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»Nein, nein, Junge, solche Worte würdest du von Bayard Blitzklinge niemals hören. Dein Bruder hat bei dem Bankett vorhin ziemlich herumgetönt und schien höchst angetan davon, daß du Sir Bayards Absichten so dreist zunichte gemacht hast. Falls das also wirklich so ist und du jetzt Vergebung suchst, würde ich dir raten, bis morgen zu warten.«

Der große Ritter baute sich vor mir auf und verschränkte die Arme vor seiner umfangreichen Brust. Es war, als würde einem ein Tor vor der Nase zugeschlagen, und ich trat zurück – um ein Haar in das fröhliche Lagerfeuer von zwei Rittern aus Kargod. In meiner alleramtlichsten Stimme, die mindestens eine Oktave tiefer war, sagte ich:

»Bayard ist also nicht zufrieden mit mir, Sir Ramiro? Vielleicht wird es ihn befriedigen, wenn die Familie di Caela, einschließlich der schönen Enid, nun doch noch von dem Fluch eingeholt wird, den sie seit vierhundert Jahren mit sich herumschleppen.«

»Wieder der Fluch? Ich dachte, die di Caelas hätten diese Geschichte zu den Akten gelegt.«

»Bitte laßt mich durch, Sir. Die Hiobsbotschaften sind zuerst für Sir Bayards Ohren bestimmt.«

Ich hustete wieder und begann den langen Umweg um Sir Ramiro. Er wollte sich wieder in den Weg stellen, doch Brithelm lenkte ihn mit ein paar Fragen über sein sprechendes Schwert ab, und ich konnte frei durch das Lager zu Bayards Platz laufen, der dort in Decken und düstere Gedanken gehüllt saß und die Sterne beobachtete.

Ich blieb stehen und sortierte meine Gedanken, während Bayard den Mond betrachtete.

»Es geht um Kastell di Caela, Sir. Da sieht’s nicht gut aus, fürchte ich.«

»Also wollte Robert dich auch nicht haben?« fragte Bayard eisig, während er nach wie vor über mich hinweg auf das Firmament starrte. Ich folgte seinem Blick zum Zenit des Himmels, wo die beiden Drachen um das Buch von Gilean tanzten. Schwarze Wolken trieben rasch vor den Sternen vorbei. In der Luft lag ein Geruch, der Regen ankündigte.

Alles war seltsam und bedrohlich, und zu meinen Füßen saß ein widerborstiger Ritter.

»Es ist komplizierter als das, Bayard«, setzte ich an.

»Ja, es ist eine komplizierte Situation, Galen«, fauchte er, wobei seine Augen mit der Betrachtung des Himmels aufhörten, um mir trübsinnig direkt ins Gesicht zu schauen. »Aber ich habe das Rätsel gelöst. Die Lösung ist, daß die Söhne von Andreas Pfadwächter – trotz aller guten Absichten ihres Vaters – wie Krabben in einem Glas sind: Einer klettert auf den anderen, bis er den Rand erreicht, dann greift der unter ihm hoch und zieht ihn runter. Außer dem mittleren Sohn, der sich irgendwie an gute Grundsätze hält.«

Er nickte Brithelm zu, als er dies sagte. Dann stand er auf und wickelte sich gegen den aufkommenden Wind und den bevorstehenden Regen fest in seine Decke. Er lief vor mir weg, und sein Schweigen und die langen Schritte warnten mich davor, ihm nachzurennen, bis wir über dreißig Meter voneinander entfernt waren.

Dicke Regentropfen klatschten um uns herum auf den Boden. Aus dem Süden kam Donnergrollen. Ich mußte den dramatischen Gewitterlärm überschreien:

»Benedikt di Caela ist zurück.«

Ein Blitz färbte den Himmel über dem Feld weiß. Einen Augenblick lang sah man deutlich die klare Silhouette von Bayard. Bei dem darauffolgenden Donner konnte ich ihn nicht hören, aber ich sah seinen Mund deutlich das Wort WAS formen.

Als wieder ein Blitz zuckte und Donner folgte, begann der Regen auf den Boden zwischen uns zu peitschen. Ich raste los, um mich meinem Beschützer anzuschließen und patschte dabei durch den frischen, gerade entstandenen Schlamm auf der Straße. Durch meine Decken drang Wasser. Mir war kalt, ich war naß, und alles tat mir weh.

Ich muß ohnmächtig geworden sein. Es war Bayards Ruf, der mich wieder auf die verregnete Straße nach Kastell di Caela brachte. Er stand neben mir, hielt mich an den Schultern fest und schüttelte mich.

