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Bazaroff schlug den Deckel des Koffers zu und richtete sich auf.

»Nun muß ich dir zum Abschied wiederholen – denn wir wollen uns nicht täuschen, wir scheiden für immer, und du mußt davon so gut überzeugt sein wie ich –: Du handelst weise; unser rauhes, trauriges Vagabundenleben paßt nicht für dich. Dir fehlts an Verwegenheit und an Bosheit; aber zum Ersatz ward dir Jugendmut und Jugendfeuer gegeben. Das reicht aber nicht aus für das Werk, an dem wir arbeiten. Und dann kommt ihr Herren vom Adel niemals über eine hochherzige Entrüstung oder eine hochherzige Entsagung hinaus, was nicht viel heißen will. Ihr glaubt, große Männer zu sein, glaubt, auf der Zinne menschlicher Vollkommenheit zu stehen, wenn ihr eure Dienerschaft nicht mehr prügelt, und wir, wir verlangen nichts, als geschlagen zu werden und wiederzuschlagen. Unser Staub würde dir die Augen röten, unser Kot dich beschmutzen. Du bist wahrlich nicht auf unserer Höhe. Du bewunderst dich mit Wohlgefallen, du freust dich, dir selber Vorwürfe machen zu können; aber das ist unsereinem langweilig; wir haben was anderes zu tun, als uns zu bewundern oder Vorwürfe zu machen, wir brauchen andere Mannschaft auf unserm Schiff. Du bist ein vortrefflicher Junge; aber nichtsdestoweniger ein süßes Herrchen, ein liberales Junkerchen und ›volatou‹, um mit meinem edlen Vater zu reden.«

»Du sagst mir für immer Lebewohl, Eugen?« versetzte Arkad traurig. »Ist das alles, was du mir zu sagen findest?«

Bazaroff kratzte sich den Nacken.

»Ich könnte noch etwas Gefühlvolles hinzusetzen, Arkad, aber ich werde es nicht tun. Das hieße Romantik treiben, Bonbons lutschen. Nimm noch einen guten Rat von mir: Heirate möglichst rasch; richte dir dein Nest gut ein und zeuge viele Kinder! Es werden gewiß Leute von Geist sein, weil sie zu rechter Zeit kommen, nicht wie du und ich. Doch ich sehe, die Pferde sind da... Vorwärts! Ich habe von den andern allen Abschied genommen. Nun! sollen wir uns umarmen?«

Arkad warf sich an den Hals seines alten Meisters und Freundes, und ein Tränenstrom floß über seine Wangen.

»Das ist die Jugend,« sagte Bazaroff ruhig; »aber ich rechne auf Katharina Sergejewna! sie wird dich im Handumdrehen trösten.«

»Leb wohl, Bruder!« sagte er zu Arkad, als er die Telege schon bestiegen hatte, und auf zwei Raben deutend, die auf dem Dach des Stalles nebeneinander saßen, setzte er hinzu: »Das ist ein gutes Beispiel! versäume nicht, es zu befolgen.«

»Was willst du damit sagen?« fragte ihn Arkad.

»Wie? ich hielt dich für stärker in der Naturgeschichte. Weißt du nicht, daß der Rabe der achtbarste unter den Vögeln ist? er liebt das Familienleben. Nimm ihn zum Vorbild! Adieu, Signor!«

Die Telege setzte sich in Bewegung und rollte davon.

Bazaroff hatte wahr gesprochen. Arkad vergaß noch am gleichen Abend im traulichen Gespräch mit Katia seinen Meister ganz und gar. Er fing schon an, sich ihr unterzuordnen, und Katia war hierüber keineswegs erstaunt. Am andern Morgen mußte er sich nach Marino zu Nikolaus Petrowitsch verfügen. Frau Odinzoff war großmütig genug, den jungen Leuten zulieb, die sie nur anstandshalber nicht gar zu lange allein ließ, die Fürstin zu entfernen, welche durch die Nachricht von der bevorstehenden Heirat in einen Zustand weinerlicher Erregtheit geraten war. Anna Sergejewna selber fürchtete anfänglich, der Anblick des Glücks der beiden jungen Leute möchte ihr etwas peinlich sein, es kam aber ganz anders. Anstatt sie zu ermüden, interessierte und erweichte sie dies Schauspiel. Sie war darüber erfreut und betrübt zugleich.

