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Seit Arne das Bürgermeisteramt an Kathrin abgegeben hat, geht er viel spazieren. An den Straßenrändern türmt sich schmutziger Schnee zu hüfthohen Wällen und sieht nicht aus, als hätte er vor, jemals wieder zu verschwinden. Eine braun verfärbte, völlig nutzlose Substanz, im Überfluss vorhanden. Seit einigen Jahren sind die Unterleutner Winter ungewöhnlich hart. Sie krallen sich bis Mitte April am Boden fest, um dann schlagartig einer wüstenartigen Hitze Platz zu machen. Als hätte das Wetter vergessen, wie Frühling geht. Arne trägt eine mit Fell gefütterte Ledermütze, deren linke Ohrenklappe er mit einem Druckknopf oben am Kopf befestigt, wenn auf dieser Seite jemand neben ihm geht.

»Na, und der Wie-heißt-er-noch. Konrad Meiler. Der soll eine Weile überlegt haben, die Villa Kunterbunt zu kaufen. Hat sich offensichtlich dagegen entschieden. Was hier im Dorf weder begrüßt noch bedauert wurde.«

Dann sitzt Meiler also zu Hause in Ingolstadt bei seiner Mizzie und überlegt, welches Projekt er als Nächstes anschieben soll, um die Drogensucht seines Sohns zu finanzieren. Vielleicht wartet er einfach darauf, dass sich seine Investition in die ostdeutsche Scholle durch den Bau von Autobahnen oder Einkaufszentren in eine Goldgrube verwandelt. Falls er überhaupt noch an Unterleuten denkt.

»Und Gombrowski«, sagt Arne. »Der dumme, alte Hund. Was für eine Geschichte.«

Er schüttelt den Kopf. Neben ihm geht das, was in Romanen eine junge Frau genannt wird, also ein weibliches Wesen, das sich gerade noch im gebärfähigen Alter befindet. Ihre bunte Wollmütze und die Fellstiefel mit zu hohen Absätzen machen sie in dieser Gegend zu einem Ortsschild von Berlin. Das bin ich, Lucy Finkbeiner. Ich muss mich anstrengen, um mit Arne Schritt zu halten, der ein kräftiges Tempo vorlegt. Unter den Sohlen meiner idiotischen Stiefel sammelt sich der Schnee in Klumpen, die sich mit jedem Schritt vergrößern; ich gehe mit gebeugten Knien wie auf Plateaus. Wir verlassen das Dorf über den Beutelweg. Arne will mir etwas zeigen. Wir haben so lange von früher geredet, dass er vergisst, wie gut ich das gegenwärtige Unterleuten kenne. Ich habe die blinkenden Schwertransporter mit den gewaltigen Bauteilen gesehen. Dann Kräne, die für das Aufrichten der Masten zuständig waren. Trotzdem lasse ich mich von Arne bis zu der Stelle führen, von der aus man einen freien Blick zum Waldrand hat.

Früher sind mir die Dinger in der Landschaft kaum aufgefallen. Heute sehe ich sie überall, bekomme jedes Mal eine Gänsehaut und denke, dass alles mit allem zusammenhängt. Aber das glauben Menschen ja immer.

Arne bleibt stehen und legt mir eine Hand auf die Schulter, mehr um sich abzustützen als um der väterlichen Geste willen.

»Da oben drehen sie sich«, sagt er schließlich. »Sehen eigentlich ganz unschuldig aus, finden Sie nicht?«

Eine Weile schauen wir schweigend. Zehn träge Rotoren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand die Frage, ob es sich dafür gelohnt hat, mit »ja« beantworten würde.

Dann gehen wir zurück und trinken noch ein Bier im Märkischen Landmann. Wir sind die einzigen Gäste. Silke sagt, dass Sabine und sie über Ostern in Urlaub fahren und noch nicht wissen, ob sie den Landmann danach wieder öffnen werden. Arne murmelt etwas von »mal halblang« und »wird schon«. Er klingt wie jemand, der nicht mehr zuständig ist.

Fallwild sind tote Tiere, die im Wald herumliegen, ohne erschossen worden zu sein. Wild, das sich selbst erledigt hat.

