»Halt, Reejaaren, du bewegst dich in der falschen Richtung!« Der Insulaner blieb zögernd am Ufer stehen und schien zu überlegen, wie ernst diese Bedrohung zu nehmen war.
»Falls du glaubst, ich würde dich nicht treffen, weil ich mit der Waffe nicht umzugehen verstehe, kannst du ruhig weitergehen. Ich bin selbst neugierig. Und wenn du nicht bald hier herkommst, m ache ich gleich den ersten Versuch. Los, komm her!«
Reejaarens Unentschlossenheit war plötzlich verschwunden; er hatte offenbar beschlossen, Dondragmers Schießkünste nicht auf die Probe zu stellen, und schwamm jetzt gehorsam auf die Bree zu. Da er die Wirkung der Bolzen nur allzu gut kannte, machte er auch nicht den Versuch, im seichten Methan zu tauchen und unter der Oberfläche fortzuschwimmen. Als er an Bord kletterte, zitterte er vor Angst und Wut.
»Bildet ihr euch etwa ein, das könnte euch retten?« fragte er. »Die Flugzeuge greifen auf jeden Fall an, wenn ihr euch bewegt.«
»Du gibst ihnen jetzt den Befehl, es nicht zu tun«, wies Dondragmer ihn an.
»Die Besatzungen würden ihn nicht befolgen, solange ich in eurer Gewalt bin«, antwortete Reejaaren. »Das müßtet ihr eigentlich wissen, wenn es bei euch zu Hause eine Art Streitmacht gibt.«
»Wir haben uns nie mit Soldaten abgegeben«, erwiderte Barlennan, der inzwischen wieder Herr der Lage war. »Aber ich glaube dir sogar. Du bleibst jedenfalls an Bord, bis geklärt ist, daß wir nicht die Absicht haben, nochmals an Land zu gehen – es sei denn, wir werden vorher mit den Flugzeugen fertig.
Nur schade, daß wir keine modernen Waffen in diese rückständige Gegend mitgenommen haben.«
»Diesen Unsinn kannst du dir sparen«, warf der Gefangene ein. »Ihr habt keine besseren Waffen als die übrigen Barbaren. Ich gebe zu, daß ich mich zunächst habe täuschen lassen, aber vorhin hast du dich verraten.«
»Weshalb glaubst du, daß ich lüge?«
»Ich sehe keinen Grund, es dir zu erklären«, antwortete Reejaaren trotzig.
»Ich kann mir vorstellen, worum es sich handelt, Barl«, warf Dondragmer ein. »Du erinnerst dich sicher an die Bedenken, die ich von Anfang an vorgebracht habe… Aber daran ist jetzt nichts mehr zu ändern. Die Flugzeuge sind unser wichtigstes Problem; ich sehe keine Schiffe in der Nähe, und die Leute am Ufer haben nur drei oder vier Armbrüste, mit denen sie nicht viel ausrichten können.
Ich nehme an, daß sie sich vorläufig auf die Flugzeuge verlassen werden.« Er sprach auf Englisch weiter. »Haben die Flieger zufällig erwähnt, wie wir uns gegen diese verdammten Maschinen zur Wehr setzen könnten?«
Barlennan konnte sich nur an die günstigen Luftströmungen über dem Meer erinnern, die hier am Strand jedoch nicht sehr nützlich waren. »Vielleicht können wir mit der Annbrust nach ihnen schießen«, meinte er schließlich in seiner Sprache.
Reejaaren schnaubte verächtlich, aber Krendoranic, der Waffenoffizier der Bree, griff die Idee begierig auf.
»Ausgezeichnet, Barl!« rief er. »Dabei kann ich gleich etwas anderes versuchen, das mir seit unserem Erlebnis am Fluß vorschwebt.«
»Was?«
»Ich möchte es lieber nicht erklären, solange u nser Freund zuhört. Zeigen wir es ihm doch gleich!«
Barlennan gab seine Zustimmung und wußte nicht recht, was er sagen sollte, als Krendoranic daraufhin einen der Flammentanks öffnete. Aber der Waffenoffizier wußte, was er tat: Er nahm ein kleines Bündel heraus, das in lichtundurchlässigem Stoff eingeschlagen war, und zeigte nun, was ihm seit dem Überfall am Fluß eingefallen war.
Das Bündel war kugelrund und sollte offenbar geworfen werden, denn Krendoranic hatte die Vorteile dieser neuen Methode rasch erkannt; aber jetzt verbesserte er sie sogar noch und befestigte das Bündel an einem Bolzen der Armbrust. Er hatte sich mit dieser Waffe bereits vertraut gemacht und war davon überzeugt, ein ortsfestes Ziel aus größerer Entfernung treffen zu können. Bewegliche Ziele boten eher Schwierigkeiten, aber die Flugzeuge waren dafür entsprechend größer.
