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Frau Kukschin hat schließlich auch das Land verlassen. Sie ist gegenwärtig in Heidelberg, und studiert nicht mehr die Naturwissenschaften, sondern die Architektur, und hat da, wie sie sagt, neue Gesetze entdeckt. Wie ehemals verkehrt sie mit den Studenten, und besonders mit den jungen russischen Physikern und Chemikern, von denen Heidelberg wimmelt und die, wenn sie die naiven deutschen Professoren in der ersten Zeit ihres Aufenthalts durch die Richtigkeit ihres Urteils in nicht geringes Erstaunen gesetzt haben, dieselben kurz darauf durch ihren vollständigen Müßiggang und ihre beispiellose Faulheit in noch viel größeres Erstaunen setzen. Mit zwei oder drei Chemikern dieser Gattung, welche den Unterschied zwischen Sauerstoff und Stickstoff nicht kennen, aber alles kritisieren und sehr zufrieden mit sich selber sind, treibt sich Sitnikoff in Petersburg umher und setzt in Begleitung des »großen« Eliewitsch und mit dem Bestreben, diesen Ehrentitel gleichfalls zu verdienen, Bazaroffs »Werk«, wie er sich ausdrückt, fort. Man versichert, daß er kürzlich geprügelt wurde, jedoch nicht, ohne sich Genugtuung zu verschaffen; er hat in einem obskuren Artikel, der in einem obskuren Blatt erschien, zu verstehen gegeben, daß sein Gegner eine feige Memme sei. Er nennt das Ironie. Sein Vater läßt ihn laufen wie gewöhnlich; seine Frau heißt ihn einen Schwachkopf und Literaten.

In einem der fernsten Winkel Rußlands liegt ein kleiner Kirchhof. Wie beinahe alle Kirchhöfe unseres Landes bietet er einen höchst traurigen Anblick dar; die Gräben, welche ihn einhegen, sind seit lange vom Unkraut überwuchert und ausgefüllt, die hölzernen Kreuze liegen auf der Erde oder halten sich kaum noch, geneigt unter den einst bemalt gewesenen kleinen Dächern, welche über ihnen angebracht sind; die Leichensteine sind von der Stelle gerückt, als ob sie jemand von unten weggestoßen hätte; zwei oder drei fast blätterlose Bäume geben kaum ein wenig Schatten; Schafe weiden zwischen den Grabhügeln. Einer jedoch ist da, den die Hand des Menschen verschont und die Tiere nicht mit Füßen treten; die Vögel allein kommen und setzen sich auf ihn nieder, und singen da jeden Morgen beim ersten Tageslicht. Ein Eisengitter umgibt ihn, und an den Enden stehen zwei junge Tannen. Es ist das Grab Eugen Bazaroffs. Zwei Leute, ein Mann und eine Frau, gebeugt von der Last der Jahre, kommen oft dahin aus einem Dörfchen der Nachbarschaft; eins aufs andere gestützt, nähern sie sich langsamen Schritts dem Gitter, sinken auf die Knie und weinen lang und bitterlich, die Augen auf den stummen Stein geheftet, der ihren Sohn deckt; sie wechseln einige Worte, wischen den Staub ab, der auf der Platte liegt, richten einen Tannenzweig auf, fangen wieder an zu beten und können sich nicht entschließen, diesen Ort zu verlassen, wo sie ihrem Sohn, wo sie seinem Andenken näher zu sein glauben. Ist es möglich, daß ihre Gebete, ihre Tränen vergeblich wären? Ists möglich, daß reine, hingebende Liebe nicht allmächtig sei? O nein! Wie leidenschaftlich, wie rebellisch das Herz auch war, das in einem Grabe ruht, die Blumen, die darauf erblühen, sehen uns freundlich mit ihren unschuldigen Augen an; sie erzählen uns nicht allein von der ewigen Ruhe, von der Ruhe der »gleichgültigen« Natur; sie erzählen uns auch von der ewigen Versöhnung und von einem Leben, das kein Ende haben soll.