Выбрать главу

»Ihre Ranch läuft wirklich ganz ausgezeichnet, und sie ist nicht ihre einzige Einnahmequelle. Das Unternehmen Cochran macht sein Geld auch mit Bergbau, Opalen, produzierenden Betrieben, Speditionen, Elektronik und noch einer Menge mehr.«

»Hoppla. Und was wird jetzt damit?«

»Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Den ganzen Tag sind immer mehr Leute angekommen, und die Familie ist zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder so gut wie vollständig versammelt. Es sind viele von der jüngeren Generation aufgetaucht - ab zwanzig aufwärts. Heute Abend sind wohl um die vierzig Vangers in Hedestad, von denen die eine Hälfte im Krankenhaus sitzt und Henrik ermüdet, während die andere Hälfte im Stadthotel mit Harriet redet.«

»Harriet ist sicher die große Sensation. Wie viele wissen von der Geschichte mit Martin?«

»Bis jetzt nur Henrik, Harriet und ich. Wir haben ein langes Gespräch geführt. Diese ganze Sache mit Martin und … seinen Perversionen drängt die meisten Dinge für uns in den Hintergrund. Das hat eine kolossale Krise des Konzerns nach sich gezogen.«

»Das kann ich verstehen.«

»Es gibt keinen natürlichen Erben, aber Harriet wird eine Weile in Hedestad bleiben. Wir müssen unter anderem die Eigentums- und Erbschaftsverhältnisse klären. Ihr steht ja tatsächlich ein Erbteil zu, der ziemlich groß sein würde, wenn sie die ganze Zeit hier gewesen wäre. Es ist ein Alptraum.«

Mikael lachte. Frode lachte nicht.

»Isabella ist zusammengebrochen. Sie ist ins Krankenhaus eingeliefert worden. Harriet weigert sich, sie zu besuchen.«

»Kann ich verstehen.«

»Anita kommt allerdings aus London. Wir berufen nächste Woche einen Familienrat ein. Zum ersten Mal seit fünfundzwanzig Jahren nimmt sie wieder daran teil.«

»Wer wird der neue Geschäftsführer?«

»Birger hat ein begehrliches Auge auf den Posten geworfen, aber das kommt gar nicht infrage. Stattdessen wird Henrik vom Krankenbett aus vorübergehend die Geschäfte leiten, bis wir jemanden gefunden haben. Möglicherweise aus dem Kreis der Familie …«

Er führte den Satz nicht zu Ende. Mikael zog die Augenbrauen hoch.

»Harriet? Das kann nicht Ihr Ernst sein.«

»Warum nicht? Wir sprechen von einer äußerst kompetenten und respektierten Geschäftsfrau.«

»Sie hat ein Unternehmen in Australien, um das sie sich kümmern muss.«

»Ja, aber ihr Sohn Jeff Cochran führt die Geschäfte in ihrer Abwesenheit.«

»Der ist Studs Manager auf einer Schafranch. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann achtet er darauf, dass sich die richtigen Schafe miteinander paaren.«

»Er hat aber auch ein betriebswirtschaftliches Studium in Oxford abgeschlossen und ein Jurastudium in Melbourne.«

Mikael dachte an den verschwitzten, muskulösen Mann mit dem nackten Oberkörper, der ihn in die Schlucht gefahren hatte, und versuchte, ihn sich im Anzug vorzustellen. Warum nicht?

»Das Ganze wird sich nicht auf die Schnelle lösen lassen«, fuhr Frode fort. »Aber sie wäre eine perfekte Geschäftsführerin. Mit der richtigen Unterstützung könnte sie dem Konzern ganz neue Impulse geben.«

»Ihr fehlen die Kenntnisse, die …«

»Das stimmt schon. Natürlich kann Harriet nicht einfach nach ein paar Jahrzehnten hier auftauchen und die Führung des Konzerns bis ins letzte Detail übernehmen. Aber der Vanger-Konzern ist international, und wir könnten uns auch einen amerikanischen Geschäftsführer holen, der kein Wort Schwedisch versteht … so ist das Business.«

»Früher oder später müssen Sie sich mit dem Inhalt von Martins Kellerraum auseinandersetzen.«

»Ich weiß. Aber wir können nichts davon verlauten lassen, ohne Harriet völlig zu vernichten … Ich bin froh, dass ich nicht derjenige bin, der diese Entscheidung treffen muss.«

»Verdammt, Dirch, Sie können nicht einfach verheimlichen, dass Martin ein Serienmörder war.«

Dirch Frode schwieg und wand sich auf seinem Stuhl. Auf einmal hatte Mikael einen üblen Geschmack im Mund.

