wäre, die an der Straße aufragte.

Als würden sie einem stummem Befehl folgen, stiegen beide Gegner ab. Unser Feind schritt zu dem Platz, wo er seinen Dreizack verloren hatte, hob die Waffe auf und drehte sich mit einem seiner erschreckenden Knurrlaute zu Bayard um.

Mittlerweile hatte Bayard sein Gleichgewicht wiedergefunden und hatte auch einen sicheren Stand und Platz zum Ausweichen. Den ersten Stoß des Dreizacks parierte er geschickt und problemlos und vergolt ihn mit einem glatten Abwärtsschlag und einem Schritt zur Seite.

Der Dreizack schoß harmlos an ihm vorbei, traf auf Granit und bohrte sich gut sechs Fingerbreit in den harten Stein, bevor der Oger die Richtung änderte und dabei den Dreizack so beiläufig herauszog wie eine Mistgabel aus dem Heu. Bayard tänzelte um den Feind herum, der seinen Bewegungen rasch und wild wie ein in die Enge getriebener Dachs folgte.

Ich setzte mich auf einen Steinhang über ihnen. Von hier aus konnte ich nur Beleidigungen brüllen, aber keine Steine schleudern. Denn sie waren zu nah beieinander, und bei meiner Treffsicherheit und meinem Glück hätte ich zu leicht Bayard treffen können.

Also setzte ich mich. Im Mondlicht konnte ich sehen, wie sich Agion wachsam neben mir herunterbeugte. Das Feuer war hinter ihm. Über uns gingen die beiden Monde auf und badeten die nackten Felsen, die Kiefern, die Espen, den Wacholder und die beiden Gegner in silbernem und rotem Licht. Die Kämpfer umkreisten sich. Gelegentlich stolperte einer oder wich gegen eine Felswand zurück, aber sie umkreisten sich weiter aufmerksam und mit schlagbereiten Waffen. Das würde eine lange Nacht werden. Ich muß zugeben, daß der Kampf mich nach einer Stunde Tänzeln und Antäuschen und Beinahe-Treffern nicht mehr interessierte, obwohl doch Bayards Leben auf dem Spiel stand und meines höchstwahrscheinlich von seinem abhing. Bayard war zweimal gestürzt; einmal hatte er seine Waffe verloren. Jedesmal hatte er jedoch schnell seinen Stand und seine Waffe wiedergefunden, und einmal hatte er es geschafft, den großen Kerl für eine oder zwei Minuten in die Enge zu treiben.

Schließlich legte ich mich hin und beobachtete wieder den Himmel. Bis auf das Metallgeklirr, die Schreie, die Rufe und das Knurren der beiden Zweikämpfer war die Nacht still. Alles in allem war doch ziemlich klar, wie die Sache hier ausgehen würde. Mal abgesehen von einem möglichen, plötzlichen Glückstreffer durch Bayard oder einem so unglaublich dummen Fehler des Ogers, daß man noch viele Generationen lang davon erzählen würde, würde der Kampf vorbei sein, wenn der Größere schließlich den Kleineren überwand.

Außer, natürlich, wenn Bayard mit dem Sonnenlicht recht behielt.

Nichtsdestotrotz würde es eine Nacht der Abwehr und der Verzögerung sein.

Bis zum Morgen blieb mir nichts anderes übrig, als zu warten.

Nun, vielleicht hatte der Oger seine Gründe gehabt, warum er letzte Nacht nicht dagewesen war. Vielleicht hatte er jemand anders geärgert; vielleicht hatte er jagen müssen oder mußte noch andere Pässe bewachen, wo er tagsüber hinging; vielleicht war er dem Ruf der Natur gefolgt, was in voller Plattenrüstung eine ewig lange Prozedur sein kann.

Auf jeden Fall stellte sich heraus, daß seine Abwesenheit nichts mit Sonnenlicht zu tun hatte, wie wir merkten, als die Sonne aufging und er Bayard fröhlich mehrere Male gegen die Granitklippen am Weg warf.

So viel also zu den Prophezeiungen von Rittern, zu Sternen und Würfeln.

»A-aber…«, wollte Bayard ansetzen, um dem großen Kerl zu erklären, daß er doch in Flammen aufgehen oder zu Staub zerfallen sollte. Ein weiterer Stoß kürzte den Streit ab. Bayard rutschte an der Klippenwand herunter. Der Oger setzte ihm mit erhobenem Dreizack nach.

