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Er fühlte sich betrogen, hatte er an den Toren von Kastell di Caela erklärt.

»Denn wieso«, wollte er wissen, »ist sich eigentlich alles so sicher, daß Enid Bayard heiratet, wenn wir sie retten? Kommt mir vor, als wäre es ein bißchen zu früh, um so etwas zu beschließen.«

Er verfiel in mürrisches Schweigen.

Aber falls Alfriks schlechte Laune ansteckend war, war Brithelm dagegen auf jeden Fall immun. Seine Gedanken waren weit weg von dieser Straße und diesem Teil des Landes, als er gutmütig und ohne Kopfbedeckung durch den schlimmsten Regen ritt. Er war so in Gedanken, daß er für den Rest von uns verloren war. Sein Pferd war sein einziger Führer, und es lief willenlos hinter meinem Packpferd her.

Erst am späten Vormittag machten wir Rast. Ich nehme an, es ist in Solamnia normal, daß man zügiger und weiter vorankommt, wenn man sich so unwohl fühlt, und die Aussicht auf einen Hinterhalt oder ein Monster an der Straße wie eine willkommene Abwechslung in der Eintönigkeit erscheint.

Um die Sache noch schlimmer zu machen, sprach keiner meiner Brüder ein Wort – weder zu mir, noch zu den anderen, noch zu irgend jemand sonst, so weit ich das mitbekam. Brithelm hing hinter mir seinen Gedanken nach. Seine Augen sahen nur den Regen und den östlichen Horizont. Der argwöhnische, schmollende Alfrik ritt vor mir her und versuchte zweifellos zu erraten, was ich wohl gegen ihn in der Hand hatte und was ich den Rittern erzählt hatte.

Darum nickte ich den ganzen Vormittag immer wieder ein und wurde nur an unerwartet steilen Straßenstücken oder Kuhlen wach, wo die Stute ausrutschte oder im Matsch etwas einsank. Gelegentlich störte das ferne Grollen eines Herbstgewitters meinen Schlaf, oder der Regen tropfte in meinen Mantel und über mein Gesicht und weckte mich durch Wasserspritzer.

Einmal rüttelte mich Bayard wach, der Valorus gezügelt und den größten Teil der Gruppe an sich vorbeigelassen hatte. Er hielt sein Pferd vor meinem an, um mir ein großes, rauhes Baumwolltaschentuch anzubieten.

»Was für Dämpfe dich auch im Schloß erwischt haben, du bist sie noch nicht wieder los. Ich höre dein Schniefen bis zur Spitze des Zuges.«

»Wer hätte das gedacht, Sir Bayard.«

»Wie bitte?«

»Die ganze Zeit macht Ihr Euch über die Würfel lustig, die ich bei mir habe. Und jetzt sind wir alle gestiefelt und gespornt in den Regen hinausgezogen, um einer Prophezeiung zu folgen, die mindestens so vieldeutig und unklar wie jede Bedeutung der Calantina ist. Wo liegt der Unterschied?«

»Für einen Skeptiker hast du die Prophezeiung sehr gut ausgelegt.«

»Aber Ihr habt meine Frage nicht beantwortet. Wo liegt der Unterschied?«

Bayard lächelte und schnalzte mit den nassen Lederzügeln, so daß sein großes Pferd schnaubend wieder an die Spitze des Zuges trabte. Zu mir rief er zurück:

»Vielleicht gibt es keinen.«Am Vormittag des nächsten Tages erreichten wir den angeschwollenen Ostarm des Vingaard.

Jetzt war nicht mehr die Zeit zum Überlegen oder zur Auslegung von Mysterien. Als ich in das schnell fließende, graue Wasser vor mir sah, stellte ich fest, daß der Vingaard über die Ufer getreten war. Die Durchquerung würde gefährlich, vielleicht sogar tödlich sein.

»Fast Hochwasserzeit, Jungs«, rief Sir Ramiro, womit er nur das Offensichtliche durch die Geräusche des Regens und des Flusses weitergab. »Herbst ist hier sowieso die Zeit für Hochwasser, und wir sind zur falschen Zeit gekommen…«

Als er Bayard betrübt ansah, rann ihm das Wasser von den dicken Brauen.

»…Vielleicht sogar zum falschen Ort?«

Um uns herum wurde es immer unwirtlicher und trüber. Der Regen fiel weiter, und der Fluß stieg an, und der bewölkte Himmel ließ keine Sonne durch. Hier an den Ufern des Vingaards sah es so aus, als hätte sich alles gegen uns verschworen: der ausgefuchste Feind, sein Vorsprung von einer Nacht, das scheußliche Wetter. Sogar das Land hatte uns verraten.

