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Schließlich nannte man mich Wiesel.

Wenn alles andere fehlschlug, konnte ich mich bei Robert di Caela einschmeicheln. In den nächsten Tagen würde ich um den alten Mann herumflattern und jedes Wort, jede Tat von ihm bewundern. Selbst seine Gesten würde ich bestaunen. Enid würde ich wie meine geliebte, ältere Schwester behandeln, egal, wie stur und dumm sie sich aufführen mochte, und ich würde von Sir Robert lernen, wie man sein Land verwaltet, während diese neugefundene Schwester in irgendwelchem Ödland von Gabriel Androctus enttäuscht werden würde. Ich würde Sir Robert das leere Nest füllen, und wenn die Frage des Erbes aufkäme (was angesichts der Stärke und offensichtlichen Gesundheit der di Caelas noch Jahre hin war), hatte ich ihn vielleicht genug becirct, daß man von mir in den Sälen hörte, wo der letzte Wille aufgesetzt wurde. Mir gefiel die Größe, die Bauweise und der Luxus von Kastell di Caela. Ich hoffte inständig, eine Weile bleiben zu können.

Doch immer der Reihe nach. In dieser ganzen Pracht mit den vielen Fenstern mußten auch Aussichten für Bayard sein.

Bayard ritt zum Tor hinaus auf das Gelände, das die Burg umgab, wo er die Nacht zwischen den Pferden auf dem Boden verbringen würde, während ich in frischem, seidenem Bettzeug und hoffentlich an einem Kamin schlafen würde. Dabei warf er mir einen so ungläubigen, geschlagenen und enttäuschten Blick zu, daß ich für einen Augenblick richtig wütend wurde. Trotz des Skorpions, seiner Diebstähle und Lügen und Gemeinheiten, glaubte Bayard, daß ich das eigentliche Wiesel im Hühnerstall war.

Dann erreichte mich von irgendwoher aus den warmen Räumen der Burg Bratenduft. Ich folgte Sir Robert durch die riesige Mahagonitür in einen gut erleuchteten Raum mit poliertem Marmorboden, in dem sich glänzende Rüstungen und dunkle Gemälde befanden.

Das war die Art von Heim, für die ich geboren war, beschloß ich.

»Bei meiner Unterhaltung mit Sir Bayard hörte ich den Namen ›Galen‹«, begann Sir Robert, wobei er seinen herrlichen blauen Mantel neben sich über einen Stuhl legte. »Ist es möglich, daß ich den Familiennamen kenne, oder bist du…« und er lächelte, so weit ich sehen konnte, ohne jede Ironie, »… von einem fernen Ort, dessen Namen mir vielleicht nicht bekannt sind.«

»Ich bin ein Pfadwächter«, sagte ich.

»Aha«, entgegnete Sir Robert und sagte nichts weiter, als er eine Kerze auf einem Mahagonitisch im Saal anzündete und mir ein Zeichen gab, ihm zu folgen.

Wir kamen durch den Ahnensaal der Familie di Caela. Ich wußte, daß die Blitzklinges eine gewisse historische Bedeutung hatten – und ich hoffte inständig, daß Sir Robert mich nicht bitten würde, sein Gedächtnis in bezug auf meine Familiengeschichte aufzufrischen –, doch irgendwie verblaßten beide Namen vor dem Glanz und den Traditionen, die dieses Gebäude beherbergte. Ich ging durch eine Art Schrein – ich wußte, sowohl Vater als auch Gileandos wären beeindruckt gewesen.

Denn das hier war der Sitz einer bedeutenden Familie, die Seite an Seite mit Vinas Solamnus gekämpft hatte. Die ihre Herkunft über ein Jahrtausend zurückverfolgen konnte. Und der Mann vor mir, der die Kerze hielt, war der Erbe von alledem – nicht nur des Reichtums, wohlgemerkt, sondern auch der Geschichte, des Heldentums und des Adels. Ich suchte aus dem Augenwinkel nach einem Porträt, das Benedikt darstellen mochte. Die Augen eines Porträts – eines schönen, alten Mannes mit einer auffälligen Narbe auf der linken Wange – schienen mich zu verfolgen, als ich durch diesen Saal lief. Ich dachte an Kindermärchen über Spuk in Galerien und über Wesen hinter den Wänden, die Vorübergehende durch Löcher in den Bildern beobachteten.

Da ich die Augen bei dem Bild und die Gedanken bei der Wahrscheinlichkeit von Spuk in der Vertäfelung hatte, merkte ich erst, daß Sir Robert stehengeblieben war, als ich in ihn hineinlief.