»Was ist mit dir? Galen? Was…« Dann hielt er inne und schüttelte mich nur noch einmal, aber dieses Mal sanfter. »Wollen wir dich erst mal aus dem Regen holen.«

Er hob seine Decke über uns und schob mich in Richtung Schloß zu einem Hain. Es waren größtenteils Nadelbäume, und die Äste der vereinzelten Vallenholzbäume zwischen den Zedern und Wacholdern waren dick genug, um eine erheblich größere Gruppe als uns vor dem Guß zu bewahren.

Da saßen wir nun. Bayard legte die Decke über zwei tiefhängende Zweige über uns, wodurch er einen groben Unterschlupf vor dem Wetter baute.

Ich legte mich unter die Decke und atmete die alten Gerüche von Wolle, Staub, kräftigem Regen, Schweiß und Pferden ein. Bayard beugte sich über mich.

»Was ist los, Bayard?«

»›Sir Bayard.‹ Ob du willst oder nicht, du bist wieder eingestellt. In diesem ganzen verdammten Hain ist nicht ein einziger trockener Zweig. Sieht so aus, als ob wir das hier ohne Feuer überstehen müssen.«

Ein besorgter Blick ging über Bayards Gesicht. Er lehnte sich nach vorn und legte mir die Hand auf die Stirn.

»Du glühst ja, Junge.«

Wenn ich es recht bedachte, fühlte ich mich ein bißchen steif, aber ich hatte gedacht, das käme nur daher, daß ich mich anfangs so gegen die Kälte eingewickelt hatte. Ich wollte Bayard bitten, mich zu den Feuern im Lager zurückzubringen, wo ich mir die Füße wärmen und zu mir kommen konnte, nur das machte auch keinen rechten Sinn, denn mein Problem war doch, daß mir zu heiß war, und…

Ich weiß noch, daß Bayard fragte: »Was war das jetzt mit Benedikt di Caela?«

Danach weiß ich nichts mehr.

15

Licht strömte über mein Gesicht, und einen Moment lang dachte ich, ich wäre geblendet. Ich beschloß, daß ich das Licht nicht sehen wollte, doch dann sah ich über mir Wolken durch mein Blickfeld treiben. Zuerst dachte ich, die Wolken würden sich bewegen, bis ich hartes Holz unter mir ruckeln fühlte und Hufgeklapper und Pferdeatem hörte.

Unter einem taghellen Himmel, der von Wolken und Vögeln über mir durchzogen wurde, reiste ich irgendwo hin.

Auch Brithelms Gesicht war über mir. Ich hörte ihn reden und hörte irgendwo hinter ihm Bayards Stimme, die im Quietschen der Räder und dem Lied einer Lerche fast unterging.

Ich versuchte zu sprechen, um die naheliegenden Fragen zu stellen: Wo bin ich? Was passiert mit mir? und Was soll all das Geflüster und die Aufregung? Aber Brithelm redete irgend etwas von Ausruhen und Entspannen, und seine Hand auf meiner Stirn war so kühl und beruhigend wie die Nachtluft. Hinter ihm hörte ich Frauenstimmen, von denen eine wie Enid klang – dieses süße, hohe Vogelgezwitscher.

Ich hoffte inständig, daß es Enid war, denn die Stimme brachte ihr Bild in mein Gedächtnis und meine Vorstellungen zurück. Doch der Karren fuhr wieder in den Schatten, der seinerseits zu einer großen, beständigen Dunkelheit wurde.

Ich war irgendwo in einem Zimmer, das mir entfernt bekannt vorkam. An der jenseitigen Wand hing ein Wandbehang, der im Kerzenlicht verschwamm. Über mir tauchte ein Gesicht auf, wieder ein Gewirr von Schatten und Farben.

Unbändige, zerzauste Haare, so rot wie die rote Robe.

»Er wacht auf, Danielle. Lauf und hol die Ritter.«

Das Geräusch einer Tür, die sich leise schloß. Ich versuchte, mich aufzusetzen. Es war zu erschöpfend, und als ich es versuchte, tanzte das Licht im Raum wie Sterne.

»Bleib liegen, kleiner Bruder«, sagte Brithelms beruhigend kühle Stimme. »Wenn du gegen das Fieber ankämpfst, wirft es dich um.

Und außerdem hast du eine schwere Aufgabe vor dir. Ich habe versucht, sie einfacher zu machen, habe Sir Bayard Blitzklinge alles erklärt, auch wie leid es dir tut. Habe mich mit Sir Robert und diesem Herrn in Schwarz herumgestritten – «

Herr in Schwarz!

» – daß sie dieses… Gespräch verschieben sollen, aber sie wollten nichts davon hören. Sie haben darauf bestanden, die Sache gleich zu regeln, und jetzt sind alle drei auf dem Weg hierher, wo sie deine Geschichte hören wollen. Ruh dich aus«, fuhr Brithelm fort. »Du bist unter Freunden.«