In diesem Moment griff Agion in den Kampf ein. Der große Zentaur hatte sich nur noch mühsam zurückgehalten, seit die Sonne aufgegangen war und zunehmend klar wurde, daß Bayards märchenhafte Lösung für unser Problem wirklich ein Märchen war. Die Stärke des Ogers wuchs eher noch, und Bayard wurde schwächer.

Jetzt, wo mein Beschützer in seiner Rüstung wie eine gefangene Schildkröte herumrollte und der Oger sich über ihm aufbaute, stürmte Agion auf die beiden zu, wobei seine großen Hufe gefährlich über das lose Geröll auf dem Weg rutschten. Er schwang seine Keule über dem Kopf, und sein zerzaustes Haar flatterte wie ein Schal im Wind.

Der Oger schreckte hoch, als hätte man ihn aus dem Schlaf gerissen. Schnell wendete er sich dem Zentauren zu, der mit seltsamer, traumhafter Geschwindigkeit rasch die Entfernung zwischen ihnen überwand. Bayard kam auf die Beine, taumelte in seiner schweren Rüstung einen Moment und wollte sein Schwert vom Boden aufheben.

Da drehte sich der Oger mit einem schnellen, kräftigen Schwung des Dreizacks zu Bayard um. Mein Beschützer duckte sich, und das war gut so. Die Zinken des Dreizacks pfiffen eine tödliche Melodie, als sie über seinem Kopf durch die Luft sausten.

Agion stürmte auf den Oger zu. Der Aufprall ließ die Felsen um uns herum erbeben, und die beiden riesigen Wesen rutschten in einem Wirrwarr von Armen, Beinen und Waffen über den steinigen Pfad. Bayard stürmte mit erhobenem Schwert auf sie zu.

Der Oger stieß Agion weg, kroch auf Händen und Knien auf seinen Dreizack zu und erreichte ihn gerade, als Bayard sich bückte, um Agion aufzuhelfen. Mit einem tiefen, trockenen Schrei schleuderte das Monster die Waffe auf den Ritter.

Der nicht hinsah.

Ich brüllte eine Warnung, aber es war zu spät. Bayard sah von dem aufstehenden Zentauren hoch, sah die Waffe auf sich zufliegen. Es blieb keine Zeit mehr zu denken und auszuweichen. Der Ritter stand da wie vom Donner gerührt.

Bis heute frage ich mich, wie Agion sich so rasch und so geschickt in dieser schrecklichen, endlosen Stille bewegen konnte, die sich auszubreiten scheint, wenn etwas Furchtbares passieren wird. Schneller, als ich gucken konnte, stellte sich der Zentaur hin – zwischen Bayard und die fliegende Waffe.

Bei den Göttern, die Zacken gingen tief. Alle drei durchbohrten diese große, dumme Brust, senkten sich rasch hinein.

Brachten das große, schlichte Herz zum Stillstand.

Agion stürzte zum Klang von kullernden Steinen mit einem Stoßseufzer zu Boden.

Jetzt war die Reihe am Oger, überrascht zu sein. Selbst aus der Entfernung konnte ich sehen, wie seine Augen sich vernebelten. Das Biest sah sich dämlich um, als hätte es vergessen, wo es war, und es sah sich immer noch um, als ein wutschnaubender Bayard auf es einstürmte. Ein schneller Schwerthieb brachte Stille. Der Ogerkopf fiel zwischen knackende Zweige. Weitere Zweige knackten, als Bayard sich schweigend neben Agion niederkniete. Ich rannte zu meinem Beschützer.

Dann begann der Ogerkopf, der sich mit seinem verfilzten Haar in den Zweigen verfangen hatte, zu sprechen.

Er sprach mit einer tiefen, honigsüßen Stimme, die ich inzwischen gut kannte, denn war das nicht der Skorpion?

Ich konnte den abgeschlagenen Kopf nicht ansehen, jedoch nicht aus Angst oder Abscheu. Ich konnte meine Augen einfach nicht von Agion abwenden.

Aber ich konnte das Ding reden hören. Oh, ja, ich konnte es hören, als es Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft so kalt und bedrohlich und teilnahmslos durchging, daß es dabei mein Herz wie mit einem Dreizack durchbohrte. Ich erinnere mich an jedes einzelne Wort.