»Ein Pfadwächter, sagst du?«

»Ja, Sir.«

»Sohn von Sir Andreas Pfadwächter?«

»Ja, Sir.«

»Aber mir wurde gesagt…«

»Sir?«

»… daß Sir Andreas nur zwei Söhne hat«, überlegte Sir Robert mit schiefgelegtem Kopf. Er nahm mich bei der Schulter und schob mich unter einen Fackelhalter an der Wand – eindeutig, um mich besser betrachten zu können.

»Ich werde oft vergessen, wenn man die Söhne aus der Wasserburg aufzählt«, erwiderte ich verzweifelt schnell, wobei ich mit weit aufgerissenen Augen auf den Fackelhalter über mir starrte, damit sich meine Augen mit der starken Hitze und dem Rauch der Fackel füllen konnten.

Aus irgendeinem Grund brannte meine Kehle schon ohne die Hilfe von Fackel oder Rauch. Und nachdem das Feuer die Tränen herausgelockt hatte, brach ich gekonnt in falsches Schluchzen aus.

»Meine Brüder sperren mich in den Ställen ein, Sir Robert. Bei den Jagdfalken!« schniefte ich.

Sein Griff an meiner Schulter ließ nach.

»Wenn das so ist, mein Junge, dann werden sie sich bald dafür verantworten«, erklärte er – wirklich eine verwirrende Bemerkung.

Ich sah ihn neugierig an. Er drehte sich weg und sagte verlegen zu mir:

»Jetzt reiß dich zusammen, Galen. Du bist zu groß für Tränen.«

Als wir durch einen Bogen in einen weiteren Raum traten und auf eine breite Treppe zugingen, folgten meine Augen den Stufen zu einer Empore mit Marmorbrüstung und Statuen von Falken und Einhörnern. Fein gearbeitete, metallene Kuckucke saßen auf Schaukeln, die von der Decke der Burg herunterhingen. Ihre Aufhängungen verloren sich in der Dunkelheit und der Höhe.

Plötzlich pfiff hinter uns ein Kuckuck. Ich drehte mich nach dem Geräusch um.

Und hatte dort auf der Galerie eine Erscheinung, die einen Metallkuckuck aufzog.

In Wahrheit war es ein Mädchen ungefähr in meinem Alter in einem einfachen, weißen Kleid, das von der Prinzessin bis zur Dienerin praktisch jedes Mädchen als bequemes Kleidungsstück tragen konnte. Es war jedoch offensichtlich, daß diese dort es nicht gewohnt war, irgendwelche Befehle zu befolgen. Sie bewegte sich über die Empore, als ob sie ihr gehörte.

Das Mädchen hatte blondes Haar und eine helle Haut, doch selbst von unten konnte ich sehen, daß ihre Augen dunkel und ihre Wangenknochen hoch wie die einer Frau aus den Ebenen waren. Daher wunderte ich mich zunächst über ihre Abstammung, um dann auf der Stelle zu beschließen, daß sie von beiden Seiten der Familie das Beste geerbt haben mußte.

Das Mädchen beachtete uns kaum, sondern war damit beschäftigt, den einen Kuckuck zu reparieren, dessen Ruf anscheinend nicht mehr funktionierte. Mit einem winzigen, glitzernden Werkzeug untersuchte sie den Kopf des Spielzeugs.

»Sag den Dienern, daß sie noch ein Gedeck zum Abendessen auflegen sollen, Liebling«, rief Sir Robert dem Mädchen auf dem Absatz zu. »Wir haben einen Gast.«

»Sag du’s ihnen«, rief das Mädchen zurück, dessen Aufmerksamkeit immer noch seiner Aufgabe galt. »Du gehst doch in die Richtung.«

Sir Robert errötete kurz und ballte die Fäuste. Dann schüttelte er lachend den Kopf und ging weiter. Ich lief doppelt so schnell, um mit ihm aufzuschließen.

»Eure Frau, Herr?«

»Meine folgsame Tochter, Enid di Caela«, grinste Sir Robert, als wir über ein paar Stufen zu einer anderen Mahagonitür gingen.

Enid? Die kuchenbackende, stämmige Enid aus meiner Phantasie? Bayard hatte guten Grund, niedergeschlagen zu sein!

»Enid di Caela«, wiederholte Sir Robert, diesmal ruhiger und weniger lustig. »Bald Enid Androctus. – Ah, und hier ist einer deiner Brüder!«Es dauerte einen Augenblick, bis Sir Roberts letzte Bemerkung mich erreicht hatte. Ich kämpfte immer noch mit dem Gedanken, wie sehr die echte Enid die Enid meiner Vorstellungen bei weitem übertraf. Ich war immer noch in ihr blondes Haar verstrickt, ertrank in ihren dunklen Augen, wie die Dichter vielleicht sagen würden. Doch als Alfrik durch einen Türbogen vor uns trat, konnte ich mich gerade noch davon abhalten, kehrt zu machen und durch die getäfelten, kuckucksbesetzten Gänge zu flüchten.