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Ich machte die Augen zu und beschloß, so mitleiderregend aufzutreten, wie ich mich fühlte.

Ich mußte weggenickt sein, während verschiedene Stimmen sich im Zimmer vermischten. Die Tonlagen und die Wortwechsel veränderten sich jedesmal, wenn ich weit genug aus dem Schlaf hochkam, um sie zu hören. Schließlich gab es eine Bewegung an meinem Bett, und ich öffnete langsam und mitleiderregend die Augen, als hätte man mich hier und jetzt von den Grenzen des Jenseits zurückgerufen.

Bayard stand an meinem Bett.

»Brithelm sagt, daß es dir besser geht.«

Ich nickte, so schwach ich konnte, und versuchte, tapfer, aber wie kurz vor dem Sterben zu erscheinen.

»Du hast noch weitere Gäste. Ich habe sie bedrängt, auf deine Genesung zu warten, genau wie dein Bruder Brithelm, aber Sir Gabriel besteht darauf, daß die Hochzeit wie geplant stattfindet. Dennoch will Sir Robert mit dir reden. Und er hat Sir Gabriel mitgebracht, der schwört, daß er dich noch nie im Leben gesehen hat.

Du weißt, Galen, daß ich nicht die leiseste Ahnung habe, ob du etwas weißt, oder ob du lügst, oder ob du dir das alles in Fieber, Wein und Schuldgefühlen zusammengeträumt hast. Ich will bloß sagen, daß ich dir jetzt vertrauen muß.«

Er legte seine Hand an sein Schwert.

»Und du kannst mir vertrauen, Galen Pfadwächter. Wenn du die Wahrheit sagst, und wenn das, was du sagst, diesen Gabriel Androctus oder Benedikt di Caela, oder welchen teuflischen Namen er sich als nächstes zulegt, ärgert, dann kannst du sicher sein, daß der Mann dir nichts anhaben wird, solange Bayard Blitzklinge atmet.«

»Das ist beruhigend, Sir. Solange Ihr atmet.«

Bayard lachte leise. Dann rief er über die Schulter:

»Laß die Gäste herein, Brithelm.«

Sie umstellten mich, als würden sie mich bewachen. Ernst und still lauschten sie der Geschichte mit ihrem Anfang in der Wasserburg, über den Sumpf und die Berge bis zu meiner überraschenden Entdeckung hier in Kastell di Caela.

Androctus hörte sich mit beunruhigender Gelassenheit meine Anschuldigungen an, als würden sie dem Delirium entspringen oder hätten mit jemand anderem zu tun. Er wirkte sogar bewegt, als ich erzählte, was Agion in den Bergen passiert war, und dabei eine Minute aussetzen mußte.

Darüber wunderte ich mich, bis Gabriel Androctus sprach. Denn es war dieser fürchterliche Alptraum von einer Stimme, der mich seit der Wasserburg verfolgte – so süß und sanft und lebensgefährlich.

»Dieser junge Mann hier hat Schlimmes durchgemacht«, sagte er warmherzig. »Kein Wunder, daß diese Härten… seinen Verstand vernebelt haben, so daß er Feinde sieht, wo es keine gibt. Wenn ich irgend etwas tun kann, damit es ihm besser geht, werde ich überglücklich sein, dies nach der Zeremonie zu tun.«

Sir Robert blickte seinen zukünftigen Schwiegersohn von der Seite an – ein Blick, der keine Wertschätzung enthielt.

»Aber, Sir Gabriel«, seufzte er, »die Zeremonie steht natürlich in Frage. Denn wenn nur eine Unze Wahrheit in dem liegt, was der Junge sagt – «

»Daß ich Benedikt di Caela bin?« unterbrach Sir Gabriel ungläubig, um dann in lautes, schreckliches Gelächter auszubrechen. »Ihr seid zu argwöhnisch, Sir Robert. Ihr seid zu lange von dem Fluch beherrscht worden, den Eure Vorfahren heraufbeschworen haben.«

Er lächelte böse und lehnte sich gegen den Wandbehang.

»Aber wir wollen doch fair sein. Hat der Junge auch nur den kleinsten Beweis, mal abgesehen von seinem fiebrigen Zeugnis?«

Bayard und Sir Robert sahen mich an.

Meine Gedanken überschlugen sich.

Beweis? Aus den Bergen? Aus dem Sumpf?

Nichts.

Aus…

»Bayard, bitte bringt mir meinen Mantel. Er liegt da drüben beim Feuer.«

Bayard tat, was ich sagte, ohne Gabriel Androctus aus den Augen zu lassen.

Der jetzt verwirrt und vielleicht ein wenig verunsichert aussah.

