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Lisbeth zog die Verbindung zu etwas, was sie in dem vergilbten Untersuchungsbericht im Archiv in Landskrona gelesen hatte. Rakel Lund, die Freizeit-Wahrsagerin, war Putzfrau gewesen. Sie hatte bei V&C Bau gearbeitet.

Um sieben Uhr abends hatte Mikael ein Dutzend Mal Lisbeths Nummer gewählt und ebenso oft festgestellt, dass ihr Handy ausgeschaltet war. Sie wollte nicht unterbrochen werden, während sie sich durchs Archiv ackerte.

Er wanderte rastlos im Gästehäuschen auf und ab. Er hatte Henriks Notizen hervorgeholt und nachgesehen, was Martin Vanger bei Harriets Verschwinden getan hatte.

Martin Vanger war 1966 in seinem letzten Jahr auf dem Gymnasium in Uppsala.

Uppsala. Lena, siebzehnjährige Gymnasiastin. Den Kopf vom Fett getrennt.

Henrik hatte es ein paarmal erwähnt, aber Mikael musste seine Notizen zurate ziehen, um die Passage zu finden. Martin war ein verschlossener Junge gewesen. Sie hatten sich Sorgen um ihn gemacht. Als sein Vater ertrank, hatte Isabella beschlossen, ihn nach Uppsala zu schicken - ein Tapetenwechsel, für den er bei Harald untergebracht wurde. Harald und Martin? Das konnte er sich nicht vorstellen.

Auf dem Weg zum Treffen in Hedestad war im Auto kein Platz mehr für Martin gewesen. Er hatte den Zug verpasst, als er nach Hause fahren wollte. Er war spätnachmittags angekommen und damit unter denjenigen, die auf der anderen Seite der Brücke festsaßen. Er kam erst nach sechs Uhr abends mit dem Boot auf die Insel und wurde unter anderem von Henrik in Empfang genommen. Aus diesem Grund hatte er Martin zunächst ziemlich weit unten auf die Liste der Personen gesetzt, die etwas mit Harriets Verschwinden zu tun haben konnten.

Martin behauptete, Harriet den ganzen Tag über nicht getroffen zu haben. Er log. Er war früher nach Hedestad gekommen und stand auf der Bahnhofstraße, Auge in Auge mit seiner Schwester. Mikael konnte die Lüge mit Bildern dokumentieren, die fast vierzig Jahre verschwunden gewesen waren.

Harriet hatte ihren Bruder gesehen und schockiert reagiert. Sie war auf die Insel gefahren und hatte versucht, mit Henrik zu reden, doch zu diesem Gespräch kam es nicht mehr. Wovon wolltest du erzählen? Von Uppsala? Aber Lena Andersson, Uppsala, stand nicht auf deiner Liste. Du wusstest nichts davon.

Die Story ging für Mikael immer noch nicht auf. Harriet war gegen drei Uhr verschwunden. Martin war zu dieser Zeit erwiesenermaßen auf der anderen Seite des Sundes gewesen. Er war auf Fotos zu sehen, die vom Kirchhügel aus aufgenommen worden waren. Er konnte Harriet auf der Insel unmöglich etwas angetan haben. Es fehlte immer noch ein Puzzleteil. Ein Komplize? Anita Vanger?

Aus den Unterlagen im Archiv konnte Lisbeth entnehmen, wie sich Gottfried Vangers Position im Konzern im Laufe der Jahre verändert hatte. 1927 geboren, hatte er als Zwanzigjähriger Isabella kennengelernt und sie im Handumdrehen geschwängert. Martin kam 1948 zur Welt, und damit konnte es keinen Zweifel mehr daran geben, dass die jungen Leute heiraten mussten.

Mit zweiundzwanzig war Gottfried von Henrik in die Hauptverwaltung geholt worden. Anscheinend war er begabt und wurde als der Mann der Zukunft gehandelt. Er sicherte sich mit fünfundzwanzig einen Platz in der Führungsriege, als stellvertretender Chef der Abteilung für Unternehmensentwicklung. Sein Stern war im Steigen.

Irgendwann Mitte der fünfziger Jahre kam seine Karriere ins Stocken. Er soff. Die Ehe mit Isabella ging langsam in die Brüche. Die Kinder, Harriet und Martin, litten. Henrik sprach ein Machtwort. Gottfrieds Karriere war an ihrem Höhepunkt angekommen. 1956 wurde ihm ein zweiter stellvertretender Chef an die Seite gestellt. Der machte die Arbeit, während Gottfried soff und über längere Zeiträume hinweg fehlte.