»Es scheint, daß Bazaroff recht hatte,« dachte sie, »es ist nichts in mir als Neugierde, nur Neugierde, Liebe zur Ruhe und Egoismus...«

»Kinder,« sagte sie mit gepreßter Stimme, »ist es wahr, daß die Liebe eine gemachte Empfindung ist?«

Aber Katia und Arkad verstanden diese Frage nicht, Frau Odinzoff flößte ihnen eine gewisse Furcht ein; die Unterredung, die sie ganz unabsichtlich belauscht hatten, wollte ihnen nicht aus dem Kopfe. Übrigens waren sie bald wieder beruhigt; und sehr natürlich, Frau Odinzoff beruhigte sich selber.

Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Die Ankunft Bazaroffs erfreute seine Eltern um so mehr, als sie ihn gar nicht erwarteten. Arina Vlassiewna kam darüber so außer sich, daß sie nichts tat, als im Hause hin und her laufen. Ihr Mann verglich sie schließlich mit einem Rebhuhn; das aufgeschürzte Schleppchen ihres Hausrockes gab ihr in der Tat auch einige Ähnlichkeit mit einem Vogel. Wassili Iwanowitsch ließ beständig ein behagliches Brummen hören, wobei er an der Bernsteinspitze seiner Pfeife sog, die er im Mundwinkel stecken hatte; dann griff er sich mit den Fingern an den Hals und drehte den Kopf krampfhaft, wie wenn er sich vergewissern wollte, daß er noch festsitze, und den Mund in ganzer Breite öffnend, lachte er geräuschlos vor sich hin.

»Ich komme auf wenigstens sechs Wochen, mein Alter,« sagte Bazaroff zu ihm, »ich will arbeiten und hoffe, daß du mich in Ruhe lassen wirst.«

»Ich werde dich dermaßen stören, daß du mein Gesicht ganz und gar vergessen sollst,« antwortete Wassili Iwanowitsch.

Er hielt sein Versprechen. Nachdem er seinen Sohn, wie das erstemal, in seinem Studierzimmer einquartiert hatte, schien er sich ordentlich vor ihm zu verstecken und duldete auch nicht, daß sich die Mutter ihm gegenüber allzu sichtbaren Gefühlsausbrüchen überließ.

»Ich glaube wohl,« sagte er, »daß wir Eniuschenka bei seinem ersten Aufenthalt etwas lästig geworden sind; wir müssen uns diesmal gescheiter betragen.«

Arina Vlassiewna stimmte ihrem Manne bei, hatte aber nicht viel davon, denn sie sah ihren Sohn nur zur Essenszeit und fürchtete sich, ihn anzureden. – »Eniuschenka...« sagte sie, und ehe dieser nur Zeit hatte, sich umzudrehen, stammelte sie schon: »Nichts, nichts, es ist nichts!« wobei sie die Schnüre ihres Strickbeutels durch die Finger gleiten ließ; dann ging sie zu Wassili Iwanowitsch und fragte, das Kinn in die Hand gestützt: »Wie können wir wohl erfahren, mein Schatz, was Eniuscha heute lieber zu Mittag ißt, Ehtchi oder Bastch?«

»Warum hast du ihn nicht gefragt?«

»Ich fürchtete, ihm lästig zu fallen.«

Bazaroff gabs bald selber auf, sich immer eingeschlossen zu halten; an die Stelle des Arbeitsfiebers, das sich seiner bemächtigt hatte, trat eine trübe, unruhige Langeweile. Eine seltsame Gedrücktheit machte sich in allen seinen Bewegungen bemerkbar; sogar sein sonst so fester und rascher Gang veränderte sich sichtlich, er machte keine einsamen Spaziergänge mehr und fing an, die Gesellschaft aufzusuchen; er trank den Tee im Wohnzimmer, ging mit Wassili Iwanowitsch in dem Gemüsegarten auf und ab und rauchte bei ihm schweigend seine Pfeife; einmal erkundigte er sich sogar nach dem Befinden des Pater Alexis. Diese Veränderung machte Wassili Iwanowitsch zuerst große Freude, aber sie war nicht von langer Dauer.

»Eniuscha macht mir Sorge,« sagte er im Vertrauen zu seiner Frau; »nicht als ob er unzufrieden und reizbar wäre, das würde mich nicht beunruhigen, aber er ist traurig und bekümmert, das bringt mich zur Verzweiflung. Er spricht nichts, es wäre mir lieber, wenn er mit uns brummen würde; dabei wird er mager und sieht schlecht aus.«