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Trotz all der jungen Kämpfer, die hier versammelt waren, und trotz der normalerweise gelösten Stimmung am Vorabend einer Hochzeit, besonders bei einem Bankett, wo es Musik und Wein im Übermaß geben würde, war die Stimmung da unten nüchtern, ja, trostlos.

Und trostlos blieb sie, bis sich fast alle Ritter gesetzt hatten. Dann wurde die Musik leiser, und auf Anweisung von Sir Robert, der anscheinend selbst etwas sentimental veranlagt war, huschten Diener durch den Raum und löschten fast die Hälfte der Kerzen und Lampen und ein paar Kerzen in dem Kronleuchter, der in der Mitte des Saals von der Decke hing. Jetzt herrschte ein tief bernsteinfarbenes Licht. Im flackernden Kerzenschein, der auf seinem polierten Brustharnisch glitzerte, betrat der Bräutigam zu einem feschen Marschlied der Cellos und eines kleinen, silbernen Kornetts den Saal. Auch das Kornett glitzerte in den Händen des Musikanten auf der anderen Seite des Saals.

Von hier oben aus konnte ich ihn in dem Dämmerlicht schlecht erkennen. Seine Schritte waren lang und zielstrebig, und ich bemerkte, daß selbst einige der imposanteren Ritter bei seinem Nahen ängstlich zurückwichen.

Auf einen Wink von Sir Robert standen die, die sich bereits gesetzt hatten, respektvoll auf, und jeder Ritter erhob sein Weinglas in Richtung auf die dunkel gekleidete Gestalt, die da kam. Das Fackellicht ließ die Kristallgläser und den roten Wein schimmern.

Vor Sir Roberts Tisch blieb Sir Gabriel in Habachtstellung mit den Händen auf dem Rücken stehen. In dem spärlichen Licht des großen Saals der di Caelas konnte ich einen kurzen Blick auf sein Gesicht werfen: Es war blaß, hatte dunkle Brauen, aber er sah gewiß gut aus. Auch schien er nicht zu alt für ein Turnier aus diesem Anlaß, im Gegensatz zu einigen anderen Anwesenden, die – falls sie tatsächlich in den letzten Tagen daran teilgenommen hatten – sich hätten schämen sollen, daß sie sich aufführten, als wären sie erst halb so alt.

Sir Gabriel schien genau zu wissen, was er tat. Wie ein Tanzmeister, der für Pomp und Rituale geboren ist, erledigte er den zeremoniellen Teil des Banketts.

Sir Robert stand mit erhobenem Glas vor ihm.

»Gesundheit und ein langes Leben für Gabriel Androctus, Ritter des Schwertes von Solamnia«, fing er an. »Dem wir am Nachmittag nach diesem einmaligen Abendbankett unser größtes Juwel übergeben werden.«

»Gesundheit und ein langes Leben für Sir Robert di Caela, den Herrn des Hauses di Caela«, setzte Sir Gabriel Androctus zu seiner Erwiderung an, doch weiter drang kein Wort mehr zu meinem Verstand vor, so entgeistert war ich angesichts der bekannten, honigsüßen, giftigen Stimme. Einer Stimme, die ich sofort erkannte, denn ich hatte sie in der Wasserburg und im Sumpf gehört.

Der Bräutigam war der Skorpion.

14

Als Sir Robert nach mir schickte, lag ich wieder in meinem Bett. In Decken eingepackt täuschte ich Fieber vor, stöhnte den Wachen, die mich abholen wollten, mitleiderregend etwas vor und schickte sie dann mit meinem Bedauern zu Sir Robert zurück.

Jetzt kam der schwierige Teil. Die Gänge hatte ich mir zwar gut eingeprägt, doch ich hatte nicht die geringste Ahnung, was hinter den meisten Türen lag. Hinter irgendeiner mußte natürlich das Zimmer des Skorpions sein, in dem es einen Hinweis darauf geben mochte, wer er war, und was er wirklich wollte.

Der Fluch von Kastell di Caela war überfällig, und nach Bayards Geschichte damals in den Bergen war ich sicher, daß der alte Benedikt – nämlich der Skorpion – wieder da war.

Beim Warten spielte ich unschlüssig mit der Calantina herum. Ich ging meine Möglichkeiten durch. Vor dem Fenster legte sich die Dämmerung über den Hof, die Mauern und Türme und die weiten Ländereien von Kastell di Caela. Irgendwo über mir – vielleicht genau auf der Spitze dieses Turms, wo das Banner der di Caelas noch eine letzte Stunde rot und blau und weiß herumflatterte, bevor ein Klettermaxe von Diener es für die Nacht einholen würde – begann eine Nachtigall ihre dunkle Serenade an Monde und Sterne.

