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»Wie bitte?«

»Sir Robert und Sir Ramiro haben beide etwas aus ihren Taschen geholt und weggeworfen. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was Robert weggeschmissen hat, aber das von Ramiro war eindeutig Glas.«

Bayard kicherte leise und flüsterte: »Die alte Schule.«

»Versteh ich nicht.«

»Ein alter solamnischer Brauch. Wenn ein Ritter in den Kampf zieht, besteht immer die Möglichkeit, daß er getötet wird.«

»Natürlich.«

»Wenn dir etwas zustößt, kann es sein, daß du etwas bei dir hast – vielleicht auch nur etwas Kleines –, von dem du lieber nicht willst, daß deine Angehörigen es bei dir finden, wenn dein Körper zu ihnen zurückgebracht wird.«

»Aha. Also habe ich gesehen…«

»Wie unsere beiden älteren Ritter das weggeworfen haben, was ihnen peinlich wäre. Ich habe keine Ahnung, was Sir Robert losgeworden ist, aber bei Sir Ramiro war es Zwergenschnaps. Wie immer.«

Rasch und entschieden kam Bayards Hand aus seinem Mantel. Etwas Kleines, Glitzerndes flog durch die Luft zwischen die Felsen am Pfad. Ich hörte Metall klirren, als das Etwas von Fels zu Fels sprang und irgendwann still liegen blieb.

Bis heute weiß ich nicht, was es war.

Während wir weiter ritten, stieg das Purpurrot des Khalkist verschwommen immer weiter am Osthorizont auf. Irgendwo in diesen Bergen lag Chaktamir, und als ich den Paß zum erstenmal ausmachen konnte, dachte ich wieder an den Brauch und an die Aussicht, auf einem Schild heimgetragen zu werden.

Ja, ich hatte auch schon vorher daran gedacht. Aber da hatte ich es mir als großartige, dramatische und romantische Szene vorgestellt, wo alle sich die Haare rauften und heulten und meiner leblosen Gestalt Abbitte für das Unrecht leisteten, das sie mir getan hatten. Meine endgültige Heimkehr würde ein großes Spektakel sein, die gerechte Strafe für die mangelnde Aufmerksamkeit meines Vaters während meiner Zeit in der Wasserburg – ob sie nun echt oder eingebildet war.

Jetzt überlegte ich, was ich wegwerfen sollte – was er am besten nie zu Gesicht bekommen sollte. Zur Wahl standen die Handschuhe und die Calantina-Würfeclass="underline" die durch Betrug erworbenen Handschuhe oder die Würfel, die nach östlichem Aberglauben, Anrufungen, Weihrauch und Vogelopfern rochen.

Es stand wirklich auf der Kippe. Einen Augenblick dachte ich daran, beides wegzuwerfen, aber das fand ich dann doch übertrieben. Besonders, da ich überhaupt nicht die Absicht hatte, tot oder lebendig nach Küstenlund zurückzukehren.

Ich fragte mich, was Enrik Sturmfeste weggeworfen hätte.

Seit jenem alptraumhaften Tag im Vingaard-Gebirge hatte sich meine Treffsicherheit verbessert. Die Würfel klackerten zwischen den Steinen und kullerten dann irgendwo in das hohe Unkraut, das unseren Pfad säumte.

Jetzt dürfen alle raten, wie der letzte Wurf ausfiel.

18

Als wir uns dem Khalkist näherten, fanden wir überall die unheilvollen Zeichen des Skorpions. Das ansteigende Gebiet vor uns war verbrannt – absichtlich, nicht wie bei einem Steppenbrand oder durch etwas Unnatürliches. Vor uns lagen breite Streifen schwarzer Erde, dann wieder relativ unberührtes Land, in dem das einzige Zeichen der Gewalt ein gelegentliches, undeutliches, schwarzes Symbol war, das frisch in die Felsen gebrannt war, die sich neben unserem Pfad erhoben.

Als wir die westlichen Hänge des Khalkist hochkletterten, fing es an zu schneien. Aber nicht einmal der Schnee blieb auf den Narben der Feuer liegen, als wenn die Stellen noch heiß wären. Dann erreichten wir die richtigen Berge, der Nebel sank herab, und wir ließen den Schnee hinter uns.

Hier sahen wir die ersten Piken am Osthorizont wie dunkle Standarten oder Banner, aber irgend etwas an ihnen ließ uns die Pferde zügeln und auf der engen Straße anhalten. Sie wirkten wie dünne Zweige, an denen schwere Früchte hingen.

Bayard blinzelte nach Osten und schirmte seine Augen dabei mit der Hand ab. Mit blassem Gesicht drehte er sich zu mir um.

