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Bayard lächelte und faltete die Hände. Ich erinnerte mich an diese Geste – ich hatte sie an einem Morgen, der jetzt Jahre zurückzuliegen schien, in der Wasserburg gesehen.

Dann wurde sein Lächeln breiter. Mit der Hand am Heft seines Schwertes stand er auf. »Also, auf nach Chaktamir.«»Also, das ist wirklich die hirnrissigste Entscheidung, die ich je getroffen habe«, faßt Sir Robert di Caela zusammen, der noch schwerer in dem Stuhl saß, auf den er eine Stunde zuvor geplumpst war. Die Kerzen waren heruntergebrannt, so daß sich Schatten im Speisesaal ausbreiteten, bis selbst die Stuhllehnen lange, bedrohliche Schatten über den Boden warfen.

»Meine hirnrissigste Entscheidung«, wiederholte er.

»Wir brechen zu einem Ziel auf, das uns ein siebzehnjähriger Junge von zweifelhaftem Ruf nahegelegt hat, der zugegebenermaßen mit den roten Würfeln von Estwilde sein Schicksal befragt, ohne dabei je ganz ihre Bedeutung zu verstehen.

Wir folgen dem Schatten, den dieser Junge gesehen hat, von dem er nur weiß, daß er nach Osten gegangen ist – weder wie weit, noch ob er die Richtung geändert hat, nachdem er außer Sichtweite war. Wir ziehen aufgrund einer Prophezeiung los, von der wir nicht mehr genau wissen, ob wir sie richtig verstehen.«

Er drehte sich zu mir um und sagte offen zu mir:

»Ehrlichkeit ist nicht gerade eine deiner Stärken, Junge.«

Bayard seufzte und sah verzweifelt in die flackernden Kerzen.

»Trotzdem, Sir Robert«, erklärte Bayard heiser, »Eure Tochter wird vermißt, und Galens Idee über ihren Aufenthaltsort ist die bisher beste.«

Der alte Mann nickte.

Schließlich ließ Sir Robert von mir ab, obwohl etwas mir verriet, daß er mich am liebsten loswerden und mich in einem Karren oder Sack nach Küstenlund zurückschicken würde. Ich zog die Calantinawürfel aus der Tasche und hielt sie in der hohlen Hand.

Neun und…

Das Licht war schlecht, und Sir Robert begann wieder zu sprechen. Ich sah auf und vergaß die Zahl.

Neun und irgendwas. Etwas Großes.

Zeichen des Wiesels? Zeichen der Ratte?

Oder etwas ganz Unerwartetes?

»Wenn ich meine Tochter finden will, dann bin ich wohl auf diesen… orakelnden Jungen angewiesen.«

Er sah uns alle an, die wir vor ihm standen, und schüttelte verwundert den Kopf. Dann wurde er rot und erhob sich langsam. Sein Schatten verdüsterte das gesamte Südende des Saals, wo die Kerzen flackernd ausgebrannt waren. Er zog sein Schwert zum althergebrachten Gruß von Solamnia, und seine Stimme hallte im hohen Gewölbe des Saals wider.

»Versammelt die Ritter, die noch in Kastell di Caela sind. Versammelt alle, die auf den umliegenden Feldern lagern, und ruft die zurück, die der Schall der Trompete noch erreicht. Noch heute nacht ziehen wir nach Chaktamir. Und wehe dem Skorpion, wenn wir ihn dort finden!«Während die Männer ihre Rüstungen prüften, traf ich meine eigenen letzten Vorbereitungen, um Kastell di Caela zu verlassen. Alle Gedanken an Flucht erschienen aussichtslos.

Außerdem wollte ich gar nicht unbedingt fliehen.

Nachdem ich mich »zum Nachdenken« vor dem Aufbruch noch einmal in mein Zimmer zurückgezogen hatte, versuchte ich, mich wieder an die Zahlen der Calantina zu erinnern – die, die ich vor einer knappen Stunde in dem dunklen Saal erhalten hatte. Wie ein vom Pech verfolgter Spieler kniete ich da und warf sie wieder und wieder in der Hoffnung, dasselbe Zeichen zu sehen, doch wie es mit Würfeln so ist, war die Zahl für immer verloren. Ich warf vergeblich, erhielt die Viper, den Zentauren, den Falken, den Mungo, den Lindwurm – keine Neun dabei. Mit jedem Wurf wurden die Würfel verwirrender.

Wie das mit Prophezeiungen so ist.

Also packte ich mein Zeug zusammen, wobei ich darauf achtete, meine beste Tunika und die prächtigen Handschuhe anzuziehen, die ich während unserer Anreise aus Küstenlund so oft versteckt hatte.

Meine neue Aufmachung gefiel mir, und nachdem ich meine roten Haare noch naß gemacht und mit den Fingern in Form gebracht hatte, wartete ich, bis sich das Wasser im Becken beruhigte, damit ich mein Spiegelbild betrachten konnte.