Bayard reichte mir den Mantel, der am Kamin angewärmt und teilweise getrocknet war. Die Falten aber waren immer noch von dem kräftigen Regenguß der letzten Nacht durchnäßt. Ich hustete bei dem Geruch nasser Wolle und tastete dann in den Taschen herum. Da waren die Calantina-Würfel, die Handschuhe…

»Da sind sie!«

Sir Bayard und Sir Robert beugten sich interessiert nach vorne. Sir Gabriel machte einen kurzen, zögernden Schritt zur Tür hin.

»Diese Steine!« verkündete ich, wobei ich die klamme Kordel des Beutels aufzog und das halbe Dutzend Opale über das Bett kullern ließ, wo sie sich weich und weiß und zart von dem groben Bettuch abhoben.

»So?« schoß Sir Gabriel schnell zurück. »Das ist also der Beweis meiner Schuld?«

»Das will ich wohl meinen! Das sind genau die Opale, mit denen Ihr mich bestochen habt, als diese ganze unschöne Geschichte losging. Als Ihr damals in der Wasserburg meines Vaters Sir Bayards Rüstung wolltet und sie bekamt und Gott weiß was für Unheil damit – «

»Genug, Galen«, warnte Bayard. »Du hast dich klar ausgedrückt. Überzeugt Euch das, Sir Robert?«

»Nicht, wenn er nicht ein größerer Esel ist, als ich glaube«, schnappte Sir Gabriel, als Sir Robert sich übers Bett beugte und einen der Opale aufnahm, um ihn ins Licht zu halten. »An wie vielen Orten, frage ich, könnte ein Junge mit Galen Pfadwächters… Neigungen einen Beutel voller Halbedelsteine ›gefunden‹ haben?«

»Was soll das mit dem ›größeren Esel, als Ihr glaubt‹, Androctus?« fauchte Sir Robert mit rotem Gesicht zurück. »Für wie blöd hältst du mich eigentlich, du säbelrasselnde Primadonna?« brüllte er, so daß Bayard zwischen die beiden Männer sprang, um sie auseinanderzuhalten.

Androctus machte noch einen Schritt auf die Tür zu. »Ihr habt mich mißverstanden, Sir«, flötete er. »Ich meinte nur, daß er sie überall gefunden haben könnte, und daß die Tatsache, daß er sie bei sich hatte, nicht zu dem Schluß führen kann, daß ich ihn mit den Steinen bestochen habe.«

Sir Robert beruhigte sich wieder und gewann seine Würde zurück. Er sprach kalt und ohne Umschweife.

»Aber das hier sind weiße Opale, Sir Gabriel. Aus Estwilde. Wie es sie nur in Estwilde und dort auch nur in den Minen der Trotylhalde gibt.«

»Wo Benedikt di Caela gefallen ist!« rief Bayard aus.

»Naja, nicht ganz«, unterbrach ich. »Benedikt di Caela fiel am Chaktamir Paß…«

»Woher weißt du das?« rief Sir Robert aufgeregt aus und drehte sich so schnell zu mir um, daß er das Gleichgewicht verlor, aufs Bett fiel und die Opale verstreute. »Das ist der Teil der Geschichte…«

»Den die di Caelas verschweigen?« unterbrach Androctus, dessen schwarze Augen vor Wut blitzten, während seine Stimme auf einmal überraschend gleichmütig war, richtig ruhig. »Und warum verschweigen sie diesen Teil der Geschichte, Sir Robert? Nun, weil die ganze, trauervolle Geschichte voller Schurken ist, nicht wahr? Und nicht nur der ewig verteufelte Benedikt.«

Er drehte sich langsam um und fingerte am Rand des Wandbehangs herum. Es war ein ansprechendes Jagdbild, fünf Ritter zu Pferd, die alle erkennbar das Profil der di Caelas trugen.

Mit einem schnellen Schritt stellte sich Androctus an die Mitte des Wandbehangs und zeigte auf die erste, berittene Gestalt. »Gabriel di Caela der Ältere hat einen Sohn enterbt, der von Rechts wegen in der nächsten Generation der Erbe des di Caelas hätte sein sollen.«

Die Gestalt auf dem Wandbehang verschmorte. Langsam und ohne Rauch verbrannte sie. Wir alle standen sprachlos und mit offenem Mund da und überlegten, welche Chancen wir noch hatten. Sir Robert trat auf Gabriel zu, dann überlegte er es sich anders. Bayard legte eine Hand auf sein Schwert, doch er wartete, daß Gabriel zuerst zog.

Gabriels Hand fuhr zum hintersten Reiter, als ob der Teppich eine Karte und er ein Geschichtslehrer wäre. »Dann stellte Gabriel di Caela der Jüngere eine Armee gegen seinen enterbten Bruder auf, besiegte diesen Bruder in der Schlacht auf der Trotylhalde und hetzte ihn dann nach Westen auf die Ebenen von Neraka, bis sie beide Chaktamir, den hohen Paß, erreichten und dort…«