Ich saß auf dem Packpferd. Es könnte schlimmer sein. Wir könnten da draußen mitten im Strom stecken.

»Also durch die Furt, junger Mann?« erklang eine geschliffene Stimme in meinem Ohr, und ich starrte Sir Robert di Caela an, der plötzlich neben mir war. Ich hörte weitere Pferde kommen, und bald hatten sich Sir Ledyard und Brithelm zu uns gesellt.

»Nun, Galen?« beharrte Sir Robert und zog seinen Mantel gegen den auffrischenden Regen enger um sich.

»Galen?« stimmte Bayard ein, lehnte sich vor und streichelte Valorus’ Mähne, als das große Pferd sich zwischen Ledyards großer Stute, Balena, und Sir Roberts kleinerer, zarterer Estrella hindurch schob.

»Ich weiß nicht«, murmelte ich in meine Kapuze. Ich kauerte da und rollte mich ein, um auszusehen wie ein Gepäckstück auf dem Rücken der Stute.

»Rede, Junge! Meine Ohren sind alt, und der Regen ist laut!«

»Es ist bloß… ich glaube nicht, daß mein Pferd hier der Strömung da draußen standhalten kann. Ihr habt es nicht im Sumpf und in den Bergen gesehen, Sir Robert. Es ist viel… ängstlicher und unzuverlässiger, als es in ebenem Gelände auf breiten Straßen aussieht.«

»Wir sind alle etwas nervöser, wenn es nicht weitergeht«, erklärte Sir Ramiro, der auf seinem großen, gutmütigen Hengst angeritten kam. Das Wasser strömte wie Wasserfälle aus einem Bergsee an seinem grauen Wollumhang herunter.

»Tun wir, was zu tun ist«, sagte er mit grimmigem Lächeln. »Und überlaß es mir, die Stute… zu ermutigen.«

Bayard zeigte auf einen Platz am Flußufer, der vom Wasser schon fast überspült war. Sir Robert nickte und galoppierte zu den anderen, um sie zu informieren.

Ich hätte mir stundenlang über diese Überquerung Gedanken machen können, immer neue, bis ich mich schließlich selbst so vollständig verwirrt hätte, wie es Gileandos zufolge meinem Charakter entsprach. Aber es blieb keine Zeit zum Nachdenken. Unverzüglich begannen meine Gefährten, das Packpferd an die Maultiere zu binden. Die Ritter steckten ihre Mäntel um die Beine fest, damit sie sich in der Strömung nicht verfingen.

Und Sir Ramiro klatschte dem Packpferd mit seiner gewaltigen Hand fest auf den Hintern. Es zuckte zusammen und sprang ins Wasser.

Wir überquerten den Vingaard.

Das Wasser an meinen Knöcheln war eiskalt. Ich zog die Füße aus den Steigbügeln, überlegte es mir dann aber noch mal und akzeptierte das Wasser, um des besseren Halts auf dem Pferderücken willen.

Die Stute schnaubte und watete dann in den Strom. Rechts von uns Knappen begann Brithelms Pferd sich durch das Wasser zu schieben, und neben ihm war Sir Robert auf Estrella. Dahinter kam Alfrik, dann zwei andere Ritter, dann Ledyard und Ramiro und dann natürlich Bayard, der fest und sicher auf Valorus saß.

Nachdem Alfrik an jeder Biegung Bayards Autorität angezweifelt hatte, war er jetzt mehr als bereit, meinem Beschützer die Position rechts außen zu überlassen.

Der Junge direkt rechts von mir, ein blondes, zahnlückiges Monster aus Kargod, grinste mich haßerfüllt an.

»Hast du die Stute im Griff?« zog er mich näselnd auf. »Oder ist es der Reiter, den man ins Wasser schieben mußte?«

»Deine Zähne werden sich gut machen, wenn sie sich in den Schlingpflanzen verfangen«, erwiderte ich und schlug die Stute erneut. Wir schoben uns weiter in die Strömung hinaus und sanken dann einen Augenblick, als das Flußbett unter der Stute verschwand und sie zu schwimmen begann.

Ich drückte ihr die Knie in die Flanken und hielt ihre Mähne so fest, daß sie zuerst schnaubte und den Kopf schüttelte. Daraufhin lockerte ich meinen Griff, aber nicht allzu sehr, denn ich war der Meinung, daß diese Strömung einen Ertrunkenen bis Burg Thelgaard tragen konnte.

In der Mitte des Flusses war das Wasser wirklich gefährlich, denn es gab eine sehr starke Unterströmung im Flußbett. Als wir diesen Punkt erreicht hatten, wurden wir deutlich stärker fortgerissen.