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Seine Augen waren grün wie das küstennahe Meer. Das war kein Mann, der in seinem großen Saal Jagdhunde herumscheuchte.

Gutes Blut, gute Abstammung, ein Knochenbau, um den er zu beneiden war. Ich begann, Hoffnung für Enid zu hegen. Ich begann sogar, Hoffnungen für Bayard zu hegen – daß irgend etwas beim Turnier oder in den Gedanken dieses wichtigen, eleganten Mannes geschehen war, das Bayard zum Favoriten machte, zu Enid di Caelas auserwähltem Verehrer. Daß Bayard der Prophezeiung gemäß seinen Familiennamen mit dem der di Caelas verbinden würde.

So hoffte ich zumindest.

Bis Robert di Caela sprach.

»Blitzklinge, sagt Ihr? Ach, es gab eine Zeit, wo ich Angst hatte, der Name wäre ausgestorben – das muß in Eurer Jugend gewesen sein, als die Bauern Burg Vingaard erstürmten. Ja, der Name bedeutete uns einst viel. Vielleicht hätte er uns auch jetzt viel bedeutet… wenn Ihr rechtzeitig eingetroffen wärt.«

»Das Turnier…«, setzte Bayard fragend an.

»Ist vorbei«, erklärte Sir Bayard barsch. »Und meine Tochter ist verlobt.«

Bayards Gesicht wurde rot.

»Verlobt…«, fuhr Sir Robert mit einem Hauch von Kälte und Bangigkeit in seiner Stimme fort, »mit Gabriel Androctus, solamnischer Ritter des Schwerts.«

Ich konnte nicht ausmachen, ob diese Kälte und die Beklommenheit für Sir Bayard bestimmt waren, oder ob sie jetzt ausschließlich diesem Androctus galten. Aber ich konnte trotz seiner Höflichkeit feststellen, daß Sir Robert di Caela der auserkorene Schwiegersohn nicht zusagte.

»Nein, Sir Bayard Blitzklinge von Vingaard«, fuhr Sir Robert jetzt noch kälter fort, »es hieß, Ihr würdet hier sein – ja, Ihr wärt gar dazu ausersehen, das Turnier zu gewinnen. Mein alter Freund Sir Ramiro vom Schlund wollte schon einen erklecklichen Betrag auf Eure Lanze wetten.«

»Ich kenne Ramiro gut«, erwiderte Bayard bescheiden. »Er hat einen Hang zum Leichtsinn.«

»Der noch leichter wird, wenn die fragliche Partei nicht auftaucht!« fauchte Sir Robert. Dann beherrschte er sich wieder, lächelte und zeigte auf eine Tür zur Burg. »Der junge Mann, der durch die Lanze erwählt wurde, ist zwar etwas ungeschliffen, scheint aber tadellos erzogen und einzigartig zum Lanzenkampf begabt zu sein.«

Sir Robert blickte Bayard scharf an, der bei jedem Schritt über den Hof kleiner wurde. Als wir die Tür zur Burg erreichten, ergriff Bayard die Chance, Sir Robert und Kastell di Caela mit Anstand zu verlassen.

»Es liegt mir fern, Gastfreundschaft auszuschlagen, besonders die eines so edlen und großzügigen Hauses«, fing er an und erlangte beim Sprechen sein Gleichgewicht und sein Selbstvertrauen zurück, »aber meine Pferde sind müde. Und mein Knappe sicher auch.« Das kam fast wie ein Nachsatz.

»Aus diesem Grunde bitte ich Euch, mich bis morgen zu entschuldigen. Mit Eurer Erlaubnis werde ich meinen Pavillon außerhalb der Burgmauern bei den anderen Rittern aufstellen.« Der erste Fehler bei diesem ganzen, höflichen Rückzug war, daß wir gar keinen Pavillon zum Aufbauen hatten – nicht einmal ein Zelt. Doch Bayard dachte gar nicht ans Übernachten; er war nur darauf aus, hinter diese Mauern zu gelangen, wo wir ganz sicher bis in die frühen Morgenstunden an einem Lagerfeuer frösteln würden. Dann würden wir leise in Begleitung anderer aufbrechender Ritter abreisen. Nach dieser kurzen Unterhaltung mit Robert di Caela war es offensichtlich, daß der große Zweifel in Bayards Gedanken sich als richtig erwiesen hatte: Die handschriftliche Prophezeiung am Rand des Buchs von Vinas Solamnus war im besten Fall eine Ausgeburt der Phantasie, im schlimmsten Fall ein gemeiner Witz. Bayard war geschlagen. Anstatt sich selbst und den Namen Blitzklinge noch weiter zu beschämen, wollte er zügig zum Sumpf von Küstenlund zurückkehren, um die Nachricht vom Tod unseres Begleiters zu überbringen und sein Versprechen an Agion wahrzumachen, daß er sich dem Urteil der Zentauren beugen würde.