»Ich kann nicht erkennen, was das ist«, sagte er, »aber ich habe da einen Verdacht.«

Bevor ich nachfragen konnte, ritt er auf die dunklen, schiefen Nadeln vor uns zu. Die verstümmelten Köpfe auf den Piken waren schon eine Weile tot. Es waren die Pferde, die sie zuerst erkannten und sich schnaubend aufbäumten. Die Maultiere ließen sich einfach auf dem Pfad nieder und weigerten sich weiterzugehen. Nur der starke Sir Ramiro und eine feste Reitpeitsche brachten sie wieder in Gang.

Ich kann nicht behaupten, daß ihr Verhalten unbegründet war. Die trockenen, gegerbten Gesichter waren bis auf den Schädel eingesunken. An den Mustern auf den Helmen – Eisvögel und Rosen – erkannte ich, daß sie einst auf solamnischen Schultern gesessen hatten.

»Alte nerakanische Strategie«, erklärte Ramiro und lenkte dabei sein nervöses Tier um die erste Pike. »Eine Warnung an die Feinde, nicht näher zu kommen.«

»Sind die schon lange hier?« fragte Alfrik besorgt.

Ramiro antwortete nicht, während wir dem gewundenen Pfad zwischen den grausigen Warnungen folgten. Doch daß seine Hand zum Heft seines Schwertes glitt, war Antwort genug.

Vielleicht war der Nebel um uns herum dicker, als wir gedacht hatten. Vielleicht hatte das Wissen, daß wir in den Eingang zum alten Chaktamir Paß, Schauplatz edler und verdrängter blutiger Taten, eingedrungen waren, unsere Gedanken schweifen lassen. Aber keiner dieser Gründe erklärte das Schloß und sein plötzliches Auftauchen.

Es war, als würde sich der Nebel verfestigen, und als würde sich der Wasserdunst ganz plötzlich zu Stein verhärten.

Überrascht hielt Alfrik abrupt sein Pferd an, wodurch es auf den vereisten Steinen ins Rutschen kam. Meine Stute und Brithelms Maultier rannten von hinten in sein Pferd, und Bayard mußte Valorus hart zur Seite reißen, um dieses Durcheinander von Gliedmaßen und Pferden und Maultieren und Pfadwächtern zu umgehen, während alles zum Schloß hochstarrte.

»Das sieht aber bekannt aus«, wagte Alfrik zu bemerken.

»Vielleicht, weil es nach den Plänen von Kastell di Caela erbaut ist, Junge«, fauchte Sir Robert.

Genauso war es.

Da stand ein großes, graues Schloß mit hohen Türmen an jeder Ecke seines großen, rechteckigen Innenhofs. Als das letzte, rötliche Sonnenlicht die Fahne auf dem hohen Südwestturm traf, hingen unsere Augen wie gebannt an dem Spiel von Rot und Schwarz auf der Schloßflagge.

Pechschwarzer Skorpion auf rotem Grund.

Schwarzer Skorpion auf roter Fahne. Klar und blutig und höhnisch.

»Der Schlupfwinkel des Skorpions«, hauchte Sir Robert. »Wir nähern uns dem Ende unserer Fahrt.«

Sir Ramiro und Sir Robert hielten hinter uns an. »Das ist es. So wahr ich lebe und atme, das ist es. Kastell di Caela, Stein für Stein!« rief Robert aus.

»Irgendwie haben seine Illusionen ihm ein Schloß verschafft«, flüsterte Bayard, womit er auf etwas anspielte, an das ich gleich hätte denken sollen. »Wie logisch vom alten Benedikt, wenn es Benedikt ist, sein Schloß bis zu den letzten Zinnen und zum Mörtel nach dem Schloß zu gestalten, daß er seit über vierhundert Jahren bestens kennt.«

»Das ist ein Skandal«, stellte Sir Robert fest.

»Das ist sowieso nicht echt und braucht Euch deshalb nicht zu beunruhigen, Robert«, besänftigte der alte Ramiro.

»Und wir können uns um so leichter darin zurechtfinden«, erklärte Brithelm laut.

Alle sahen sich nach ihm um.

Er stand gelassen zwischen den Felsen und betrachtete das Schloß, als würde er seine Belagerungschancen einschätzen wollen. Dann wendete er die Augen vom Schloß ab und sah Sir Robert an.

»Benedikt hat seit Jahrhunderten ein Auge auf Kastell di Caela geworfen. Er kennt es ganz genau. Für ihn ist es nicht schwer, sich unentdeckt durch die Gänge des Schlosses zu bewegen. Aber auch wir kennen Kastell di Caela, und wenn die Kopie des Skorpions ihm nicht nur von außen gleicht, dann liegt in dieser Ähnlichkeit unser Vorteil. Das heißt, wenn wir erst mal drin sind.«