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Die Gestalt von Gabriel dem Jüngeren fing genauso langsam Feuer.

»Genug!« schrie Sir Robert di Caela, um dann leise hinzuzufügen: »Und woher kennt Ihr diese Geschichte, Sir Gabriel?«

»Oh, Allgemeinbildung«, lächelte Sir Gabriel. »Und das da sind auch ganz normale Edelsteine, auch wenn es weiße Opale aus Estwilde sind. Ich meine, die Würfel des Jungen sind auch aus Estwilde, und kein Einbrecher – «

»Was für Würfel denn, Sir Gabriel?« warf Bayard ein. »Wie kommt es, daß Ihr Galen noch nie begegnet seid und dennoch den Inhalt seiner Taschen kennt?«

Androctus hielt inne und starrte mich an.

In den schwarzen Pupillen seiner Augen glomm ein rotes Feuer. Noch war es gezähmt, doch es war unverkennbar da – mit all dem Bösen und all den bösen Absichten. Das Feuer erlosch und wurde schwarz, und der finstere Ritter wandte sich ruhig an Bayard.

»Sein Bruder«, erklärte Androctus. »Wie heißt er noch… Alfrik Pfadwächter? Der hat mir gestern nacht, als er beim Bankett herumgeprahlt hat, von Galens Aberglauben erzählt. Unangenehmer kleiner Kerl.«

»Reichlich schwach, Sir Gabriel«, stellte Sir Robert trocken fest. »Das räumt unsere Zweifel nicht aus. Anscheinend haben wir keine andere Wahl, als die Hochzeit eine Woche zu verschieben. Ich bedauere die Unannehmlichkeiten, die allen Gästen dadurch entstehen, aber der Aufschub ist unvermeidbar, wenn wir die Wahrheit in dieser verworrenen Angelegenheit herausfinden wollen.«

»Die Wahrheit?« hakte Sir Gabriel wütend nach. »Was versteht Ihr schon unter Wahrheit?« Er drehte sich am Wandteppich um und verschränkte die Arme vor sich.

»Die Wahrheit ist schlichtweg, daß ich Euch nicht mag, Sir Gabriel Androctus«, fauchte Sir Robert, dessen Gesicht unter seinem silbernen Schnurrbart knallrot angelaufen war. »Und ich bin immer noch sehr lebendig und Herr dieses Schlosses, das ich verdammt noch mal dem geben kann, der mir gefällt. Ich verliere dabei vielleicht ein wenig an Ansehen, aber wenn Ihr Benedikt di Caela seid, dann ist es mir das wert. Selbst wenn Ihr es nicht seid, wäre allein der Ausdruck auf Eurem Gesicht es vielleicht schon wert, mein Wort zurückzunehmen!«

Ein kalter Windstoß fuhr durch das Zimmer. Nebel quoll aus dem Boden, und der Wandbehang wehte hoch. Sir Gabriel wurde immer größer, bis er Bayard und Sir Robert zu überragen schien, die beide überrascht vor der seltsamen, sich vor ihnen verwandelnden Gestalt zurücktraten.

Die mit lauter Stimme sprach, so daß das Glas im Fenster zersprang und ich mich unter meinen Decken verkroch.

In der Dunkelheit hörte ich ein Schlurfen, das Geräusch von zerreißendem Stoff, den scheußlichen Klang von noch mehr zerbrechendem Glas. Und alles wurde übertönt von der Stimme des Skorpions.

»Die Wahrheit ist, Sir Robert, daß Ihr mich erneut um mein Geburtsrecht bringen wollt! Und das, nachdem ich alle Regeln befolgt habe! Nachdem ich fair gekämpft habe und mit all Euren Prinzen und Gecken im Turnier herumgetanzt bin, mein Visier hochgeklappt und auf das Kommando einer scheppernden, solamnischen Trompete meine Lanze abgelegt habe!

Oh, ihr Ritter seid ja so verliebt in eure angebliche Ehre, die Worte und Gesten der alten Schule, aber trotz all diesem Getue reißt Ihr an Euch, was rechtmäßig mir gehört.

Ihr habt mir ein großes Unrecht angetan, Robert di Caela!« schrie er, und ich hörte, wie noch etwas zu Bruch ging.

»Aber nichts…«

Seine Stimme senkte sich zu einem ruhigen Tonfall, der weitaus furchterregender war als das Geschrei von eben.

»Nichts im Vergleich zu dem Unrecht, das ich Euch antun werde.«

Sir Robert schrie wütend auf. Ich hörte, wie ein Möbelstück umkippte, grub mich ans Licht und spähte gerade rechtzeitig aus den Decken, um zu sehen, wie der Skorpion dem angreifenden Sir Robert auswich und zur Tür sprang, die mein Bruder Brithelm versperrte. Auf halbem Wege zur Tür blieb er stehen, warf sich wieder herum und sprang schnell mit merkwürdig linkischen Sprüngen wie ein gefangener Raubvogel zum zerbrochenen Fenster und nach draußen, wobei sein Mantel an einer zackigen Scherbe am Fensterbrett hängenblieb und zerriß.