»Mikael, ich bin in einer … sehr unangenehmen Lage.«

»Erzählen Sie.«

»Ich soll Ihnen eine Mitteilung von Henrik überbringen. Sie ist ziemlich schlicht. Er dankt Ihnen für die Arbeit, die Sie geleistet haben, und betrachtet den Vertrag als erfüllt. Das bedeutet, dass er Sie von den übrigen Verpflichtungen entbindet, dass Sie also nicht mehr in Hedestad wohnen und arbeiten müssen und so weiter. Sie können unverzüglich nach Stockholm zurückziehen und sich anderen Verpflichtungen widmen.«

»Will er, dass ich von hier verschwinde?«

»Absolut nicht. Er will, dass Sie ihn besuchen kommen, damit Sie ein Gespräch über die Zukunft führen können. Er hofft, dass er weiterhin ohne Einschränkungen im Führungsstab von Millennium tätig sein kann. Aber …«

Dirch Frode sah noch verlegener aus, falls das überhaupt noch möglich war.

»Aber er will nicht mehr, dass ich eine Familienchronik der Vangers schreibe.«

Frode nickte. Er zog ein Notizbuch aus der Tasche, das er aufschlug und Mikael über den Tisch zuschob.

»Er hat Ihnen diesen Brief geschrieben.«

Lieber Mikael, ich respektiere Ihre Unabhängigkeit voll und ganz und habe nicht vor, Sie zu beleidigen, indem ich Ihnen vorschreibe, was Sie schreiben sollen. Sie sollen genau das schreiben und veröffentlichen, was Sie wollen, und ich will nicht den geringsten Druck auf Sie ausüben.

Unser Vertrag gilt, wenn Sie darauf bestehen. Sie haben genug Material, um die Chronik der Familie Vanger abzuschließen.

In meinem ganzen Leben habe ich niemanden um etwas angefleht. Ich fand immer, dass ein Mensch seiner Moral und seiner Überzeugung folgen sollte. Doch in diesem Moment habe ich keine Wahl.

Ich bitte Sie, sowohl als Freund als auch in meiner Eigenschaft als Teilhaber von Millennium, die Wahrheit über Gottfried und Martin nicht öffentlich zu machen. Ich weiß, dass das falsch ist, aber ich sehe keinen anderen Ausweg aus dieser Finsternis. Ich habe die Wahl zwischen zwei schlimmen Alternativen, und hier kann es nur Verlierer geben.

Ich bitte Sie, nichts zu schreiben, was Harriet noch mehr schaden könnte. Sie haben selbst erlebt, was es bedeutet, im Mittelpunkt einer Medienkampagne zu stehen. Die Kampagne gegen Sie hatte dabei noch bescheidene Ausmaße - wahrscheinlich können Sie sich vorstellen, wie es für Harriet aussehen würde, wenn die Wahrheit ans Licht käme. Sie hat sich vierzig Jahre lang gequält und soll nicht weiter für die Taten leiden müssen, die ihr Bruder und ihr Vater begangen haben.

Und ich bitte Sie, denken Sie darüber nach, was für Konsequenzen diese Geschichte für Tausende Angestellte unseres Konzerns haben könnte. Sie würde daran zerbrechen, und wir wären vernichtet.

Henrik

»Henrik sagt außerdem, wenn Sie eine Entschädigung für den Verdienstausfall wünschen, der Ihnen entsteht, wenn Sie diese Geschichte nicht publizieren, dann ist er gerne zur Diskussion bereit. Sie können eine beliebige finanzielle Forderung stellen.«

»Henrik Vanger versucht, mich mundtot zu machen. Richten Sie ihm aus, ich wünschte, er hätte mir dieses Angebot nicht gemacht.«

»Diese Situation ist für Henrik genauso schmerzlich wie für Sie. Er mag Sie sehr und betrachtet Sie als Freund.«

»Henrik ist ein cleverer Mistkerl«, sagte Mikael. Plötzlich war er unglaublich wütend. »Er will die ganze Geschichte vertuschen. Er nutzt meine Gefühle aus; er weiß ja, dass ich ihn auch mag. Und was er sagt, bedeutet praktisch: Ich kann veröffentlichen, was ich will, aber wenn ich das mache, dann muss er seine Einstellung zu Millennium revidieren.«

»Als Harriet auftauchte, hat sich alles verändert.«

»Und jetzt möchte Henrik mal genauer wissen, für welchen Preis ich zu haben bin. Ich habe nicht vor, Harriet öffentlich bloßzustellen, aber irgendjemand muss etwas über die Frauen sagen, die in Martins Keller landeten. Dirch, wir wissen nicht einmal, wie viele Frauen er abgeschlachtet hat. Wer soll sich ihres Schicksals annehmen?«