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»Die sind unter den fairen und beiderseitig akzeptierten Regeln des solamnischen Zweikampfs gefallen. Was nicht heißen soll, daß es mir keinen Spaß gemacht hätte, als Orban von Kern tot umfiel, oder als meine Klinge Sir Prosper Inverno traf.«

»Und Jaffa? Was ist mit dem Bauern?«

»Der ist mit dem Schwert auf mich losgegangen, Wiesel. Was hätte ich denn tun sollen? Und dennoch genoß ich seinen Tod, weil ich wußte, daß man ihn Bayard Blitzklinge anlasten würde.«

Ich hielt inne und atmete einmal tief durch, bevor ich fragte:

»Was ist mit Agion?«

»Agion?« Der Vogel auf meiner Schulter setzte sich um. Wieder nahm ich den Modergeruch unter dem Parfüm wahr.

»Der Zentaur, verdammt! Die Sache mit dem Oger im Vingaard-Gebirge trug voll und ganz Eure Handschrift, und Ihr könnt nicht behaupten, daß – «

»Daß der Kampf zwischen Bayard und dem Oger nicht fair war? Aber natürlich kann ich das. Es war der Kampf eines Ritters gegen einen Feind, und wußte dieser Agion nicht, wie… unehrenhaft es ist, sich in einen solchen Zweikampf einzumischen? Der Tod des Zentauren ist zu bedauern, doch er wurde nur für seine Überschreitung gerecht bestraft. Oder willst du das bestreiten?«

Ich sagte kein Wort.

Aber schweigend gelobte ich mir und Agion, alles zu tun, um dieses Monster auf meiner Schulter zu erledigen.

»Nur warum? Welchen echten Nutzen habt Ihr denn noch vom Erbe der di Caelas?«

»Keinen.« Der Flügel des Vogels streifte mich wieder, und wieder zog der alte Verwesungsgeruch an mir vorbei.

»Keinen mehr. Auf dieser Seite der Finsternis verblaßt das Land, die Juwelen und das Gold leuchten wie verrottetes Holz, nicht mehr in ihrem eigentlichen Glanz. Selbst die Töchter… verblassen, weil ich mich nicht mehr an sie erinnere.

Nein, ich mache das, weil die di Caelas diese Dinge haben wollen, weil sie sie in die warmen, lebendigen Hände ihrer Nachkommen legen wollen.

Ich mache das um der Zerstörung willen, Wiesel. Einfache, klare Zerstörung. Und das reicht mir.

Darum befolge ich die Regeln und heirate Lady Enid di Caela. Und auch wenn sie ein hübsches und kluges Ding sein mag, und wenn ich es vielleicht bedaure, soviel Schönheit und Klugheit zu vergeuden, werde ich sie danach töten müssen. Mit einer ›blitzenden Klinge‹ eigener Art. Denn dann ist es aus mit den Regeln, kleiner Galen. Dann gehört mein Erbe wieder mir. Ich bin der di Caela, und mein Wort ist Gesetz.«

Ich versuchte, mich zu bewegen und das verhaßte Vieh von der Schulter abzuschütteln, doch ich war wie gelähmt. Es war, als wäre ich eines dieser Opfer, das der Skorpion sticht, um es dann an einen dunklen, fernen Ort zu ziehen, wo er über seine hilflose, sterbende Beute rennt und sich daran labt.

»Kein Sterbenswörtchen darüber, Wiesel«, wisperte der Rabe. »Oh, nein, kein Wort. Denn Sir Bayard ist jetzt schon gegen dich eingenommen, und Sir Robert kommt um vor Gram. Ich bin dir natürlich… unendlich dankbar für deine Unterstützung. Das würde mich allerdings nicht davon abhalten, dir die Augen auszupicken und sie zu fressen oder – was sagte ich so schön in der Wasserburg – dir die Haut vom Leibe zu ziehen? Oder Schlimmeres, oh, ich versichere dir, noch viel Schlimmeres, wenn du je mein Vertrauen enttäuschst.

Außerdem, kleiner Herr Galen, sind wir ja schließlich verschworene Partner, nicht wahr? Und ich habe vielleicht noch mal Verwendung für dich.«

Ich hatte keine Ahnung, was der Skorpion damals mit mir im Sinn hatte, welche heimtückische Rolle er mir in den nächsten Tagen zugedacht hatte. Ganz sicher hatte er mir mehr erzählt, als klug für ihn war, falls er nur vorhatte, das Mädchen zu heiraten und mich in Ruhe zu lassen.

Da kam Brithelm ins Zimmer, der ein Tablett mit Essen auf dem Kopf trug, und der Vogel flog los und knallte gegen das dicke Glas der Fensterscheibe, so daß er auf das Fensterbrett fiel und dunkel und regungslos im schwachen Licht des roten Mondes liegenblieb.

