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»…bis wir nach Kastell di Caela kommen. Von dort aus kannst du ein Dutzend Wege nach Hause finden, Galen. Wenn nicht Ritter, die vom Turnier heimziehen, dann gewiß Kaufleute oder Barden oder Pilger auf ihrem Weg nach Westen – nach Küstenlund oder durch den Westtor Paß –, und die werden nichts dagegen haben, daß ihnen jemand mit den Pferden hilft, bis du wieder bei deinem Vater zu Hause bist.

Was mich angeht, so bin ich es deinem Vater schuldig, dafür zu sorgen, daß du nicht in Solamnia verloren gehst oder überfallen wirst. Sei aber sofort bereit und auf dem Pferd, sonst breche ich ohne dich auf.«

Bayard wirkte immer bedrohlich, nur nach den Ereignissen in den Bergen glaubte ich jetzt nicht mehr, daß er bluffte. Während ich in der kalten Nacht nach Luft schnappte – beim Aufwachen fühlt sich die Luft immer kälter an –, wickelte ich mich in meine Decke und klammerte mich dann aus Angst um mein Leben an der Mähne der Stute fest, während wir dem davongaloppierenden Sir Bayard nachhetzten, der schon vor uns in der Finsternis unterwegs war.

Noch drei Tage nach Kastell di Caela.

In den frühen Morgenstunden stoben wir wie Erscheinungen durch den kleinen Ort, den wir von dem Aussichtspunkt im Vingaard-Gebirge gesehen hatten – der Ort, in dem wir Bayard zufolge eigentlich Rast machen wollten. Seite an Seite preschten wir zwischen den dunklen, strohgedeckten Häusern hindurch, wobei uns nur ein paar Lampen in den Fenstern durch die verschlafenen Gassen führten, die zu dieser Stunde die einzigen Zeichen waren, daß das Dorf nicht gänzlich verlassen war.

Außer dem kurz angebundenen Wecken und ein oder zwei lauten Befehlen weigerte sich Bayard, mit mir zu reden. Er ignorierte jede Frage oder Bemerkung von mir, sah über mich hinweg oder durch mich durch, als wäre ich unsichtbar. Ich kam mir vor wie die Puppenspieler von Gutlund, die Erfinder und Darsteller in den Kenderpuppenspielen, die mit ihren hölzernen Figuren auf der Bühne stehen, sie bewegen und ihnen ihre Stimmen leihen. Die Zuschauer ignorieren diese Künstler schon so lange aus Tradition und achten nur auf die Puppen, daß viele Außenstehende sich fragen, ob die Kender die Puppenspieler überhaupt noch wahrnehmen.

Ja, zwischen uns hatte sich einiges geändert. Auch als der Himmel sich bewölkte und es wieder zu regnen begann, hüllte sich Bayard in Schweigen. Er blickte nur auf die Straße vor uns. Zweifellos brütete er über die Bemerkungen des Ogers vor sich hin.

Die Eintönigkeit der Straße – die leichten Hügel, das Schweigen, die Trübseligkeit von Wetter und Stimmung – war zum Verrücktwerden, so daß ich erleichtert und dankbar war, als sich hinter einer Anhöhe endlich eine Änderung der Landschaft andeutete. Wir blickten in ein Tal, das sanft nach Osten abfiel, und da lag vor uns Kastell di Caela, das von den hellen Zelten und den Pavillons von zwei Dutzend Rittern umgeben war.

»Kastell di Caela«, sagte Bayard gleichmütig und zeigte auf die Festung unter uns. »Wir kommen zweifellos zu spät.«

Er hätte ruhig beeindruckter sein können. Kastell di Caela war kein riesiges, imposantes Bauwerk wie, sagen wir mal, der Turm des Oberklerikers eine knappe Woche nördlich; doch es ließ das Haus meiner Kindheit wie eine Hütte erscheinen.

Ich zog an der Mähne der Stute, um sie einen Augenblick anzuhalten, obwohl Bayard bereits ins Tal unterwegs war.

Kastell di Caela öffnete sich gen Westen. Wir konnten von unserem Standort aus den Haupteingang und die Zugbrücke sehen. Vier kleine Türme erhoben sich genau an den Ecken eines riesigen, quadratischen Innenhofs, und diese Türme waren verschieden hoch. Der von uns aus hinterste war bei weitem der höchste, ein viereckiges Bauwerk, das hoch über die beiden konischen Türme davor hinausragte.

Der gute Zustand war bemerkenswert. Schießscharten und Mauerzacken wechselten sich an den Zwischenmauern ab wie lückenhafte, aber ansonsten tadellose Zähne. Die Westfassaden der Türme strahlten im Licht des Sonnenuntergangs hinter uns und glitzerten in einem rötlichen Licht, in dem das Schloß rostig braun, aber immer noch makellos erschien.