Im Zimmer waren nur drei Kerzen, die ich alle gegen die einbrechende Dunkelheit anzündete. Dann ging ich zum Fenster und sah nach unten.

Der Burghof unter mir war bereits in Schatten gehüllt, und schemenhaft bewegten sich Diener darin, die aufgezäumte Pferde für abreisende Ritter bereitstellten. Das Bankett war schon fast vorbei. Irgendwo vom Speisesaal hörte ich grölende Lieder, ein sicheres Zeichen, daß man beim Fest von Wildbret zu Schnaps übergegangen war.

Immer noch kein Plan. Das Wiesel steckte fest. Ich überlegte fieberhaft, nahm wieder die Würfel zur Hand.

Zeichen des Drachen? Irgend etwas von den Versen fiel mir wieder ein – so was wie »eine Maske der Unschuld zerstören«. Ich konnte mich an nichts weiter erinnern, so daß ich es fürs erste sein ließ und mich wieder aufs Bett setzte, wo ich in den Kamin und in das heruntergebrannte Feuer starrte, das einer meiner Brüder vor meiner Ankunft im Schloß angezündet haben mußte. Das Feuer war jetzt fast erloschen und ließ die Finsternis ins Zimmer.

Ich griff gerade nach einer Kerze, als ich Geräusche am Fenster hörte – Kratzen und das Schlagen von Flügeln und einem Schnabel gegen das Fenster. Mir blieb das Herz stehen.

Ich lief zum Fenster und machte es weit auf, obwohl ich genau wußte – wie man das eben durch Ahnung oder Instinkt weiß –, was mich draußen erwartete.

Ich frage mich heute noch, warum ich den Raben hereinließ. Ich wußte, wo er herkam, und ich wußte Bescheid über den, der ihn geschickt hatte – geschickt oder sich selbst in ihn verwandelt hatte oder in ihn eingedrungen war wie Wasser in einen Krug. Ich habe nie herausgefunden, wie es funktionierte. Obwohl alles, was ich vom Skorpion wußte, brutal und oft blutrünstig war, machte ich das Fenster auf.

Während ich zum Fenster lief, stieg jede nur mögliche Angst in mir auf. Ich dachte an die Drohungen in der Wasserburg und im Wächtersumpf, an die so unheimlich verwandelten Ziegen und an den toten Agion im Vingaard-Gebirge, dem die scharfen Zinken eines Dreizacks grausam tief in der Brust steckten. Auf dem kurzen Weg vom Bett zum Fensterladen hatte ich sogar so intensiv daran gedacht, daß ich einen Augenblick lang erleichtert und direkt etwas enttäuscht war, als ein lebendiger, atmender Rabe ins Zimmer flog, wo ich mich doch auf ein Monster vorbereitet hatte.

Er starrte mir direkt ins Gesicht, wie ein Mensch oder ein Pferd starren würden, anstatt den Kopf zur Seite zu drehen und mich mit dem einen glitzernden Auge zu betrachten, wie das jeder natürliche Vogel tun würde. Und die Stimme war überhaupt nicht natürlich, allerdings erschreckend bekannt.

»Das Wiesel wieder. Deine dummen Brüder haben deine Ankunft heute abend überall herum erzählt, und du hast gewiß die Neugier des Alten di Caela auf dich gezogen. Er hat viele Fragen an dich.«

»An mich? Ich bin doch bloß ein einfacher Knappe. Ex-Knappe, genau genommen«, sagte ich, während sich meine Gedanken überschlugen.

»Nun«, zischte der Rabe, »er ist einfach ein wenig… betrübt, was Bayard betrifft – der doch auf die Prophezeiung hin den ganzen Weg auf sich genommen hat, nur um durch viel Pech und Verzögerungen aus dem Rennen geworfen zu werden.« – Ich schwöre, daß der Rabe an dieser Stelle kicherte. – »Nur du und ich wissen, daß du dieses Pech warst, kleiner Freund. Du hast die Verspätung auf dem Gewissen. Sir Robert vermutet das, aber nur du und ich wissen es.«

»Und trotzdem«, versuchte ich es, »Bayard tut mir leid.« Ich tat möglichst unbeschwert. »Bloß weil er Enid di Caelas Hand nicht errungen hat, kann er doch nicht völlig leer ausgehen. Bestimmt habt Ihr, wo Ihr soviel Glück gehabt habt, doch ein kleines bißchen Mitleid mit ihm.«