Krendoranic gab einem seiner Leute ein Zeichen, er solle sich mit einer Lunte neben ihm bereithalten, hob die Armbrust und zielte auf das nächste Flugzeug, das langsam heranschwebte. Als er seiner Sache sicher war, erteilte er dem Helfer einen kurzen Befehl und folgte dabei weiter der Bahn des Segelflugzeuges. Das Bündel an der Spitze des Bolzens fing Feuer, Krendoranic betätigte den Abzug, und eine Rauchfahne bezeichnete den Weg des Geschosses.
Der Waffenoffizier und sein Helfer warfen sich sofort zur Seite, um dem Rauch zu entgehen, und die Besatzungsmitglieder in der Nähe flüchteten ebenfalls. Als sie sich endlich in Sicherheit gebracht hatten, trat der gewünschte Erfolg bereits ein.
Der Bolzen hätte das Ziel fast verfehlt, denn Krendoranic hatte die Geschwindigkeit des Flugzeugs unterschätzt. Das Brandgeschoß steckte im hintersten Teil des Rumpfes und brannte dort knisternd weiter; dabei erzeugte es eine lange Rauchspur, der die folgenden Maschinen keineswegs auszuweichen versuchten. Die Besatzung des getroffenen Flugzeugs brauchte den giftigen Rauch nicht zu fürchten, aber die Maschine ließ sich schon Sekunden später nicht mehr steuern und stürzte ab. Pilot und Besatzung sprangen aus dem Wrack, bevor es am Strand zerschellte. Die beiden folgenden Flugzeuge schwankten heftig, als der Rauch die Besatzungen betäubte, und gingen in der Bucht nieder. Krendoranic hatte sich als Meister der Luftabwehr erwiesen.
Barlennan wartete nicht ab, bis das letzte Flugzeug abgestürzt war, sondern ließ alle Segel setzen.
Der Wind war nicht günstig, aber durch geschicktes Kreuzen erreichte die Bree bald die Mitte der Fahrrinne. Vom Ufer her drohte keine Gefahr, denn die Insulaner waren erschrocken geflohen, als Krendoranic ein zweites Brandgeschoß in ihre Richtung schickte.
Reejaaren hockte schweigend an Deck, aber allein seine Körperhaltung drückte tiefste Verzweiflung aus. Über der Bucht schwebten noch weitere Segelflugzeuge, die jetzt Höhe zu gewinnen versuchten, als wollten sie von dort aus einen Angriff wagen; aber er wußte, daß die Bree nur Zufallstreffer a bbekommen würde, wenn der Angriff aus dieser Höhe erfolgte. Eines der Flugzeuge setzte in hundert Meter Höhe dazu an, aber Krendoranic erschreckte den Piloten mit einem Brandbolzen und unterband damit ähnliche Versuche. Die Maschinen zogen weite Kreise um die Bree, als das Schiff jetzt die Bucht verließ.
»Was habt ihr eigentlich angestellt, Barl?« erkundigte Lackland sich, der die Ereignisse der letzten Tage nur teilweise auf seinen Bildschirmen gesehen hatte. »Ich wollte mich nicht einmischen, um deine Pläne nicht zu stören, aber jetzt könntest du mir erzählen, was geschehen ist.«
Barlennan schilderte ihm die jüngste Entwicklung, nachdem er die Besatzung angewiesen hatte, das Schiff nachts in Ufernähe zu halten. Reejaaren verfolgte entsetzt das Gespräch, denn er nahm selbstverständlich an, Barlennan melde jetzt weiter, was er ausspioniert hatte; er konnte sich allerdings nicht vorstellen, auf welche Weise die Verständigung erfolgte. Bei Sonnenaufgang bat er demütig, hier in Land gelassen zu werden, solange die Bree noch in Ufernähe war; Barlennan hatte zum erstenmal fast Mitleid mit ihm und ließ ihn über Bord gehen. Lackland beobachtete diese Szene erleichtert; er kannte Barlennan recht gut, war aber nicht imstande gewesen, genau zu beurteilen, was der Kommandant unter diesen Umständen für richtig halten würde.
»Barl«, sagte er nach einer kurzen Pause, »könntest du einige Wochen lang nichts mehr anstellen, bis wir uns wieder einigermaßen erholt haben? Seit eurem letzten Abenteuer sind alle hier oben um zehn Jahre gealtert.«
»Und wer hat mich überhaupt in diese Lage g ebracht?« fragte der Mesklinit ungerührt. »Hättet ihr mir nicht geraten, hier Schutz vor dem Sturm zu suchen, den wir auf dem Meer besser überstanden hätten, wäre ich den Inselbewohnern nie begegnet.
Aber ich bin ganz zufrieden damit; ich habe viel gelernt und weiß, daß einige deiner Freunde begeistert zugesehen haben. Unsere Fahrt war bisher fast langweilig; diese kleinen Auseinandersetzungen bringen Abwechslung in die Sache – und sogar Gewinn.«