So etwas hatte ich noch nie gesehen. Ich weiß, ich war ein armer Bub aus der Provinz, der nicht an große Architektur gewöhnt war; aber obwohl dieser Ort seit über tausend Jahren stand, glänzte er so neu, als würde er wie der Sumpf, den wir hinter uns gelassen hatten, ständig nachwachsen und sich immer wieder vom Zahn der Zeit und vom Nagen des Wetters erholen.

»Ist doch was, oder?« flüsterte ich vor mich hin. Das Packpferd zuckte nervös und schüttelte mich im Sattel durch.

Ich dachte an Agion und wie er unter mir vor der verrückten Architektur des Schlosses zurückgewichen wäre. Dann fielen mir die wenigen Hütten und Höfe ein, an denen wir zwischen dem Sumpf und den westlichen Ausläufern der Berge vorbeigekommen waren, und wie unser Zentaurenfreund vor diesen kleinen Gebäuden zurückgeschreckt war, als wären sie irgendwie ein Versehen der Erde.

Das Schloß vor mir schien zu verschwimmen. Ich hatte keine Zeit, an Agion zu denken. Sir Bayard bekam zu viel Vorsprung. Mit einem scharfen Zungenschnalzen und einem Klaps auf die Flanke setzte ich die Stute in Marsch. Sie galoppierte den Hang hinunter, während sich ihr Reiter verzweifelt festklammerte, und schneller, als ich gedacht hatte, erreichten wir die Ebene vor dem Kastell di Caela und ritten an einigen Pavillons vorbei.

Wo die Ritter ihr Lager abbrachen.

Das Turnier war offenbar vorüber.

Bayard war an den Zelten und dem lauten Lager vorbei und schon fast an den Schloßtoren, bevor ich ihn erreichte.

Er hatte am Rand des Grabens angehalten und dem Posten auf den Zinnen seinen Namen zugerufen und wartete jetzt darauf, daß die Botschaft ins Schloß gebracht wurde – zweifellos zu Sir Robert di Caela. Dann würde das riesige Tor aufgehen und die Zugbrücke heruntergelassen werden. Aufrecht im Sattel sitzend, mit den Augen am Eingang zum Schloß, beachtete Bayard mich nicht, nicht einmal, als ich ihn ansprach.

»Es sieht natürlich nicht so aus, als ob wir ein warmes Bad und ein Federbett für die Nacht bekommen, oder, Sir Bayard?«

Vom Wassergraben aus war die Burg noch beeindruckender, denn die Mauern stiegen über zehn Meter bis zu den Schießscharten über dem Tor auf. Oben auf den Zinnen standen mindestens ein halbes Dutzend Bogenschützen und sahen gelangweilt auf uns herab. Sie waren überhaupt kein bißchen neugierig. Bloß wieder so ein ausländischer Ritter, dachten sie wahrscheinlich.

Nur kommt der hier zu spät.

Wenn man sich im Sattel zurücklehnte und sich den Hals fast ausrenkte, konnte man hinter den Bogenschützen über die Tormauer hinweg die Spitze des höchsten Turms in der Südostecke des Schlosses sehen. Oben auf diesem Turm flatterte ein großes, blaues Banner, das gut zu erkennen war, weil es vom Nordwind gebeutelt wurde – die Fahne des Hauses di Caela. Hellrote Blume auf weißer Wolke vor blauem Grund. Alles wirkte sehr reich, sehr blaublütig und sehr abweisend.

Nervös sah ich Bayard an, der mich nicht beachtete. Statt dessen stieg er ab und wühlte in den Decken auf Valorus’ Rücken herum, bis er etwas gefunden hatte, das in Leinen eingewickelt war. Es war so groß, daß ich überrascht war, daß ich es noch nicht früher bemerkt hatte.

Ja, wenn ich auch nur zur Hälfte Knappe gewesen wäre, dann hätte ich es nicht nur bemerkt, sondern mich sehr gut darum gekümmert.

Es war ein Schild, den Bayard hier am Eingang von Kastell di Caela auswickelte. Nicht der, den er gegen die Schläge von verschwindenden Satyren oder geheimnisvollen Ogern benutzt hatte, sondern ein glänzender, einer ohne jeden Kratzer. Auf ihm war ein rotes Schwert vor einer strahlend gelben Sonne eingraviert.

Der Schild der Blitzklinges.

Wenn Adel auf Adel trifft.

Die Tore wurden uns geöffnet, und Robert di Caela kam höflich lächelnd und elegant persönlich aus der Burg, um uns zu empfangen. Er war einer jener Männer, deren Haar schon in den Zwanzigern grau oder gar weiß wird, die aber unter dem Kopfschmuck eines doppelt so alten Mannes ihre jugendlichen Züge behalten, so daß sie im Endeffekt immer jünger wirken, als sie sind. Und in diesem jungen Gesicht hing ein weißer Schnurrbart, der sorgfältig um eine edel geschwungene Nase gestutzt war, die so fein und gekrümmt war wie der Schnabel eines Falken.