Perfekt. Man weiß ja nie, wer vielleicht zuschaut.

Fertig, herausgeputzt und sogar etwas protzig, wenn man die Handschuhe besah, eilte ich von meinem Zimmer nach unten in den Hof von Kastell di Caela, wo ungefähr ein Dutzend weiterer Knappen Pferde sattelten, Proviant heranschleppten und alles für die Reise nach Osten fertig machten.

Gemeinsam widmeten wir uns letzten Vorbereitungen, sattelten und zäumten Valorus, Sir Roberts schwarze Stute Estrella und gewöhnlichere Pferde für die anderen Ritter und für meine Brüder. Drei Maultiere wurden von den umliegenden Höfen gebracht, und noch in derselben Nacht mit Proviant, Kleidung und Waffen bepackt. Beladen und durchnäßt wie sie waren, sahen sie wie die mürrischsten Viecher aus, die ich auf dieser ganzen verflixten, vom Wetter gebeutelten Reise gesehen hatte.

Die Packstute kam ebenfalls mit, wenn auch widerwillig. Sie machte sich steif, zerrte an den Zügeln nach hinten und schnappte nach einem großen Stallknecht, bis er sich umdrehte und ihr zu meiner großen Befriedigung einen Schlag quer über die Schnauze verpaßte, daß ihr die Knie weich wurden und sie still hielt, bis wir sie gesattelt und beladen hatten.

Mein Platz war leider wieder auf ihrem Rücken. Bayard glaubte, daß sie mich trotz des schwierigen Geländes, des Wetters und meiner eigenen Unfähigkeit im Sattel tragen würde.

Wenn die arme Packstute durch mein Gewicht zusätzlich belastet war, dann frage ich mich, ob sie sich wohl leichter fühlte, nachdem wir durch die Tore von Kastell di Caela geritten waren. Denn ich für meinen Teil war in diesem Moment erleichtert, als ich mich im Zwielicht des Morgens durch den jetzt ziemlich starken Regen zur Burg umdrehte.

Ich hätte schwören können, daß ich in dem verschwimmenden Grau ein Licht in Lady Enids Fenster sah.

Ich hätte schwören können, daß ich dort Danielle di Caela anmutig und blaß im Licht des Fensters stehen sah. Und daß sie anmutig und blaß ihren anmutigen, blassen Arm hob und mir zum Abschied zuwinkte.

Meine Ohren wurden heiß. Unwillkürlich fuhr ich mir mit der Hand durchs Haar.

Das mir naß am Kopf klebte wie das Fell eines ertrunkenen Tieres. Ich schlug die Kapuze hoch, tat, als hätte ich sie nicht gesehen, und blickte nach Osten.

Im letzten Moment, bevor die Tore zugingen, sah ich so heldenhaft und romantisch zurück, wie mir das von diesem gemeinen Lasttier aus möglich war. Aber durch den morgendlichen Dunst und den Regen wurde das Fenster zu einem rasch verschwindenden Lichtfleck, und von Danielle war nichts mehr zu erkennen.

17

Die Straße, die vom Schloß nach Süden führte, war bereits regendurchtränkt. Der Guß hatte die letzten braunen und roten Blätter abgerissen, die sich noch an die Bäume geklammert hatten, so daß das Land jetzt kahl und grau und trüb aussah. Immerhin war das noch nicht der Winter, den der Himmel eine Zeitlang angekündigt hatte.

Wir waren zwanzig, darunter nur sechs Ritter. Sir Robert hätte seine Palastwache mitnehmen können, doch er wollte Kastell di Caela nicht ungeschützt zurücklassen. Er hätte auch einen Teil seiner Leibwache mitnehmen können, doch der Ritter von Solamnia in ihm scheute davor zurück, »eine Armee auszusenden, um die Arbeit eines Ritters zu tun«, wie er es ausdrückte. Also blieben sie daheim.

Mir schien es zwar der richtige Zeitpunkt für Armeen, Katapulte, Schleudern und Kriegsmaschinen zu sein – alles, was die Aufmerksamkeit von uns persönlich ablenken konnte –, aber nur wir zwanzig zogen los, und dabei blieb es.

Bayard ritt auf Valorus voran, Sir Robert auf Estrella am Schluß – ich glaube, er war da hinten, um jeden Pfadwächter abzufangen, der einen Fluchtversuch unternehmen sollte. Ich ritt in der Mitte zwischen meinen Brüdern und war von den unangenehmen, morgendlichen Schauern völlig durchnäßt.

Alfriks miese Stimmung war ansteckend. In einer viel zu großen, blauen Tunika saß er auf seinem Pferd und hatte die Kapuze so weit ins Gesicht gezogen, daß er wie ein riesiger, lebender Sack voll nasser Wäsche aussah. Sogar sein Pferd – das sowieso nicht gerade feurig war – ließ im kalten Regen verdrossen den Kopf hängen.