»Ich respektiere die Entscheidung meines Herrn und Beschützers, Sir Robert, doch wenn Eure Hoheit einverstanden ist, würde ich heute nacht lieber in Kastell di Caela bleiben.«

Bayard und Sir Robert starrten mich mit offenem Mund an.

Wir standen an der großen Mahagonitür zum Schloß – zwei Mann hoch und fünfmal so schwer –, und es war, als wäre diese Tür plötzlich auf uns vier heruntergekippt.

»Sicher, junger Mann, die Gastfreundschaft dieses Schlosses steht dir frei…«, begann Sir Robert. Ich konnte das große »Aber« in seinem Satz kommen hören, deshalb reagierte ich sofort.

»Dann nehme ich Euer freundliches Angebot an, Herr.« Ich drehte mich zu den Pferden um, um meine Sachen vom Packpferd zu nehmen, denn ich wußte, daß beide Ritter sich viel zu fein waren, um in meiner Abwesenheit eine Entscheidung über meinen Verbleib zu treffen.

Das ist das Beste an der guten, alten solamnischen Höflichkeit: Man kann sich darauf verlassen, daß die Leute, die man ausnutzt, prinzipiell anständiger sind als man selbst. Als ich zu den Pferden lief, konnte ich mich entspannen und mich zum erstenmal umsehen, weil ich wußte, daß während Galens Abwesenheit keine Intrigen gesponnen wurden.

Kastell di Caela war weniger eine Burg, als vielmehr eine von Mauern umgebene Stadt, jedenfalls sah es damals für mich so aus. Häuser und Unterstände mit Strohdächern säumten die Innenseite der Torwand. Sie dienten anscheinend entweder als Heim oder als Geschäft für Bauern und Pächter, die hier Waren tauschten, miteinander stritten und mir Hühner anboten.

Nachdem unsere Pferde erstmal hinter den Burgtoren waren, schienen sie gelöster. Jetzt quälte sie nur noch der Hunger. Während einer der Bauern einen anderen beschimpfte, fischte ich mehrere Rettiche aus dem Korb vor seinem Stand und bot sie der Stute an. Sie fraß selig. Erst schnaubte sie kurz angesichts des ersten, scharfen Geschmacks der Pflanze, doch dann kaute sie laut und genüßlich, wobei sie entzückt ihre großen, braunen Augen schloß.

Ich sah der Stute beim Kauen zu, während ich vorsichtig meine Tasche aus dem unordentlichen Haufen auf dem Packsattel zog. In solchen Zeiten möchte man ein Pferd oder Maultier sein – frei von Sorgen über die Zukunft und vor allem von der gegenwärtigen Politik. Wenn ich mich nur darum zu sorgen habe, wo der nächste Rettich herkommt, schleppe ich mit Freuden eine hundert Pfund schwere Rüstung.

Ich warf einen Blick über die Schulter, wobei ich darauf achtete, meine Hände hinter dem Rücken zu verstecken, falls das Packpferd meine Finger mit weiteren Radieschen verwechselte.

An der Tür zur Burg redeten Sir Robert und Bayard immer noch – anscheinend ruhig, auch wenn ich selbst von hier aus sehen konnte, daß Bayard wegen des Ungehorsams seines Knappen immer noch schamrot war. Wie auch immer, eigentlich dachte ich ja, daß ich nicht mehr sein Knappe war.

Was nicht bedeutete, daß ich ihm nicht mehr diente.

Denn es gibt nichts, was einen Jungen gedanklich so sehr zu sich selbst zurückbringt wie ein langer Ritt, bei dem nicht gesprochen wird. Besonders wenn er die Gedanken seines Gefährten kennt und weiß, daß sie nicht besonders freundlich sind. Auch wenn das ganze Hügelland von Solamnia zwischen dem Fuß des Vingaard-Gebirges und den Toren von Kastell di Caela gelegen hätte, wäre die Reise nicht lang genug gewesen, den Gedanken an diesen schmalen Paß und den prahlerischen Ogerkopf zu entrinnen.

Und an unseren gefallenen Freund mit seinem armseligen Steingrab.

Was ich Agion schuldete, würde ich nie wieder gutmachen können.

Aber auch Bayard schuldete ich eine ernsthafte Buße und wollte mich ans Werk machen. Doch das ging besser in diesem Schloß, wo seine Hoffnungen auf Macht und Heirat in Trümmern lagen, als von irgendeinem einsamen Lager aus.