Arne sagt, dass er manchmal denkt, auf Unterleuten laste eine Art Fluch. Er fragt mich, ob ich glaube, dass Unglück etwas mit Orten zu tun hat. Ob mit Leuten wie Linda Franzen oder Gerhard Fließ alles genauso gelaufen wäre, wenn sie in ein anderes Dorf gezogen wären. Ganz ehrlich, ich weiß es nicht.

Von der Theke her sagt Silke, dass es komisch sei, wie sich immer alles ändere und irgendwie trotzdem genau wie früher bleibe.

Draußen legt sich die frühe Nacht dem Dorf wie eine beruhigende Hand auf den Scheitel.

Inhalt

Teil I

Geliebte Babys

1 Fließ

2 Franzen

3 Meiler

4 Schaller

5 Gombrowski

6 Kron

7 Fließ-Weiland

8 Wachs

9 Gombrowski, geb. Niehaus

10 Seidel

11 Kron-Hübschke

Teil II

Das Tier von nebenan

12 Gombrowski

13 Fließ

14 Schaller

15 Kron

16 Fließ-Weiland

17 Meiler

18 Fließ-Weiland

19 Seidel

20 Wachs

21 Gombrowski

22 Kron-Hübschke

23 Franzen

24 Kron

Teil III

Falsche Freunde

25 Meiler

26 Wachs

27 Gombrowski, geb. Niehaus

28 Gombrowski

29 Seidel

30 Fließ-Weiland

31 Fließ

32 Schaller

Teil IV

Nachts sind das Tiere

33 Kron-Hübschke

34 Fließ

35 Schaller

36 Fließ-Weiland

37 Seidel

38 Kron

39 Gombrowski, geb. Niehaus

40 Gombrowski

41 Wachs

42 Franzen

Teil V

Kommunizierende Röhren

43 Schaller

44 Seidel

45 Kron-Hübschke

46 Franzen

47 Fließ

48 Kron

49 Fließ-Weiland

50 Gombrowski, geb. Niehaus

Teil VI

Fallwild

51 Wachs

52 Gombrowski

53 Meiler

54 Fließ

55 Wachs

56 Fließ-Weiland

57 Franzen

58 Seidel

59 Fließ

60 Kron

61 Gombrowski

62 Finkbeiner. Epilog

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Zeh, Juli

Leere Herzen

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Sie sind desillusioniert und pragmatisch, und wohl gerade deshalb haben sie sich ‎erfolgreich in der Gesellschaft eingerichtet: Britta Söldner und ihr Geschäftspartner Babak Hamwi. Sie haben sich damit abgefunden, wie die Welt beschaffen ist, und wollen nicht länger verantwortlich sein für das, was schief läuft. Stattdessen haben sie gemeinsam eine kleine Firma aufgezogen, "Die Brücke", die sie beide reich gemacht hat. Was genau hinter der "Brücke" steckt, weiß glücklicherweise niemand so genau. Denn hinter der Fassade ihrer unscheinbaren Büroräume betreiben Britta und Babak ein lukratives Geschäft mit dem Tod. Als die "Brücke " unliebsame Konkurrenz zu bekommen droht, setzt Britta alles daran, die unbekannten Trittbrettfahrer auszuschalten. Doch sie hat ihre Gegner unterschätzt. Bald sind nicht nur Brittas und Babaks Firma, sondern auch beider Leben in Gefahr... "Leere Herzen" ist ein provokanter, packender und brandaktueller Politthriller aus einem Deutschland der nahen Zukunft. Es ist ein Lehrstück über die Grundlagen und die Gefährdungen der Demokratie. Und es ist zugleich ein verstörender‎ Psychothriller über eine Generation, die im Herzen leer und ohne Glauben und Überzeugungen ist.

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Table of Contents

Teil I Geliebte Babys

1 Fließ

2 Franzen

3 Meiler

4 Schaller

5 Gombrowski

6 Kron

7 Fließ-Weiland

8 Wachs

9 Gombrowski, geb. Niehaus

10 Seidel

11 Kron-Hübschke

Teil II Das Tier von nebenan

12 Gombrowski

13 Fließ

14 Schaller

15 Kron

16 Fließ-Weiland

17 Meiler

18 Fließ-Weiland

19 Seidel

20 Wachs

21 Gombrowski

22 Kron-Hübschke

23 Franzen