Bayard sprang zum Fenster und sah nach draußen und nach unten. Er drehte sich achselzuckend zu uns um.

»Wie vom Erdboden verschluckt«, erklärte er schlicht.

Sir Robert zog sein Schwert und spaltete dem letzten Stuhl, der im Zimmer noch stand, die Rückenlehne.

Brithelm saß auf der Bettkante und plauderte, während ich am Kamin stand und die Laute stimmte, die er mir mitgebracht hatte.

»Was für eine glückliche Fügung des Schicksals, nicht wahr, daß der, der dich während deiner Krankheit am besten versorgen konnte, ausgerechnet dein langvermißter Bruder war, den du erst eine Stunde oder so, bevor du ihn so dringend brauchtest, wieder getroffen hattest?«

»Ja, Brithelm«, erwiderte ich höflich und taktvoll. »Ich muß schon sagen, daß es bei dieser Angelegenheit jede Menge glückliche Fügungen gegeben hat. Ist sie«, ich meinte die Laute, »jetzt gestimmt?«

»Ich denke, daß sie durchaus mit irgend etwas übereinstimmt. Aber wohl nicht mit sich selbst.«

Ich seufzte und fing wieder an, wobei ich der alten Gnomenregel folgte: »Wenn die Tonlage nicht ganz stimmt, Saite fester ziehen.«

»Wieso bist du eigentlich noch hier, Brithelm?« fragte ich. »Ich dachte, du hättest dich freiwillig zurückgezogen, um so eine Art Sumpfheiliger zu werden.«

Er stand vom Bett auf und kam zum Kamin, wo er sich neben mir die Hände an den roten Kohlen wärmte.

»Ich wollte mich schon zurückziehen, Brüderchen, aber ich mußte in die Welt zurückkehren, um meinem Bruder in Not beizustehen. Ich diene hier als Referenz für Alfriks Charakter, der sich um die Hand der Lady Enid di Caela bewirbt«, verkündete Brithelm ernsthaft.

Eine Saite riß, weil ich sie zu fest angezogen hatte. Sie summte, federte und sprang peitschend gegen meine Hand. Brithelm zuckte bei dem Geräusch zusammen.

»Referenz für seinen Charakter? Um Humas willen, Brithelm, es ist nahezu unmöglich, Charakter bei unserem Bruder zu finden, geschweige denn dafür zu bürgen. Wie um alles in der Welt hat er dich da reinziehen können?«

Ich starrte Brithelm durchdringend an.

»Tja, ich verstand ja, daß sein ganzes Gerede von Heldentaten nur Gerede war, aber schließlich hatte Vater ihn geschickt. Alfrik hat mir erzählt, daß er Tag und Nacht davon träumt, Lady Enid zu heiraten. Er hat Vater gebeten, ihm den ›Notritterschlag‹ zu erteilen, der ihm natürlich gestattet hätte, am Turnier teilzunehmen – «

»Moment mal, Brithelm. Den ›Notritterschlag‹?«

»Darüber weißt du sicher mehr als ich, Galen. Du hast den Kodex von Solamnia studiert, während ich mich der Theologie zugewandt habe.

Aber ist das nicht diese Ersatzzeremonie, die der Orden vor einem Turnier gewährt, bei dem der Ehemann für eine Tochter aus alter Familie gewählt wird? Jungen Burschen, die noch keine Knappen sind, dies aber beabsichtigen, wird gestattet, die Knappschaft als solches zu überspringen. Man geht sofort zum Ritterschlag über, den Vater in unserer Abwesenheit in der Wasserburg vollzogen hat, so daß Alfrik ein Ritter ist und daher Enid di Caela heiraten dürfte.«

»Das hat dir Alfrik über diese Zeremonie erzählt, Brithelm?«

Das war einfach die dreisteste Lüge, die ich je gehört hatte – nicht die grausamste, die einfachste oder die verschlagenste, sondern gewiß die dümmste. Es gab ein Dutzend Stellen hier im Schloß – so viele, wie Ritter da waren –, wo Brithelm leicht erfahren konnte, daß es nichts dergleichen wie einen ›Notritterschlag‹ gab. Etwas Seltsames in Alfriks Hirn mußte diese halbtrunkene Idee ausgebrütet haben.

Da alle meine Feinde unterwegs waren, war es vielleicht dämlich, nachts draußen herumzulaufen, aber genau das tat ich. Es war kein Problem, den Burgfried des Schlosses zu umgehen, nachdem ich einen Diener nach einem Plätzchen gefragt hatte, wo ich in Ruhe nachdenken konnte. Nachdem der Skorpion aus dem Fenster gesprungen und verschwunden war, glaubte natürlich keiner von uns, daß wir aus dem Schneider wären, besonders als Bayard und ich uns die verschiedenen Begegnungen mit dem Skorpion ins Gedächtnis riefen – wie er jedesmal auf geheimnisvolle Weise verschwunden war, nur um in neuer und ebenso tödlicher Gestalt zurückzukehren.