Dieses eine Mal war ich glücklich, daß Brithelm nie daran dachte anzuklopfen.

»Abendbrot, Galen!« flötete mein vergeistigter Bruder fröhlich und reckte den Hals, um das vollbeladene Tablett zu stabilisieren. »Die Wachen sagen, daß du im Regen stehst und die Federn hängen läßt!«

Ich merkte, daß ich die Arme wieder bewegen konnte. Ich fühlte, wie meine Beine schwach wurden und vor Erleichterung und in der Erinnerung an die Angst schlotterten.

»Ja, aber was stehst du denn da rum? Ab ins Bett, wenn es dir schlecht geht, Galen, und dann Suppe. Und Wein, auch wenn ich finde, daß du noch zu jung bist. Was soll’s, wenn du erst mal gefestigt bist, dann wette ich, du – «

»Brithelm!«

Mein Bruder hörte auf zu reden und blieb mitten im Zimmer stehen, wobei das Tablett auf seinen dicken, roten Haaren schwankte.

»Brithelm, mir geht es nicht gut.«

Während mein Bruder mich in Decken hüllte und mir heiße Suppe und gesüßten Wein verabreichte, erzählte er seine Geschichte.»Alfrik hat ebenfalls die Satyre getroffen, denen wir im Sumpf begegnet sind«, erzählte Brithelm unschuldig. »Das hat er mir erzählt. Damals wußte er auch noch nicht, daß es nur Illusionen waren. Er hat mehrere von ihnen getötet und dabei entdeckt – wie wir –, daß es Ziegen waren, und in seiner ehrenhaften Wut…«

»›Ehrenhafte Wut‹, Brithelm? Waren das Alfriks Worte?«

»Ja doch, ich halte sie für passend, du etwa nicht? Denn in seiner ehrenhaften Wut über die Tatsache, daß man unschuldige Tiere für so überaus schändliche Pläne mißbrauchte, suchte er das Lager des Zauberers und fand den Schurken unweit der Stelle, wo er die Satyre gefunden hatte. Er schlug die ganze Gruppe in die Flucht.

Vielleicht hatten wir es deshalb später so leicht, den Schurken aus dem Sumpf zu vertreiben, als wir ihn dann trafen.«

»Ich schätze, das ist Alfriks Theorie?«

»Allerdings. Er hat mir erklärt, er habe den Weg für die Heldentaten von Sir Bayard Blitzklinge freihalten wollen. Auch wenn Alfrik voller Demut bestreitet, daß ihm allein der Ruhm für die Vertreibung des Bösen aus dem Sumpf gebührt.«

»Voller Demut«, bestätigte ich.

Ich fühlte mich noch schlimmer. Die Übelkeit, die ich nur für die Wachen erfunden hatte, schien jetzt wahr zu werden und überkam mich in schwindelerregenden Wellen. Ich hustete und nieste einmal. Dann wickelte ich mich fester in die Decken und streckte die Hand nur so weit heraus, daß ich die Schale mit süßem Wein hochheben und daraus trinken konnte. Ich sah zum Fenster, wo still die kleine, dunkle Gestalt lag.

Brithelm brabbelte etwas über Alfriks Tapferkeit, wie er Alfrik aus dem Treibsand gerettet hatte, und wie sie an dem Morgen nach unserer Trennung zusammen aufgebrochen waren. Wie sie ohne Zwischenfall über die Ebenen von Küstenlund gezogen waren – auf Pferden, die Alfrik aus Dankbarkeit von Archala, dem Anführer der Zentauren, bekommen hatte, weil er geholfen hatte, die Satyre aus dem Sumpf zu vertreiben.

Anscheinend hatten sogar die Zentauren Alfrik seine haarsträubende Geschichte abgekauft.

Brithelm fand kein Ende. Er erzählte, wie schnell die Zeit auf dem Weg verstrichen war und wie angenehm, bis auf die Furcht, die in beiden aufkam, daß sie Bayards Paß womöglich nicht finden würden. Dann hätten sie sich nordwärts wenden und fast bis Palanthas reiten müssen, um die Berge zu durchqueren, und dieser Umweg hätte bedeutet, daß Alfrik das Turnier versäumte. Und Brithelm fuhr fort, daß »etwas« ihm gesagt hätte, er solle dem Flug der Raben folgen. Dann hatten unterwegs bald Raben über ihnen in den Zweigen gesessen, die unheilvoll krächzten, und als Alfrik schrie und fliehen wollte, flogen die Vögel ostwärts nach Solamnia.

Ich nippte wieder am Wein, sah nochmals aus dem Fenster und erschauerte.

Brithelm sagte, daß er und Alfrik den Paß gefunden hätten, indem sie den Raben folgten. Sie hatten die Berge mitten in der Nacht durchquert.