»Vielleicht«, erwiderte der Mesklinit ausweichend. »Stellst du dich bitte auf meinen Rücken?«
Lackland starrte ihn verblüfft an, denn schließlich glich Barlennan einer großen Raupe, und wenn ein Mensch auf eine Raupe tritt… Dann grinste er plötzlich.
»Sofort, Barl. Ich hatte nur vergessen, mit wem ich es zu tun habe.« Lackland hob den Fuß und setzte ihn auf Barlennans Rücken. Dabei ergab sich nur eine Schwierigkeit.
Lackland selbst wog etwa hundertsechzig Pfund.
Sein Schutzanzug, der selbst ein Wunderwerk der Technik war, wog etwa gleichviel – auf der Erde.
Hier am Mesklinäquator wogen Mensch und Anzug etwa neunhundertfünfzig Pfund – Lackland hätte ohne das Hydrauliksystem des Anzugs keinen Schritt machen können –, und dieses Gewicht war nur ein Viertel größer als Barlennans Körpergewicht im Polargebiet seines Heimatplaneten. Der Mesklinit konnte diese Last mühelos tragen, aber der Versuch scheiterte an den natürlichen Gegebenheiten: Barlennans Körper war ein langer Zylinder, und Lackland war nicht imstande, darauf zu balancieren.
Der Mesklinit war enttäuscht und verblüfft, aber diesmal fand Lackland einen Ausweg. An der Außenseite des Schleppers hatten sich einige Metallplatten durch den Druck der Explosion gelockert, und Barlennan gelang es schließlich unter Lacklands Anleitung, eine dieser Platten loszumachen.
Sie war etwa zweifünfzig lang und achtzig Zentimeter breit; der Mesklinit brauchte nur den vorderen Rand leicht nach oben zu biegen, um sie in einen ausgezeichneten Schlitten zu verwandeln.
Aber Barlennan wog hier am Äquator kaum drei Pfund und rutschte immer wieder aus, wenn er den leeren Schlitten zu ziehen versuchte. Unglücklicherweise stand auch der nächste Baum, der als Anker hätte dienen können, über dreihundert Meter weit von ihnen entfernt.
Lackland war enttäuscht über dieses Fiasko und begann den Mut zu verlieren, aber Barlennan gab nicht so rasch auf. Der Kommandant setzte sich mit Dondragmer und Merkoos in Verbindung, schilderte ihnen die Lage und wies sie an, so schnell wie möglich zu kommen.
5
Als die Besatzung der Bree wenige Tage später eintraf, wurde Lacklands Problem in kürzester Zeit gelöst.
Die größere Anzahl allein spielte keine Rolle: Selbst einundzwanzig Meskliniten waren nicht imstande, den beladenen Schlitten zu ziehen. Barlennan kam schließlich auf die Idee, die Platte tragen zu lassen, und überredete seine Leute dazu, den Versuch zu wagen. Aber auch das war keine L ösung, denn das dünne Metall bog sich in der Mitte durch und berührte dort wieder den Boden. Dondragmer hatte diese vergeblichen Anstrengungen schweigend beobachtet und dabei die Leinen miteinander verknüpft, die sonst zu den Netzen gehörten, mit denen sie jagten. Dadurch entstand ein kräftiges Tau, das bis zu den nächsten Bäumen und sogar noch weiter reichte. Vier Tage später brach eine Schlittenkolonne in Richtung Bree auf; Lackland lag ausgestreckt auf dem ersten Schlitten, die übrigen waren mit Fleisch beladen.
Bei einer Geschwindigkeit von fast zwei Stundenkilometern erreichte die Kolonne das Schiff in einundsechzig Tagen. Ab dort half die gesamte Besatzung mit, so daß es nur zwei weitere Tage dauerte, bis Lackland vor der Luftschleuse seiner Station angelangt war. Gerade noch rechtzeitig, denn der nächste Sturm kündigte sich bereits an, und die Helfer mußten sich auf dem Rückweg anseilen, um nicht vom Wind fortgetragen zu werden.
Lackland aß ausgiebig, bevor er sich mit Toorey in Verbindung setzte und die Zerstörung des Schleppers meldete. Er hatte ein schlechtes Gewissen dabei, weil er nicht imstande war, eine vernünftige Erklärung für diesen Unfall zu geben. Schließlich konnte er nicht einfach behaupten, einer seiner Kameraden auf Toorey habe eine Sprengkapsel unter dem Sitz vergessen. Nachdem er bereits auf den Rufknopf des Funkgeräts gedrückt hatte, fiel ihm plötzlich die Antwort ein; und als Dr. Rostens zerfurchtes Gesicht auf dem Bildschirm erschien, wußte er genau, was er zu sagen hatte.