Aber Gottfried war immer noch ein Vanger, noch dazu charmant und redegewandt. Ab 1957 schien seine Aufgabe darin zu bestehen, durchs ganze Land zu reisen und Fabriken einzuweihen, lokale Konflikte zu lösen und den Eindruck zu vermitteln, dass die Konzernführung sich auch für die kleineren Belange interessierte. Wir schicken einen unserer Söhne, der sich um Ihre Probleme kümmert. Wir nehmen Sie ernst.

Die zweite Verbindung entdeckte sie gegen halb sieben Uhr abends. Gottfried hatte an einer Verhandlung in Karlstad teilgenommen, wo der Vanger-Konzern ein örtliches Holzwarenunternehmen gekauft hatte. Tags darauf war die Bäuerin Magda Lovisa Sjöberg ermordet aufgefunden worden.

Die dritte Verbindung entdeckte sie nur fünfzehn Minuten später. Uddevalla 1962. Am selben Tag, an dem Lea Persson verschwand, hatte die Lokalzeitung Gottfried Vanger zu einem möglichen Ausbau des Hafens interviewt.

Drei Stunden später hatte Lisbeth Salander festgestellt, dass Gottfried Vanger an mindestens fünf der acht Mordschauplätze gewesen war, unmittelbar vor oder nach dem Mord. Sie hatte keine Informationen zu den Morden von 1949 und 1954. Sie sah sich sein Bild auf einem Zeitungsausschnitt genau an. Ein gut aussehender, schlanker Mann mit dunkelblondem Haar, der Ähnlichkeit mit Clark Gable in Vom Winde verweht hatte.

1949 war Gottfried zweiundzwanzig Jahre alt. Der erste Mord geschah auf heimischem Boden. Hedestad. Rebecka Jacobsson, Büroangestellte im Vanger-Konzern. Wo habt ihr euch getroffen? Was hast du ihr versprochen?

Als Bodil Lindgren um fünf Uhr abschließen und nach Hause gehen wollte, fauchte Lisbeth Salander sie an, dass sie noch nicht fertig sei. Bodil könne gerne nach Hause gehen, wenn sie nur einen Schlüssel daließe, damit Lisbeth absperren konnte. Die Archiv-Chefin war so irritiert darüber, von einem jungen Mädchen derart angeherrscht zu werden, dass sie Dirch Frode zu Hause anrief und ihn um Anweisungen bat. Frode entschied sofort, dass Lisbeth über Nacht bleiben könne, wenn sie wolle. Frau Lindgren solle dem Nachtwächter in der Zentrale Bescheid geben, damit der sie später hinauslassen konnte.

Lisbeth Salander biss sich auf die Unterlippe. Das Problem war freilich, dass Gottfried Vanger 1965 ertrunken war, während der letzte Mord im Februar 1966 in Uppsala begangen wurde. Sie fragte sich, ob sie einen Fehler gemacht hatte, als sie die siebzehnjährige Gymnasiastin Lena Andersson in die Liste mit aufgenommen hatte. Nein. Das war nicht wirklich dieselbe Handschrift, aber es war derselbe Bezug auf die Bibel. Die Fälle müssen zusammenhängen.

Um neun Uhr hatte es zu dämmern begonnen. Die Luft war abgekühlt, und es nieselte. Mikael saß am Küchentisch und trommelte mit den Fingern, als Martins Volvo über die Brücke fuhr und in Richtung Landzunge verschwand. Das trieb die ganze Sache irgendwie auf die Spitze.

Mikael wusste nicht, was er anfangen sollte. Er brannte mit jeder Faser seines Körpers darauf, Fragen zu stellen - auf Konfrontation zu setzen. Aber es war sicherlich keine gute Idee, wenn er Martin offiziell verdächtigte, ein verrückter Mörder zu sein, der seine Schwester sowie ein Mädchen in Uppsala getötet und obendrein versucht hatte, Mikael zu erschießen. Aber Martin Vanger wusste schließlich nicht, dass Mikael wusste … und er konnte ja unter dem Vorwand zu ihm hinübergehen, dass er … tja, dass er den Schlüssel von Gottfried Vangers Häuschen zurückbringen wollte? Mikael schloss die Tür und ging langsam in Richtung Landzunge.

Harald Vangers Haus lag wie üblich in völliger Dunkelheit. In Henriks Haus brannte auch kein Licht - nur in einem Zimmer, das auf den Garten hinausging. Anna war schlafen gegangen. Isabellas Haus war dunkel. Cecilia war nicht zu Hause. Im Obergeschoss von Alexander Vangers Haus war Licht, aber in den zwei Häusern, in denen Leute wohnten, die nicht zur Familie Vanger gehörten, war es ebenfalls dunkel. Er sah keine Menschenseele.