»Doc, mit dem Schlepper war irgend etwas nicht in Ordnung.«
»Das habe ich bereits gehört. Elektrisch oder m echanisch? Schlimm?«
»Vor allem mechanisch, obwohl das elektrische System daran beteiligt war. Wir müssen den Schlepper als Totalverlust abschreiben, fürchte ich – das Wrack liegt dreißig Kilometer von hier entfernt am Strand.«
»Ausgezeichnet. Dieser verdammte Planet wird allmählich recht teuer. Was ist passiert – und wie sind Sie zurückgekommen? Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie dort unten dreißig Kilometer zu Fuß gegangen sind.«
»Barlennan und seine Leute haben mich hier hergeschleppt. Aber was das Fahrzeug betrifft: Ich vermute, daß die Abdichtung zwischen Kabine und Maschinenraum nicht völlig luftdicht war, so daß Mesklins wasserstoffhaltige Atmosphäre sich mit der normalen Luft vermischen konnte, als ich ausstieg. Das ist natürlich auch in der Kabine geschehen, aber dort strömte der Sauerstoff aus, bevor es zu einer Explosion kommen konnte. Aber im Maschinenraum – nun, dort ist ein Funken entstanden, bevor der Sauerstoff ausgeströmt war.«
»Hmmm. Was hat den Funken verursacht? Haben Sie die Motoren weiterlaufen lassen?«
»Selbstverständlich – der Antrieb war ausgeschaltet, aber die Aggregate blieben in Betrieb. Ich bin sogar froh darüber, denn sonst wäre die Explosion vielleicht erst passiert, wenn ich die Aggregate eingeschaltet hätte.«
»Aha.« Dr. Rosten warf Lackland einen finsteren Blick zu. »Mußten Sie überhaupt aussteigen?«
»Natürlich hätte ich nicht unbedingt aussteigen müssen«, gab Lackland schuldbewußt zu. »Ich wollte nur Gewebeproben von einem zweihundert Meter langen Wal entnehmen, der dort gestrandet war. Ich dachte, irgend jemand würde sich vielleicht dafür…«
»Haben Sie die Proben mitgebracht?« unterbrach Rosten ihn.
»Ja. Sie können das Zeug bei mir abholen. Haben wir einen weiteren Schlepper, den Sie mir überlassen könnten?«
»Wir haben einen. Ich bin unter Umständen sogar bereit, Ihnen das Fahrzeug gegen Ende des Winters zu bringen, aber bis dahin sind Sie in Ihrer Kuppel besser aufgehoben.« Rosten sah auf die Uhr. »Warten Sie auf mich; ich bin bereits unterwegs.«
Lackland atmete erleichtert auf, als Rosten die Verbindung abbrach, ohne den zerstörten Schlepper nochmals zu erwähnen. Er streckte sich auf seiner Liege aus und schlief augenblicklich ein, da er vierundzwanzig Stunden lang kein Auge mehr z ugetan hatte.
Als die Rakete landete, öffnete er zwar die Augen, war aber trotzdem nicht ganz wach. Dr. Rosten kam selbst, um die kostbaren Proben abzuholen, die an der Luftschleuse für ihn bereitstanden.
Er behielt seinen Schutzanzug an, warf Lackland einen prüfenden Blick zu und schickte ihn sofort ins Bett zurück.
»Das Zeug hier ist wahrscheinlich einen Schlepper wert«, klärte er Lackland noch. »Schlafen Sie sich gründlich aus, damit Sie wieder zu Kräften kommen. Sie haben noch einige Probleme zu lösen – ich setze mich später mit Ihnen in Verbindung, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, daß Sie begreifen, was ich sage.« Die Tür der Luftschleuse fiel hinter ihm ins Schloß.
Lackland erinnerte sich tatsächlich nicht mehr an Rostens letzte Bemerkung, aber sie fiel ihm wieder ein, als der Bildschirm seines Funkgeräts aufleuchtete und Rostens Gesicht zeigte.
»Dieser Winter, in dem Barlennan an Ort und Stelle bleiben muß, dauert nur noch dreieinhalb Monate«, begann der Direktor ohne weitere Vorreden. »Wir haben hier oben eine ganze Sammlung von Telefotos, die noch nicht zu einer Karte zusammengesetzt sind, obwohl ziemlich genau feststeht, was sie zeigen. Bisher ist noch keine richtige Karte daraus geworden, weil uns verschiedene Einzelheiten nicht klar sind. Deshalb ist es Ihre Aufgabe, die Fotos gemeinsam mit Barlennan zu sichten und zu einer brauchbaren Karte zusammenzustellen, auf der die kürzeste Route zu seinem Ziel – oder unserer Rakete – sichtbar ist.«
»Aber Barlennan hat es durchaus nicht eilig. Für ihn ist das ganze Unternehmen eine gewöhnliche Handelsreise, bei der er zufällig unseren Auftrag übernehmen kann. Schließlich hat er als Gegenleistung nur unsere Wetterberichte zu erwarten, die ihm die Reise etwas erleichtern.«